Aus der Community

9 Fragen an Miriam Bettin

Die zukünftige Direktorin des Mönchehaus Museum in Goslar Miriam Bettin erzählt von ihrem Verständnis von Kunst, ihrer Begeisterung für Vaginal Davis und dem Wunsch, Geschichten Raum zu geben

Von Simone Sondermann
04.06.2025

Sammeln Sie? Wenn ja, was?

Sammeln bedeutet für mich Verbindungen zu knüpfen und Erinnerungen festzuhalten. Das Sammeln von Objekten – seien es Bücher, Poster oder Editionen – entspringt meinem seit jeher bestehenden Interesse am Bewahren, Vermitteln und Erzählen von Geschichten. Kunst ist eine Einladung, neue Perspektiven einzunehmen und Impulse für inklusive Formen des Zusammenlebens zu setzen – ein Anliegen, das in Zeiten globaler Umbrüche und Krisen an Dringlichkeit gewinnt. Diesen emotionalen Verbindungen folgend, umgebe ich mich mit Werken von Künstler*innen, mit denen ich zusammengearbeitet habe oder die mich auf meinem Weg begleitet und inspiriert haben.

Welches Kunstwerk haben Sie sich zuletzt gekauft?

Besonders gefreut habe ich mich zuletzt über eine Edition von Yinka Shonibare, Mitbegründer der G.A.S. Foundation in Lagos, Nigeria, an der ich 2022 im Rahmen eines Recherchestipendiums zu Gast war. Die Zeit vor Ort war von intensivem Dialog, fortwährendem Lernen und einem nachhaltigen Austausch geprägt – ein Raum, in dem persönliche Beziehungen gewachsen sind, die mein kuratorisches Denken und Handeln bis heute nachhaltig beeinflussen. Ein ganz besonders tolles Fundstück aus dem Mönchehaus Museum ist das Poster von Cindy Sherman aus den 1990er Jahren. Nach Rebecca Horn war sie die zweite Künstlerin, die mit dem Kaiserring geehrt wurde.

Haben Sie eine Lieblingsgalerie?

Die Galerienszene im Rheinland ist nach wie vor dynamisch und eng vernetzt. Mir gefällt dabei nicht nur die rheinländische Offenheit, sondern auch, wie oft sich im Vertrauten neue künstlerische Positionen und Kollaborationen auftun. Neben den etablierten Galerien wie Gisela Capitain, Buchholz, Nagel Draxler und Clages liegt meine Aufmerksamkeit auch auf jungen Kölner Galerien, darunter Drei, Khoshbakht, Jan Kaps und – ganz frisch vor Ort – LC Queisser aus Georgien. Daneben richte ich meinen Blick auf die vibrierenden Galerienlandschaften in Berlin und verstärkt London: Hier arbeiten Galerien wie Autograph und Amanda Wilkinson nicht nur an einer diskursiven und diversen Repräsentation, wie zum Beispiel mit wegweisenden Künstlern wie Rotimi Fani-Kayode und Ajamu X, sondern auch an aktuellen Bildungs– und Vermittlungsformaten. Zuletzt habe ich im Rahmen der Architekturbiennale in Venedig mit der in Paris gegründeten 193 Gallery zusammengearbeitet, die ein Programm unterstützt, das den transkulturellen Dialog fördert und Kunst jenseits westlich geprägter Lesarten vermittelt.

Welche junge Künstlerin oder welcher junge Künstler ist Ihnen zuletzt aufgefallen?

Die in Berlin lebende Künstlerin Helena Uambembe versteht sich als selbsternannte Hüterin von Geschichte(n). In ihren feinsinnigen Raum- und Klanginstallationen verwebt sie persönliche und kollektive Erinnerungen sowie Traumata aus Angola, Südafrika und Namibia und setzt diese in Beziehung zu kolonialen Machtstrukturen. Dabei entstehen vielschichtige Dialoge zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen individuellem Erleben und gesellschaftlichen Erfahrungen. Diese Form der Begegnung und des lebendigen Austauschs möchte ich mit meinem Programm im Mönchehaus Museum ermöglichen: eine herzliche Einladung an die Besucher*innen, sich zu erinnern, zu erzählen und zuzuhören – und so gemeinsam Geschichte(n) Raum zu geben.

Zur Startseite