TEFAF Maastricht 2024

Der Marktplatz tanzt

Die TEFAF in Maastricht hat zurück zu altem Glanz gefunden, gerade weil die Gegenwartskunst immer mehr Raum bekommt. Die begleitende Konferenz findet erstmals zusammen mit der niederländischen UNESCO-Kommission statt und widmet sich dem venezianischen Kulturerbe

Von Gloria Ehret
04.03.2024

Alljährlich im März trifft sich die Kunstwelt in Maastricht. Museumskuratoren und Sammlerinnen aller Länder werden auch 2024 wieder zur TEFAF pilgern. Ist sie doch in puncto Expertise und Vielfalt die bedeutendste Kunstmesse weltweit. Zeitlich umspannt sie den Bogen mit sammelwürdigen Exponaten von der Antike bis in die jüngste Gegenwart. Zu den rund 270 international agierenden Kunsthändlern, Galeristen und Juwelieren warten weitere 10 Kollegen im „Showcase“ auf Besucher und Kunden. Mit knapp 70 Teilnehmer am stärksten vertreten ist das Vereinigte Königreich, gefolgt von Ausstellern aus den USA, Frankreich, Italien, den gastgebenden Niederlanden, Deutschland und der Schweiz. Aus China, Indien, Urugay und Kanada nimmt jeweils eine Kunsthandlung die weite Reise auf sich. Wobei es sich bei Kanada um die weltweit berühmte Galerie Landau handelt, die auch auf der Art Basel zu den Hauptanziehungspunkten mit Werken der Klassischen Moderne gehört. Im „Showcase“ ist der einzige Pole vertreten.

Klassische Moderne und Gegenwärtiges nehmen hier immer mehr Raum ein

Alte Meister und klassische Antiquitäten sind traditionell breit vertreten. Man staunt alljährlich über das vielseitige Programm der „Generalisten“, allen voran Kugel (Paris), Peter Mühlbauer (Pocking), Neuse (Bremen), oder Röbbig (München) die Gemälde, höfisches Mobiliar, Kunsthandwerk und Silber in bestechender Auswahl vereinen. Altmeistergalerien, Antiquare und Spezialisten für Arbeiten auf Papier, Silber, Glas oder wissenschaftliche Instrumente erfüllen gezielte Wünsche. Dem Trend der Zeit folgend, nehmen die Klassische Moderne und Zeitgenössisches auch in Maastricht immer mehr Raum ein.

Emaillierter Deckelbecher aus vergoldetem Silber, Meistermarke „W“ für Georg Lorenz Warnberger (Meister 1714), Stadtmarke Pyr für Augsburg mit einer Emailmalerei von Johanna Aufenwerth, Augsburg, um 1720. © Schloss Schönburg
Emaillierter Deckelbecher aus vergoldetem Silber, Meistermarke „W“ für Georg Lorenz Warnberger (Meister 1714), Stadtmarke Pyr für Augsburg mit einer Emailmalerei von Johanna Aufenwerth, Augsburg, um 1720. © Schloss Schönburg

Aus dem Füllhorn des Gebotenen sei eine kleine, individuelle Auswahl als Anregung zum persönlichen Rundgang zusammengestellt. Beginnen wir mit zwei mittelalterlichen Raritäten: Brimo de Laroussilhe (Paris) präsentiert das letzte, signierte Werk Bernardo Daddis von 1348: Es ist Teil einer Predella aus einer Kirche in der Nähe von Florenz mit der Darstellung der beiden Heiligen Katharina und Lucia als Halbfiguren auf Goldgrund. Bei Blumka (New York) fällt eine monumentale steinerne, emotional aufeinander bezogene Grabgruppe mit Josef von Arimathäa, Nikodemus und drei Marien ins Auge, zu der das Metropolitan Museum in New York weitere Skulpturen besitzt.

Auch unsere deutschen Teilnehmer warten alljährlich mit musealen Exponaten aller Sammelgebiete auf. Die vor Jahren von München an den Starnberger See übersiedelte Kunsthandlung Böhler ist seit 1993 TEFAF-Aussteller und nun zum letzten Mal dabei. Zum Abschied wartet sie mit einer veritablen Sensation auf: Seit 120 Jahren in Familienbesitz, steht die berühmte „Böhler-Madonna“ nun zum Verkauf. Die knapp über 60 Zentimeter große Marmorskulptur von 1313 ist ein Werk von Giovanni Pisano, Hofkünstler Kaiser Heinrichs VII. 1490 von Benedetto da Maiano restauriert, wurde sie vor 120 Jahren vom Ur-Urgroßvater Julius Böhler in Brüssel ersteigert. Senger (Bamberg) bietet ein klassisches Antiquitätenprogramm, doch ist sein „Skulpturenkeller“ weithin berühmt, aus dem einige hervorragende Heiligen- oder Madonnenfiguren mit nach Maastricht kommen.

Die Exponate der Tefaf umspannen 7000 Jahre Kunst und Kultur

Immer wieder gelingt es den Generalisten, auch mit unerwarteten Highlights zu überraschen. So verblüfft die Galerie Neuse (Bremen), bei der man traditionell bedeutendes Silber erwartet, diesmal zusätzlich mit einer Porzellan-Sensation: Sie entführt anhand eines Ensembles von fünf KPM-Vasen unmittelbar in die prachtvolle, höfische Festkultur nach Berlin. Anlass war 1821 der Besuch des russischen Thronfolgerpaares – war Prinzessin Charlotte, die spätere Alexandra Feodorowna, doch eine Tochter Friedrich Wilhelms III. Zu diesem märchenhaften Ereignis entstand ein gedruckter und illustrierter Festbericht.  Alsdann erhielt die KPM vom König den Auftrag für Porzellane mit Dekoren der aufgeführten „Lebenden Bilder“. Später wurden diese Porzellanschöpfungen vom Hof als Erinnerung an die Festteilnehmer verschenkt. So erhielt Prinz Friedrich der Niederlande zu seiner Hochzeit mit Friedrich Wilhelms III. Tochter Louise 1825 diesen Satz von fünf fein bemalten Prunkvasen mit Szenen aus dem 1817 verfassten Liebesgedicht „Lalla Rook“ von Thomas Moore zum Geschenk. Später in der New Yorker Twinight Collection, hat Samuel Wittwer sie samt der märchenhaften Geschichte 2007 publiziert. Gemessen an der Schönheit der Objekte und ihrer kulturhistorischen Bedeutung erscheinen die 1,2 Millionen Euro für das Ensemble gar moderat.

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