TEFAF Maastricht 2024

Der Marktplatz tanzt

Die TEFAF in Maastricht hat zurück zu altem Glanz gefunden, gerade weil die Gegenwartskunst immer mehr Raum bekommt. Die begleitende Konferenz findet erstmals zusammen mit der niederländischen UNESCO-Kommission statt und widmet sich dem venezianischen Kulturerbe

Von Gloria Ehret
04.03.2024

Alljährlich im März trifft sich die Kunstwelt in Maastricht. Museumskuratoren und Sammlerinnen aller Länder werden auch 2024 wieder zur TEFAF pilgern. Ist sie doch in puncto Expertise und Vielfalt die bedeutendste Kunstmesse weltweit. Zeitlich umspannt sie den Bogen mit sammelwürdigen Exponaten von der Antike bis in die jüngste Gegenwart. Zu den rund 270 international agierenden Kunsthändlern, Galeristen und Juwelieren warten weitere 10 Kollegen im „Showcase“ auf Besucher und Kunden. Mit knapp 70 Teilnehmer am stärksten vertreten ist das Vereinigte Königreich, gefolgt von Ausstellern aus den USA, Frankreich, Italien, den gastgebenden Niederlanden, Deutschland und der Schweiz. Aus China, Indien, Urugay und Kanada nimmt jeweils eine Kunsthandlung die weite Reise auf sich. Wobei es sich bei Kanada um die weltweit berühmte Galerie Landau handelt, die auch auf der Art Basel zu den Hauptanziehungspunkten mit Werken der Klassischen Moderne gehört. Im „Showcase“ ist der einzige Pole vertreten.

Klassische Moderne und Gegenwärtiges nehmen hier immer mehr Raum ein

Alte Meister und klassische Antiquitäten sind traditionell breit vertreten. Man staunt alljährlich über das vielseitige Programm der „Generalisten“, allen voran Kugel (Paris), Peter Mühlbauer (Pocking), Neuse (Bremen), oder Röbbig (München) die Gemälde, höfisches Mobiliar, Kunsthandwerk und Silber in bestechender Auswahl vereinen. Altmeistergalerien, Antiquare und Spezialisten für Arbeiten auf Papier, Silber, Glas oder wissenschaftliche Instrumente erfüllen gezielte Wünsche. Dem Trend der Zeit folgend, nehmen die Klassische Moderne und Zeitgenössisches auch in Maastricht immer mehr Raum ein.

Emaillierter Deckelbecher aus vergoldetem Silber, Meistermarke „W“ für Georg Lorenz Warnberger (Meister 1714), Stadtmarke Pyr für Augsburg mit einer Emailmalerei von Johanna Aufenwerth, Augsburg, um 1720. © Schloss Schönburg
Emaillierter Deckelbecher aus vergoldetem Silber, Meistermarke „W“ für Georg Lorenz Warnberger (Meister 1714), Stadtmarke Pyr für Augsburg mit einer Emailmalerei von Johanna Aufenwerth, Augsburg, um 1720. © Schloss Schönburg

Aus dem Füllhorn des Gebotenen sei eine kleine, individuelle Auswahl als Anregung zum persönlichen Rundgang zusammengestellt. Beginnen wir mit zwei mittelalterlichen Raritäten: Brimo de Laroussilhe (Paris) präsentiert das letzte, signierte Werk Bernardo Daddis von 1348: Es ist Teil einer Predella aus einer Kirche in der Nähe von Florenz mit der Darstellung der beiden Heiligen Katharina und Lucia als Halbfiguren auf Goldgrund. Bei Blumka (New York) fällt eine monumentale steinerne, emotional aufeinander bezogene Grabgruppe mit Josef von Arimathäa, Nikodemus und drei Marien ins Auge, zu der das Metropolitan Museum in New York weitere Skulpturen besitzt.

Auch unsere deutschen Teilnehmer warten alljährlich mit musealen Exponaten aller Sammelgebiete auf. Die vor Jahren von München an den Starnberger See übersiedelte Kunsthandlung Böhler ist seit 1993 TEFAF-Aussteller und nun zum letzten Mal dabei. Zum Abschied wartet sie mit einer veritablen Sensation auf: Seit 120 Jahren in Familienbesitz, steht die berühmte „Böhler-Madonna“ nun zum Verkauf. Die knapp über 60 Zentimeter große Marmorskulptur von 1313 ist ein Werk von Giovanni Pisano, Hofkünstler Kaiser Heinrichs VII. 1490 von Benedetto da Maiano restauriert, wurde sie vor 120 Jahren vom Ur-Urgroßvater Julius Böhler in Brüssel ersteigert. Senger (Bamberg) bietet ein klassisches Antiquitätenprogramm, doch ist sein „Skulpturenkeller“ weithin berühmt, aus dem einige hervorragende Heiligen- oder Madonnenfiguren mit nach Maastricht kommen.

Die Exponate der Tefaf umspannen 7000 Jahre Kunst und Kultur

Immer wieder gelingt es den Generalisten, auch mit unerwarteten Highlights zu überraschen. So verblüfft die Galerie Neuse (Bremen), bei der man traditionell bedeutendes Silber erwartet, diesmal zusätzlich mit einer Porzellan-Sensation: Sie entführt anhand eines Ensembles von fünf KPM-Vasen unmittelbar in die prachtvolle, höfische Festkultur nach Berlin. Anlass war 1821 der Besuch des russischen Thronfolgerpaares – war Prinzessin Charlotte, die spätere Alexandra Feodorowna, doch eine Tochter Friedrich Wilhelms III. Zu diesem märchenhaften Ereignis entstand ein gedruckter und illustrierter Festbericht.  Alsdann erhielt die KPM vom König den Auftrag für Porzellane mit Dekoren der aufgeführten „Lebenden Bilder“. Später wurden diese Porzellanschöpfungen vom Hof als Erinnerung an die Festteilnehmer verschenkt. So erhielt Prinz Friedrich der Niederlande zu seiner Hochzeit mit Friedrich Wilhelms III. Tochter Louise 1825 diesen Satz von fünf fein bemalten Prunkvasen mit Szenen aus dem 1817 verfassten Liebesgedicht „Lalla Rook“ von Thomas Moore zum Geschenk. Später in der New Yorker Twinight Collection, hat Samuel Wittwer sie samt der märchenhaften Geschichte 2007 publiziert. Gemessen an der Schönheit der Objekte und ihrer kulturhistorischen Bedeutung erscheinen die 1,2 Millionen Euro für das Ensemble gar moderat.

Die Münchner Firma Röbbig verwandelt ihre Messestände regelmäßig in erlesen ausgestattete höfische Salons des 18. Jahrhundert, deren stilsichere Arrangements alljährlich ein Aha-Erlebnis bieten. Lange französisch ausgerichtet, orientiert sie sich nun erfolgreich an der Raumkunst venezianischer Paläste. In diesem aufwendig inszenierten Gesamtkunstwerk kommt dem Porzellan des 18. Jahrhunderts die dominierende Rolle zu. Aktuell hebt Alfredo Reyes aus der aufsehenerregenden Sammlung Meissener Kaendler-Schöpfungen dessen „Hanswurst“-Gruppe von 1740 (140.000 Euro) hervor.

Die Tefaf lockt im März Kennerinnen, Museumsleute und Sammler nach Maastricht

Peter Mühlbauer nennt uns aus seinem reichen Schatzhaus mit imposanten Kabinettschränken und Gemälden zwei Augsburger Goldschmiede-Highlights. Eine reich verzierte silbervergoldete barocke Prunk-Kassette von David I. Schwestermüller um 1670 ist zusätzlich noch mit Edelsteinen besetzt. Die Silberreliefs der Wandung schildern allegorische Szenen zum Element „Wasser“. Vormals in einer Kölner Privatsammlung, könnte das Kunstkammerstück für 62.000 Euro in neue Hände übergehen. Um 1720 entstanden ist ein ebenfalls vergoldeter silberner Deckelbecher des Georg Lorenz Warnberger mit leuchtend farbigem, figürlichem Emaildekor von Johanna Aufenwerth, einer der drei Töchter aus der berühmten Hausmaler-Familie.

Prunk-Kassette mit allegorischer Darstellung des Elementes Wasser, Augsburg, um 1670, Meistermarke „SM“ für David I. Schwestermüller (1596 – 1678), Stadtmarke Pyr für Augsburg, Silber gegossen, getrieben und graviert, teilvergoldet, Edelsteinbesatz h: 15,5 cm; b: 25,5; t: 17 cm, Prov.: Privatsammlung Köln, 62.000 €. © Schloss Schönburg
Prunk-Kassette mit allegorischer Darstellung des Elementes Wasser, Augsburg, um 1670, Meistermarke „SM“ für David I. Schwestermüller (1596 – 1678), Stadtmarke Pyr für Augsburg, Silber gegossen, getrieben und graviert, teilvergoldet, Edelsteinbesatz h: 15,5 cm; b: 25,5; t: 17 cm, Prov.: Privatsammlung Köln, 62.000 €. © Schloss Schönburg

Der Münchner Kunsthandel Mehringer, 1970 von Alf Mehringer gegründet, legte seinerzeit den Schwerpunkt auf alte Bildhauerkunst.  Seit 1995 erweitert Sohn Sascha Mehringer das Programm um italienische Altmeister-Malerei vom Mittelalter bis Barock. Seit 2001 gehört er zu den regelmäßigen TEFAF-Ausstellern. Die fruchtbare Zusammenarbeit mit der Turiner Kunsthändler-Familie Benappi führte dazu, dass die beiden nun gemeinsam auf der TEFAF auftreten.

Stellvertretend für die Riege berühmter Altmeistergalerien sei Agnews genannt, 1817 in London gegründet. Dazu gibt es mit Agnews Works on Paper eine Erweiterung, die in Maastricht mit dem Modigliani-Akt „Femme nue s`appuyant sur lànvant-bras gauche“ punktet.

Canesso (Paris) hat uns drei Highlights manieristischer bzw. barocker italienischer Malerei herausgesucht. Mit düster-suggestiver Schwere nimmt ein „Korb mit Früchten“ des Caravaggisten Bartolomeo Cavarozzi (1587-1625) gefangen. Er schildert das üppige Früchte­-Arrangement in subtiler haptischer Sinnlichkeit und kommt dabei ganz ohne Figurenstaffage aus. Auf Giulio Carponis dramatischer Götterszene mit „Iris, Hypnos, dem Gott des Schlafes und dessen Sohn Morpheus, Gott des Traums sowie Alkyone“ tummeln sich umso mehr bewegte nackte Männer und Engel. Giovanni Lanfranco (1582-1625) hat auf seinem großen, fast quadratischen Leinwandgemälde „Ruggiero und Angelica“ in Szene gesetzt, als der reitende Ritter die Prinzessin von einem Seeungeheuer befreit. Sie fußt auf Ludovico Ariosts Canzone aus dessen „Orlando Furioso“.

Regelmäßiger TEFAF-Aussteller ist auch Jaime Eguiguren aus Uruguay, bei dem man christliche Altmeistergemälde mit biblischen Szenen und eindrückliche Heiligenfiguren aus der Sicht lateinamerikanischer Künstler bestaunen kann nebst üppig verziertem, historischem Prunksilber aus fürstlichem Besitz.

Delalande (Paris) erstaunt nicht nur Laien immer wieder mit bedeutenden wissenschaftlichen Instrumenten in bester kunsthandwerklicher Ausführung. Diesmal verblüfft er mit einem ottomanischen „Qibla-Indikator“. Von außen sieht die runde, flache, allseitig dicht mit Gouache-Malerei verzierte Papiermaché-Dose eher wie ein weibliches Schmink-Utensil aus. Geöffnet, entpuppt sie sich als Instrument mit Zeiger-Vorrichtung, die man so justieren kann, dass er, von unterschiedlichen Städten, die aufgelistet sind, die Richtung nach Mekka anzeigt. Eine schriftliche Erläuterung erklärt die Handhabung. Der Indikator ist für Muslime wichtig, denn sie müssen sich bei ihren Gebeten gen Mekka verbeugen. Erfunden wurde dieser Indikator 1738 von Petros Baronyan. Im Gegensatz dazu zeigt die nun angebotene Version aus dem 19. Jahrhundert keine gedruckte Darstellung der Kaaba, sondern alles, Gehäusedekor, die Textblöcke und im Inneren die feine, detailreiche Ansicht von Mekka, sind in feinster farbiger Handmalerei ausgeführt.

Im sechsstelligen Bereich liegt das mehr als 2000 Jahre alte chinesische Bronzegefäß bei Gisèle Croës. © Jérémie Beylard - Agence Phar/Christophe de Quénetain
Im sechsstelligen Bereich liegt das mehr als 2000 Jahre alte chinesische Bronzegefäß bei Gisèle Croës. © Jérémie Beylard - Agence Phar/Christophe de Quénetain

Beim Mobiliar fällt bei Artur Ramon (Barcelona) ein ovaler klassizistischer Tisch von Martin-Guillaume Biennais ins Auge, dessen gegossenes, zierlich-elegantes Bronzegestell mit schlanken Beinen eine französische Scagliola-Platte trägt, deren figürliche pompejanische Mittelszene Ranken- und Blütenfriese rahmen.

Bei Peter Finer (London) erlebt man staunend, wie einst von Schmieden und Plattnern kunstvoll ausgeführte Waffen und Rüstungen vergangener Epochen, längst zu kostbar-eleganten Sammelobjekten avanciert sind.

Alle klassischen Sammelgebiete sind auf der TEFAF vertreten: So ist etwa die 1911 gegründete Ikonen-Galerie Toth aus dem niederländischen Hiuzen regelmäßig Anlaufstelle für Liebhaber russischer Ikonen des 16. bis 19. Jahrhunderts sowie Reiseikonen aus Metall.

Mehrere Aussteller präsentieren Oriental Art bzw. Asiatika. Bei Vanderven aus s`Hertogenbosch stockt einem gelegentlich der Atem vor dessen monumentalen, lebendig gestalteten, chinesischen Terrakotta-Skulpturen von Kamelen oder Pferden. Diesmal nennt uns Floris Van der Ven eine kleine „Gans, die ihr Gefieder putzt“. Knapp 30 Zentimeter misst die lebhaft bewegte chinesische Porzellan-figur aus der Qianlong-Periode des späten 18. Jahrhunderts. Sie besticht nicht zuletzt durch ihre feine Ausführung mit reliefartig aufgestelltem Gefieder. Das Sammlerstück ist entsprechend seiner Bedeutung publiziert und wird nun für 35.000 Euro angeboten.

Der Firmenname „Langeloh Porcelain“ signalisiert das Programm. Wer sich als TEFAF-Käufer in die Reihe der russischen Zarenfamilie einreihen will, kann hier die „Mars-Vase“ aus dem berühmten Satz der Planetenvasen nach Kaendler-Modell von 1744 (1745 bemalt) erwerben. Als Geschenk König Augusts III. und Kurfürsten von Sachsen wurde sie 1761 an Zarin Elisabeth gesandt. Sie blieb bis 1917/18 in deren Familienbesitz und war später in der bedeutenden Sammlung Siegfried Salz in Berlin beheimatet.  Ein Messeschwerpunkt liegt bei Langeloh diesmal bei Höroldt. Dazu gehört ein Paar früher Böttgerporzellan-Tabaks-„Büchßen“ – wie Tabakstöpfe in der Manufaktur genannt wurden. 1726 entstanden, veranschaulichen sie den dekorativen Neuanfang dank Höroldt. Dabei kann man den „Salami“-Dekor kennenlernen. Er ziert eine große tiefe Schüssel mit Gold- und Lüster-Malerei aus der Höroldt-Werkstatt, sowie ein Paar Olio-Töpfe mit Deckel und zugehörigen Untertellern. Zum prunkvoll gedeckten Tisch empfehlen sich die „Indianischen Figuren“ Johann Joachim Kaendlers, für den großen Tafelaufsatz des „Cabinet Ministers“ Graf Brühl von 1737, die nun für 250.000 Euro in ein Museum oder eine hochdotierte Sammlung wechseln können. Im Epochenübergreifenden Programm der Galerie Flore (Brüssel) fällt ein um 1570 in typischer Manier bemalter Majolika-Weinkühler mit Frescobaldi-Wappen ins Auge.

Bedeutendes historisches Silber ist auf der TEFAF wie schon erwähnt, bestens vertreten. So bei den „Generalisten“ Kugel (Paris), Neuse (Bremen), Peter Mühlbauer (Pocking) oder der Kunstkammer Georg Laue (München). Expliziter Silber-Spezialist ist hingegen das 1973 gegründete Familienunternehmen von Helga und Fred Matzke (nach Anfängen in Würzburg, seit langem in Grünwald bei München ansässig). Seit über 25 Jahren bereichert es die TEFAF mit Silberobjekten des 16. bis 19.Jahrhunderts. Koopman (London) legt der Schwerpunkt auf herausragendes englisches Silber vom 17. bis 19. Jahrhundert. Seit 2007 vertritt John Endlich (Haarlem) eben diesen Zeitraum in Maastricht, bevorzugt mit niederländischen Silberobjekten. A. Aardewerk (Den Haag) verbindet die Silber-Offerte mit alten Juwelen.

Steinitz präsentiert für 2 Millionen Euro eine Alabastervase, entstanden im Auftrag des französischen Königs um 1665. © Steinitz
Steinitz präsentiert für 2 Millionen Euro eine Alabastervase, entstanden im Auftrag des französischen Königs um 1665. © Steinitz

Bei Frides Laméris (Amsterdam) steht die Glaskunst von der Antike bis ins 18. Jahrhundert im Mittelpunkt. Ob geschliffen, graviert oder bemalt, erzählt der Dekor Geschichten aus der Geschichte.

Der Wiener Wolfgang Bauer macht seinem Firmennamen „bel etage“ einmal mehr Ehre. Vereint sind die innovativsten Schöpfungen des Wiener Jugendstils, deren Gebrauchsfähigkeit trotz der kühnen Entwürfe nicht in Frage gestellt wird. Da verblüfft ein vor 1912 zu datierender Schrank von Otto Wagner mit Vogelaugenfurnier und Messingbeschlägen (Ausführung Bothe und Erdmann), der einst in Wagners Wohnung stand, und nun für 680.000 Euro in ein neues Interieur umziehen kann. Ebenso wie die virtuos gestaltete Vitrine von Dagobert-Peche von 1913 (150.000 Euro), von dem auch ein getriebener und gehämmerter silberner Tafelaufsatz (100.000 Euro) oder sein Kaffeeservice mit Kaffee-, Milchkanne, Zuckerschale und Tablett, 1920 von der Wiener Werkstätte ausgeführt, für 220.000 Euro zu haben ist. Als Beispiel einer jüngsten Kreation sei ein 2021 entstandener, skulptural wirkender „Sunbust Tall Glass-Chair“ bei Germans Ermics (Amsterdam) erwähnt.

Die Klassische Moderne ist unbestrittener Favorit innerhalb der Sektion moderner Kunst. Mit großartigen Exponaten setzt alljährlich die kanadische Galerie Landau aus Montreal Maßstäbe. Diesmal nennt sie die „Paysage de neige à Chatou“ in Öl von André Derain, einst im Besitz keines Geringeren als Ambroise Vollard in Paris. Unter den deutschen Künstlern hebt Landau Heinrich Campendonk hervor.

Die Galerie Utermann (Dortmund) nennt uns von Marc Chagall, dem Zauberer bildgewordener Sehnsuchtsträume, das „Profil de femme et main au coq“ in einer signierten Gouache von 1962. Gabriele Münter signiertes, datiertes und bezeichnetes Ölgemälde „Rote Wolke mit Haus“ von 1910 wartet für 650.000 Euro auf einen finanzstarken Bewunderer. Max Beckmanns Ölgemälde „Blühender Garten“ von 1933 ist rückseitig „Kaulbach Garten Ohlstadt“ bezeichnet, bestens dokumentiert und mit 950.000 Euro veranschlagt. Ernst Ludwig Kirchner ist mit „Zwei liegenden Akten“ mit von der Partie, die der grandiose Künstler um 1908 mit Farbstiften und starken schwarzen Konturen so auf das bräunliche Papier geworfen hat, dass er ihre sinnlich-nackte Körperlichkeit durch den unbemalten Untergrund wirken lässt. Aus dem alphabetischen Querschnitt durch die Zeichenkunst des 20. Jahrhunderts seien Corinth, Giacometti, Klapeck, Picasso und Winter aufgezählt. Mit einer veritablen Papierskulptur ist der Bildhauer Abraham David Christian dabei.

Die Wiener Galerie Wienerroither & Kohlbacher präsentiert erz-wienerische Kunst auf Papier von Heroen des frühen 20. Jahrhunderts. Düster-melancholisch wirkt Alfred Kubins „Überfall“ in Tusche und Spritztechnik um 1900. Das signierte, mehrfach publizierte, rätselhafte Blatt kam als Geschenk in die Sammlung Waldek und trägt auf der Rückseite deren Inventar-Nummer 70. Egon Schieles Bleistiftstudie zur „Jungfrau“ von 1913 wird in das Werkverzeichnis der Zeichnungen aufgenommen. Ebenfalls erotisch angehaucht ist Schieles „Stehender weiblicher Halbakt (Wally Neuzil)“ von 1912. Schieles signierte „Duftige Landschaft“ in Kohle und Farbkreide von 1915 zeigt, dass der Erotomane auch einer zart hingehauchten Landschaft sinnlichen Zauber verleihen kann.

Die Galerie Beck und Eggeling (Düsseldorf) hat zu Jahresbeginn mit einer Picasso-Ausstellung zu ihrem 30jährigen Firmenjubiläum Furore gemacht. Welcher Kunstliebhaber der Klassischen Moderne könnte dessen „Femme à la résille“ widerstehen, die in einem von 5 Probe- und Künstlerabzügen Picassos in einer Umdruck-Lithographie von 1949 (bei einer 50er-Auflage) zum Verkauf steht? Nur der fehlende Platz verbietet die Aufzählung nicht ausführlich mit den Galerien Thomas (München), Salis (Salzburg) oder Vertes (Zürich) ebenso hochkarätig fortzusetzen.

Mein Lieblingsantiquar Heribert Tenschert (Antiquariat Bibermühle) stellt leider nicht mehr in Maastricht aus. Doch die Antiquariats-Sparte ist trotz – oder gerade wegen des Verfalls der Lese- und Schreibkultur durch die virtuellen Medien hervorragend besetzt. Les Enluminures, 1991 in Paris gegründet, mit Niederlassungen in Chicago und New York, präsentiert unvergleichlich schöne illuminierte mittelalterliche Handschriften. Wer bei alter Buchkunst schwach wird, kann sich bei Camille Souget (Paris) nicht sattsehen an illuminierten Frühwerken, Literatur oder Reisewerken. Breit gefächert und ohne zeitliche Grenzen ist das Angebot von Shapero Rare Books (London). Aus der Buchstadt Basel kommt Dr. Jörn Günther mit mittelalterlichen Miniaturen, illuminierten Handschriften und Drucken des 11. bis 16. Jahrhunderts. Stèphane Clavreuil (London) vermittelt den Eindruck eines üppig bestückten Marktes mit Buch- und Illuminationskunst weit vor der Erfindung der Druckerpresse bis ins 19. Jahrhundert. Bei Helmut H. Rumbler, 1971 in Frankfurt gegründet, steht die Druckgraphik Alter Meister des 15. bis 19. Jahrhunderts im Mittelpunkt.

Ein Paar Rokoko-Armlehnsessel aus der Sammlung der Fashionikone Gloria Guinness bietet Christophe de Quénetain an. © Jérémie Beylard - Agence Phar/Christophe de Quénetain
Ein Paar Rokoko-Armlehnsessel aus der Sammlung der Fashionikone Gloria Guinness bietet Christophe de Quénetain an. © Jérémie Beylard - Agence Phar/Christophe de Quénetain

Längst haben Schmuck und Juwelen breites Terrain auf der TEFAF erobert. Pars pro toto unter den internationalen Spitzenhändlern sei Hemmerle (München) ausgewählt. Bereits in vierter Generation gestaltet das Familienunternehmen kostbare Kreationen für Kunden in der ganzen Welt.

Werfen wir noch einen Blick in einige Kojen der Neuaussteller: Colnaghi, 1760 in London gegründet, hat traditionell auch Arbeiten auf Papier im Programm. Nun gesellen sich zu dieser honorigen Firma gleichsam als Ableger die Colnaghi Elliott Master Drawings. Sie decken das klassische Feld der Zeichenkunst vergangener Jahrhunderte samt neuen und jüngsten Arbeiten ab. Aus Deutschland kommt „Die Galerie“, vor 44 Jahren von Peter Femfert in Frankfurt gegründet. Liebhabern der Klassischen Moderne ist er von vielen internationalen Messen bekannt. Vier Jahre jünger ist die Geoffrey Diner Gallery (Washington) mit Schwerpunkt der Kunst des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart mit Werken von Bansky über Alexander Calder, Helen Frankenthaler oder Robert Motherwell und Louis Comfort Tiffany – um einige Publikumslieblinge zu nennen. Die David Gill Gallery aus Chelsea blickt auf 35 Jahre Kunsthandel zurück: Avantgardistisches Kunsthandwerk und Design ist ihr Spezialgebiet, breit aufgefächert vom Möbel bis zum Kerzenleuchter. Und ganz wichtig und hier längst selbstverständlich: Alle Exponate werden von einer vielköpfigen Fachjury begutachtet.

Zuletzt sei in Erinnerung gerufen, dass die TEFAF – eine Non-Profit-Organisation – sich nicht nur auf ihre Messen in Maastricht oder New York konzentriert. Großzügig engagiert sie sich im internationalen Kulturbereich. So fließen finanzielle Mittel des TEFAF Museum Restoration Fond (TMRF) 2024 an die National Gallery of Ireland in Dublin und an das Wadsworth Athenäum Museum of Art in Hartdorf, Connecticut. In Dublin ermöglicht er die Restaurierung von Ludovico Mazzolinos großformatiger „Durchquerung des Roten Meeres“ von 1521, die sich seit 1914 in der Nationalgalerie befindet. In den USA wird die Restaurierung von Pietro Francavillas 1600 geschaffener Marmorskulptur „Venus mit Nymphe und Satyr“ gesponsert.

Service

Messe

Tefaf Maastricht 2024

9. bis 14. März,

MECC, Forum 100,

6229 Maastricht,

Niederlande

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