Tillmann Prüfer, Style Director des ZEITmagazin

Hand des Meisters

Blog

Kunst aus der Patisserie

Erst schauen, dann kauen: Mit ihren essbaren Skulpturen überschreitet Kristiane Kegelmann die Grenzen herkömmlicher Patisserie

Das Problem mit der Kunst ist ihre Vergänglichkeit. Der Künstler versucht, ein Werk zu schaffen, mit dem er sich unsterblich macht. Doch kaum ist es da, nagt schon der Zahn der Zeit an ihm. Bilder verdunkeln, Fotos verblassen, Bücher lösen sich auf. Es bedarf einer ganzen Schar von Restauratoren, um der Menschheit die Illusion zu bewahren, dass Kunst unvergänglich sei. Es gibt sogar Experten, die sich darum bemühen, die Fettobjekte von Joseph Beuys zu erhalten.
Die gelernte Konditorin Kristiane Kegelmann schafft in Berlin Objekte, bei denen sich diese Frage von vornherein nicht stellt. Da ihre Werke erst durch Zerstörung perfekt werden. Kegelmann kreiert essbare Skulp­turen, kubische Zucker- und Schokoladen­objekte, die die Grenzen der Patisserie überschreiten. Es kann eine Rose sein, die auf einer Kugel zu balancieren scheint, ein Baum aus Kristallzucker oder eine abstrakt anmutende Torte aus halbierten Scheiben. Jede dieser Skulpturen existiert nur in einem bestimmten Raum zu einer bestimmten Zeit. Und findet ihre Vollendung im Verzehr.

Diesem Moment geht monatelange Planung voraus. Zunächst einmal wird das Projekt mit dem Auftraggeber besprochen. Was ist der Präsentationsort, wie viel Gäste werden er­wartet, was sind ihre geschmacklichen Vorlieben? Denn die essbaren Skulpturen von Kegelmann sind nicht nur Form und Oberfläche – der letztliche Kunstgenuss ist das kulinarische Erlebnis.
Hat Kris­tiane Kegelmann von allem eine Vorstellung, werden erste Skizzen angefertigt, dann folgt der handwerkliche Teil. Viele von ­Kegelmanns Skulpturen bestehen nicht nur aus essbaren Komponenten, sondern auch aus architektonischen Konstruktionen – manche enthalten sogar Betonteile.

In den Tagen vor der Veranstaltung müssen Böden gebacken, Füllungen gemischt und die Hohlkörper in verschiedene Formen gegossen werden. Dann werden die einzelnen Elemente gefüllt, geschlossen und zum Bild kombiniert. Der essbare Korpus wird anschließend weiter verschönert, Kegelmann arbeitet dabei mit Modellierschokolade und natürlichen Lebensmittelfarben, die mit Airbrush oder Pinsel aufgetragen werden. Mit dem Skalpell erfolgen letzte Korrekturen. Schließlich wird alles am Veranstaltungsort installiert – und nach einer kurzen Präsentation durch die Künstlerin vereinigt sich die essbare Skulptur mit ihrem Betrachter. Und macht ihn so zum Teil des Werks. Ähnliches soll auch Resten der berühmten „Fettecke“ von Beuys widerfahren sein. Nach der Zerstörung durch einen Hausmeister wurde sie zu Schnaps destilliert. Der soll nach Parmesan geschmeckt haben. Da schafft Kristiane Kegelmann schon mehr Kunstgenuss.

Service

DIESER ARTIKEL ERSCHIEN IN

WELTKUNST Nr. 124/2017

Zur Startseite

Blog

Ludwig Reiter – Bimsen für die Ewigkeit

Perfekt von oben und unten: Die besondere Machart der Schuhe der Wiener Schuhmanufaktur Ludwig Reiter erkennt man auch beim Blick auf die Sohle

Das Renaissance-Schloss Süßenbrunn am Rand von Wien beherbergt ein ungewöhnliches Handwerk: die Schuhmanufaktur Ludwig Reiter. 1885 gegründet, wird sie – mit Unterbrechungen – in der vierten Generation geführt. Der Betrieb erzählt von einer Zeit, als ein Herrenschuh noch kein Wegwerfartikel war, sondern das Fundament des Mannes. Als ein Mann, um Gutes tun zu können, erst einmal gut stehen musste. Im Hause Reiter spürt man noch den Glanz der Kaiserzeit. Denn die Manufaktur war offizieller Ausstatter der k. u. k. Polizeiwache und hatte auch den Abendschuh zur Uniform im Programm. Der schmucke Offizier sollte ihn tragen, wenn er ausging. 

Noch heute existiert dieser Schuhtypus in Form des Chelsea Boots. Und noch immer wird dieser bei Ludwig Reiter von Hand produziert. Etwa 50 Mitarbeiter fertigen jährlich 30.000 Paar Ludwig-Reiter-Schuhe. Die Manufaktur ist Spezialist für handgemachte Schuhe nach dem traditionellen Goodyear-Verfahren. Diese Technik wurde einst von der zweiten Reiter-Generation aus Amerika übernommen. Dabei wird der obere Teil des Schuhes nicht direkt, sondern über einen Rahmen und zwei elastische Nähte mit der Sohle verbunden, was einen besonderen Tragekomfort ermöglicht. Für einen rahmengenähten Schuh sind mehr als 300 Arbeitsschritte nötig. Zunächst wird das geeignete Leder ausgewählt. Dann werden die Elemente des Oberteils mit einer Schablone aufgezeichnet und zugeschnitten oder ausgestanzt. 

Hernach folgt das „Oberteilsteppen“: Die Teile werden zusammengefügt und mit dem Futter vernäht. Beim ­“Zwicken“ wird dann das Oberteil über den Leisten gespannt, eine dem Fuß nachgebildete Form aus Holz oder Kunststoff. Anschließend werden Laufsohle und Oberteil verbunden. Die ledernen Laufsohlen werden direkt auf den Rahmen, einen etwas drei Zentimeter breiten Lederstreifen, genäht. Dieser wird wiederum mit dem Oberteil verbunden. Nach dem Fräsen der Sohlenkante wird der Lederabsatz aufgedrückt und zurechtgefräst. Eine Besonderheit bei Ludwig Reiter ist das anschließende Bimsen: Damit die Naht an der Laufsohle vor Abrieb geschützt ist, wird sie zum Teil in der Sohle eingearbeitet. 

Zum Vernähen werden die zähen Ledersohlen in Wasser eingeweicht. Nach dem Trocknen ist die Schuhunterseite uneben und fleckig. Bei einem „gebimsten Boden“ wird die Doppelnaht in einem feinen Riss etwa zur Hälfte in der Sohle versenkt. Nach dem Nähen wird die weiche Sohle zugebügelt, sodass die Doppelnaht unter der Oberfläche verschwindet. Anschließend wird die Sohle mit einem feinen Glaspapier abgeschliffen. Früher wurde hierfür ein Bimsstein verwendet, daher heißt das Verfahren „bimsen“. Zum Schluss wird mit Wachstinkturen eine neue Politur aufgetragen. Durch das Bimsen wird der Schuh besonders haltbar, ein Partner fürs Leben. Schade nur, dass man ihm die besondere Machart von außen nicht ansieht. Denn wer schaut schon Schuhe von unten an?

ABBILDUNGEN

Ludwig Reiter, Wien

Zur Startseite

Blog

Schlangenbeschwörer – Bulgari

Symbol der Ewigkeit: Seit vielen Jahrzehnten fertigt Bulgari aufwendige, kleine Schmuckechsen, die sich um das Handgelenk schmiegen

Der Mensch hatte schon immer ein eher gespaltenes Verhältnis zu den Tieren mit gespaltener Zunge. Einerseits bewunderte man die Eleganz der Schlange – andererseits fürchtete man die Echse, die ihre Opfer wahlweise erwürgt oder vergiftet und anschließend verschlingt. Die alten Ägypter verehrten die Kobra als Göttin der Ernte, in der griechischen Mythologie ist es die Unheil bringende Medusa, die Haar aus Schlangen hat. Und dann ist da noch die Schlange im Garten Eden, die Adam und Eva dazu verführt, die Früchte des Baumes der Weisheit zu kosten. Hernach waren Adam und Eva zwar so klug, dass sie das Gute und das Böse unterscheiden konnten. Der Herrgott aber war ihnen gram und warf sie aus dem Paradies. Seitdem müssen Menschen arbeiten.
Darunter leiden wir heute immer noch – und das alles wegen ein paar Bissen frischen Obstes. Nun sitzen wir auf Erden, können gut und schlecht unterscheiden, was uns immerhin in die Lage versetzt, Dinge zu schätzen, wie sie das Haus Bulgari fertigt.

Das Haus wurde 1884 von Sotirio Bulgari, einem Mann griechischer Abstammung, in Rom gegründet. So war Bulgari schon immer von der griechischen und römischen Kultur geprägt. Nachdem Bulgari mit der Herstellung von Silberwaren und Dekorationsartikeln begonnen hatte, entschied er sich 1905, Schmuck zu schmieden. Nach seinem Tod 1932 führten seine Söhne Giorgio und Constantino den Betrieb weiter. Sie hatten die Idee, sich den Schlangen zu widmen. Sowohl in der griechischen wie römischen Mythologie repräsentieren Schlangen positive Eigenschaften wie Wiedergeburt, Heilung, Schutz und Verführungskraft. Bei Plato symbolisiert die sich in den Schwanz beißende Schlange die Ewigkeit. Deshalb hat man sich bei Bulgari das Tier zu eigen gemacht. Seit den 1940er-Jahren stellt der italienische Juwelier die sogenannte Serpenti-Kollektion her: Schlangen, die sich als Schmuck um den Arm schlingen.

Die Technik, mit der die Schmuckschlangen hergestellt werden, heißt Tubogas. Der Name ist von Gasschläuchen inspiriert, die tatsächlich einige Ähnlichkeit mit den Stücken haben. Bei Tubogas greifen einzelne Glieder eines Schmuckstücks so ineinander, dass das Teil flexibel ist wie ein Schlauch – oder eben ein Schlangenkörper. Die Schmuckstücke sind sehr solide, obgleich die Glieder nicht fest miteinander verbunden sind. Das Tubogas-Verfahren erfordert viel Geduld und jahrelange Erfahrung. Dabei muss der Goldschmied zwei Metallstreifen mit abgehobenen Kanten um einen Metallkern aus Kupfer schmieden. Der Kern, der auch aus Holz sein kann, wird später wieder entfernt. Die einzelnen Glieder sind schließlich durch die ineinandergreifenden Enden verbunden und sehr flexibel. Dadurch entsteht der Eindruck, das Stück sei weich und organisch. Die Glieder der Serpenti-Schlange sind dabei nicht gleich, sondern verjüngen sich zum Schwanz hin. Manche Modelle der Serpenti werden aufwendig mit Diamanten und anderen Edelsteinen verziert. Aus dem Schlangenkopf leuchten dann rubinrote Augen. Bei einigen Stücken ist im Schlangenkopf sogar ein Uhrwerk im Maul der Schlange untergebracht.

Die Schlange aus dem Garten Eden wurde für die Verführung Evas übrigens ebenfalls bestraft. Gott befahl ihr, fortan auf dem Bauch zu kriechen. Er nahm ihr also die Beine. Für die Serpenti-Armreifen ist das wiederum ein Vorteil. Denn so ein Schmuckstück mit Beinen zu versehen, wäre unnötig kompliziert und auch wenig elegant. Sie würden nur stören. Von daher hat der Konflikt im Paradies auch etwas Gutes gehabt.

Zur Startseite

Blog

Brennen für den guten Geschmack

Zu ihrem zehnten Jubiläum hat sich die Edelobstbrennerei Stählemühle Flakons der Porzellanmanufaktur Nymphenburg gegönnt

Edelbrände und Weine werden in unserem Kulturkreis normalerweise in Glasflaschen gelagert. In Japan hingegen reift der Reiswein Sake in Porzellangefäßen. Das ist ein feiner Unterschied, das Porzellan hat größere Poren als das dichtere Glas, es kann ein besserer Mikroaustausch von Sauerstoff mit der Umwelt stattfinden. Trotzdem gibt es kaum Flakons aus Porzellan in der Welt des Alkohols.
Die Brennerei Stählemühle hat nun zu ihrem zehnten Jubiläum zusammen mit der Münchner Porzellanmanufaktur Nymphenburg eine besondere Jubiläumsedition von Bränden aus Kornelkirsche, sizilianischer Blutorange und Konstantinopler Apfelquitte geschaffen. Sie sind abgefüllt in Flakons aus handgefertigtem mattweißen Biskuitporzellan. Die Flakons tragen ein schwarzweißes Dekor historischer botanischer Darstellungen, das wie Tuschezeichnungen von Hand aufgemalt wird.

Die Ästhetik liegt Christoph Keller, dem Chef der Brennerei Stählemühle, im Blut. Schließlich war er vor seiner Karriere als Schnapsbrenner Kunstverleger. Er hatte 2004 das Anwesen „Stählemühle“ am Bodensee übernommen und dort ein altes Brennrecht vorgefunden, das er wiederbelebte. Schon wenige Jahre später wurde er vom Gault Millau zu einem der zehn besten Destillateure der Welt erklärt.

Eine gute Schnapsflasche aus Porzellan zu fertigen ist allerdings nicht leichter, als einen perfekten Schnaps zu machen. Die Porzellanmasse wird im Hause Nymphenburg aus Feldspat, Quarz und Caolin von Hand angerührt und kann erst nach einem langem Reifungsprozess verwendet werden. Von den Flaschen, die in diesem Fall sechseckig sind, mit einem hervorgehobenen Schriftzug Aqua Vitae, wird ein Modell gefertigt. Anhand des Modells werden wiederum Gußformen aus Gips hergestellt. In jene wird anschließend die Porzellanmasse eingegossen. Der Gips entzieht der sogenannten Schlickermasse das Wasser, sodass sich bald an den Wänden der Form eine feste Schicht ansetzt. Der Rest der Masse wird ausgegossen. Wenn die Porzellanmasse getrocknet ist, werden die Formen geöffnet.

Mehrere Brennvorgänge sind notwendig, um aus dem Rohling ein fertiges Produkt zu machen. Aus dem ersten Brennvorgang bei etwa 1000 Grad kommt der Rohling porös und beträchtlich geschrumpft heraus. Nach einem weiteren, noch heißeren Brennvorgang ist das Porzellan verdichtet. Beim letzten Brand wird die Lasur fixiert. Anschließend kann das schwarze Dekor auf die Flasche gemalt werden.

Die Schnapsflakons sind aus sogenanntem Biskuitporzellan, das nur dort, wo Dekor aufgetragen wird, glasiert werden muss und wegen seiner matten Struktur besonders edel aussieht. Die offene Oberfläche des Porzellans hat allerdings noch einen weiteren Vorteil. Wegen ihr kann der schlussendlich darin abgefüllte Edelbrand in den dreimal 32 Flakons der Sonderedition atmen und angenehm reifen. Über viele, viele Jahre hinweg. Allerdings sind die Brände der Stählemühle so begehrt, dass man ihnen kaum diese Zeit zugestehen dürfte. 

Service

Dieser Artikel erschien in

WELTKUNST Nr. 120/2016

Abbildungen

Sammy Hart / Porzellanmanufaktur Nymphenburg

Zur Startseite

Blog

Der richtige Rahmen für die "Sixtinische Madonna"

Werner Murrer tauchte erst in die Geheimnisse der Renaissance ein, bevor er der „Sixtinischen Madonna“ einen neuen Rahmen baute

Für den Maler Georg Baselitz ist Raffaels „Sixtinische Madonna“ sein „meistgehasstes“ Bild, viel zu „süßlich“ sei es. Andere, wie Sachsens König August der Starke, setzten Himmel und Hölle in Bewegung, um es zu erwerben. Und auch die siegreiche Sowjetunion wollte es nach dem Zweiten Weltkrieg unbedingt in ihrem Besitz haben. Als die Madonna dann in den 1950er-Jahren zurück nach Dresden kam, hatte sie keinen schönen Rahmen mehr. Erst zum 500. Geburtstag des Bildes vor vier Jahren bekam sie einen solchen nachgebaut – von Werner Murrer. Er beschäftigt in seiner Werkstatt in München 15 Mitarbeiter und ist Spezialist für historische Rahmen.

Auf der Suche nach einer Vorlage musste Murrer lange recherchieren und Italien bereisen. In einer Kirche in Bologna wurde er schließlich fündig. Dort fand er einen vergoldeten Renaissance-Rahmen mit einem Raffael-Bild, das die gleichen Maße hatte wie die Madonna. Der ähnliche Rahmen wurde zuerst bis ins Detail untersucht. Neben dem Aussehen ist es wichtig, wie der Rahmen hergestellt wurde. Denn nur, wenn man ihn auf die gleiche Weise baut, wirkt er später authentisch – und nicht kitschig. Bei Renaissance-Rahmen muss man dabei erst mal eine gewisse Schlampigkeit erlernen. Die italienischen Rahmenbauer waren auf Effizienz und äußere Wirkung bedacht, weniger auf Haltbarkeit. So wurde der Grundrahmen aus billigem Pappelholz gebaut, von hinten war das Holz kaum bearbeitet. Solche Inperfektion müsse man nachempfinden, sagt Werner Murrer, sonst fehle dem Rahmen nachher der Charme. Zunächst wurde ein Grundrahmen aus Tölzer Pappelholz gebaut, anschließend wurden die auseinandernehmbaren Eckteile mit Holzdübeln verbunden. Wenn diese altern, bieten sie ein charakteristisches Bild, wie man es auch von alten Kleiderschränken kennt. Das erst bringt die richtige Spannung in die Konstruktion, sagt Murrer.

Später wurden darauf die mit festem Lindenholz geschnitzten floralen Ornamente angepinnt und aufgeleimt. Vor der Vergoldung muss erst ein Kreidegrund aufgetragen werden, dem ein Anstrich mit Tonerde folgt. Dann werden hauchdünne Goldblätter geschnitten und auf die Oberfläche aufgearbeitet. Diese wird mit einem Achat poliert, um den nötigen Glanz zu erreichen. Anschließend wird punziert. Dabei werden mit einem Hämmerchen und einem Eisen Effekte in die Goldoberfläche gedellt. Beim Rahmen der Madonna wurde dafür ein Punziereisen mit sieben Enden benutzt. Das sparte Zeit – zügig konnten so mehr als eine Million Punzierungen aufgebracht werden. Verschiedene Lasuren und Patinas vervollständigten das Werk, an manchen Stellen wurde die Goldschicht etwas abgerieben. So sieht der fünf Meter hohe Rahmen heute aus, als würde er schon seit Hunderten Jahren in der Gemäldegalerie hängen. Käme Baselitz vorbei, müsste er anerkennen, dass immerhin der Rahmen eine große künstlerische Leistung ist.

Zur Startseite

Blog

Atelier Two Palms - Unter höchstem Druck

Das New Yorker Atelier Two Palms hat Maschinen entwickelt, mit denen zeitgenössische Künstler die Druckgrafik neu entdecken

Kunst wird heute oft für einen kleinen Kreis von Sammlern hergestellt, die sich anschließend das Werk bestenfalls an die eigene Wand hängen oder aber gleich im Tresor verschwinden lassen. In Zeiten, da künstlerisches Schaffen derart exklusiv gehalten wird, ist es schwer vorstellbar, dass Kunst einmal reine Kommunikation bedeutete – und Künstler sich mit Freuden auf die Möglichkeiten gestürzt haben, ihre Werke vielen Menschen zugänglich zu machen. Albrecht Dürer erreichte mit dem Holzschnitt und Kupferstich eine Breitenwirkung seiner Motive. Er war der Erste, der seine Schnitte und Stiche auch zu Büchern binden ließ.
Noch Joseph Beuys dachte ähnlich – er signierte massenhaft Drucke und Einladungskarten, um unzählige Kunstwerke zu schaffen. Hätte Beuys einen zukunftsorientierten Berater gehabt, hätte der ihm diese Flausen schnell ausgetrieben. Denn massenhafte Zugänglichkeit tut dem Marktwert nicht gut. Einen echten Beuys kann man heute in Form einer signierten Postkarte bei Ebay für 100 Euro kaufen.

Heutzutage geht nichts mehr ohne Verknappung. Die unbegrenzte Reproduktion wird in der Kunst nicht mehr als Chance, sondern als Problem gesehen. Das macht Druckgrafiken für viele Sammler unattraktiv. Außer man erfindet die Druckmaschine neu. Nicht als Werkzeug für Vervielfältigung, sondern um Originale zu schaffen. Das Ergebnis sind Monoprints. Monoprints sind etwa eine Spezialität des New Yorker Studios Two Palms. Um solch einen Druck herzustellen, wird eine Druckplatte mit verschiedenen Schichten von Farben bepinselt. Dort besitzt man eine Druckerpresse, die ein Medium mit 750 Tonnen Gewicht bearbeiten kann – und somit völlig neue Bearbeitungsformen erschließt.
Der Monoprint-Prozess wurde über zwanzig Jahre von David Lasry zusammen mit dem Künstler Mel Bochner entwickelt, der für seine typografischen Arbeiten bekannt ist. Beide interessieren sich für die extreme Körperlichkeit des Druckprozesses. Die Druckplatten werden mithilfe eines leistungsstarken Lasers produziert. Er brennt die Motive in die Druckplatten. Gedruckt wird im Tiefdruckverfahren: Die Farbe sammelt sich in Vertiefungen auf der Platte und wird mit hohem Anpressdruck auf das Papier übertragen.

Bei Two Palms wird ein eigens in Indien hergestelltes dickes Büttenpapier verwendet. Das Papier wird zusätzlich mit Pigmentfarbstoffen gefärbt. Für einen einzigen Druck mischt Bochner bis zu 8 Kilogramm Ölfarbe an, die auf die Druckplatte aufgetragen werden. Die großen Papierbögen werden auf die vorbereiteten Platten gelegt. Unter dem extremen Druck reagieren die Farben wegen der verschiedenen Viskositäten der Pigmente unvorhersehbar. Manche Pigmente zerspringen förmlich. Das Zusammenspiel der Platte mit der Papierbeschaffenheit und den Eigenschaften der Farbe schafft ein sehr individu­elles Ergebnis. Und so passiert etwas, das in ­unserer durchdigitalisierten Welt nur noch selten passiert: Der Künstler wird von seinem Werk selbst überrascht. Schade nur, dass man es nicht wiederholen kann.

Zur Startseite