Kunstherbst München

Stilkunde: Bilderrahmen

Die Welt historischer Rahmen ist eng mit Architektur, Skulptur und Malerei verwoben – ihre Formen- und Stilvielfalt ist scheinbar grenzenlos

Von Gloria Ehret
14.04.2016

Ein Bild ohne Rahmen sei wie ein nackter Mensch oder ein Diamant ohne Fassung, heißt es. Und doch werden Gemälde fast immer rahmenlos publiziert. Noch immer gilt Christian Friedrich von Germershausens Einschätzung von 1783: „guten Gemälden scheint ein sehr reich verzierter und prächtig vergoldeter Rahmen wenig zu schaden … bey einem schlechten Gemählde aber wird man doch wenigstens durch einen gut ausgearbeiteten Rahmen wegen desselben in etwa schadlos gehalten“. Denn die wenigsten alten Bilder verfügen über ihre Originalrahmen.

Zu fast allen Bereichen des Kunsthandwerks gibt es eigene Museumsabteilungen oder gar Spezialmuseen. Bilderrahmen fristen ihr Dasein meist im Depot. Antiquitätenliebhaber trennen streng zwischen Original und Kopie. Und doch sind es die führenden Rahmenmacher, die gleichzeitig historische Beispiele bewahren. Die Firma Karl Pfefferle, in fünfter Generation in München tätig, verfügt über die größte süddeutsche Sammlung mit rund 3000 Modellen. Als Selfmade-man hat sich Werner Murrer ebenfalls in München einen Namen gemacht. In Berlin gilt Olaf Lemke als erste Adresse auf dem Gebiet, in Düsseldorf die alteingesessene Firma Conzen mit eigenem Spezialmuseum.

Seit der Emanzipierung des Tafelbildes im 15. Jahrhundert muss der Rahmen mehrere Funktionen erfüllen. Er dient zum Schutz des Bildes, zu dessen Anbringung an der Wand, und er soll das Gemälde bestmöglich zur Geltung bringen. Lutma-, Sansovino-, Pitti-, Canaletto- oder Schinkel-Rahmen, die Formen- und Stilvielfalt scheint grenzenlos, denn jedes Kunstzentrum brachte eigene Typen hervor. So verwendete man in den 1470er Jahren für das Brustbild eines Deutschen eine einfache Holzleiste, während ein italienisches Andachtsbild einen aufwendigen Ädikularahmen erhielt. Ein Paradebeispiel des geistigen Wandels in der Renaissance ist der von Albrecht Dürer selbst entworfene, reich geschnitzte, gefasste und vergoldete Tabernakelrahmen italienischen Typs im Germanischen Nationalmuseum, dessen zugehöriges Allerheiligenbild von 1511 in Wien hängt. In Italien umgeben vergoldete, üppige Früchtekränze die modischen Rundbilder in Anlehnung an die Keramiken der della Robbia. Der Florentiner Blattrahmen mit fleischiger, mehr oder weniger naturalistischer Ornamentik entwickelte sich aus dem Plattenrahmen mit gerader Fläche zwischen Profilen. Die bürgerlichen Niederlande bevorzugten mehrfach gewellte Ebenholz-Flammleisten, gelegentlich mit sparsam vergoldeten Profilen. Kostbare Ausführungen waren mit Schildpatt oder Horn veredelt.

Unter Ludwig XIV. löste Frankreich Italien als Trendsetter ab. Bilderrahmen wurden im einheitlichen Hofstil der Innendekoration angepasst. Dieser Mode folgten die Höfe Europas. Beispiel München: Kurfürst Maximilian I. (1573–1651) ließ seine Kammergalerie-Bilder mit filigran ornamentierten Leisten versehen. Max Emanuel (1662–1726) schickte seine Handwerker zur Ausbildung nach Paris, bevor Hofarchitekt Joseph Effner für die Schleißheimer Galerie einen eleganten Rahmen mit dezentem Régence-Bandelwerk kreierte. Kurfürst Karl Albrecht, der spätere Kaiser Karl VII., wählte für die Residenz Entwürfe von François Cuvilliés. Überall gestaltete man die Rahmen zunehmend symmetrisch geschweift, im Rokoko dann mit asymmetrischen Akzenten. Der Schnitzdekor löste sich raumgreifend vom Grund. 

Gesellschaftliche Umwälzungen und technische Neuerungen führten im Klassizismus zu einer Blüte der Rahmenkunst. Dazu hat Sabine Spindler 2007 ein Katalogbuch vorgelegt. Das prosperierende Bürgertum schmückte seine Wände nun ebenfalls mit Gemälden und dank der Erfindung der Lithografie massenhaft mit Grafik, die seit der fabrikmäßigen Karton-Herstellung ein Passepartout erhielt. Als um 1780 Ornamente aus Vergoldermasse und um 1815/20 aus Metall die geschnitzten zu ersetzen begannen, wurden die Rahmen preiswerter. Der Architekt Karl Friedrich Schinkel, wichtigster Protagonist der Rahmenkunst im 19. Jahrhundert, verwendete für die königliche Gemäldegalerie in Berlin 1826/30 variabel kombinierte, mehrfach profilierte Modelle aus standardisierten Einheitsleisten mit gegossenen Eckmotiven. In München erfolgte in den 1830er Jahren mit der Gründung der Alten Pinakothek eine weitere umfangreiche Umrahmungs-Aktion. Stilistisch dominierte europaweit der Motivschatz der Antike und Romantik. Fruchthülsenwülste, Münzbänder, Eier-, Perl- und/oder Herzstab, Eichen- und Lorbeerblattfriese gliederten die vergoldeten Leisten, deren Ecken im josephinischen Österreich applizierte Rosetten schmückten, unter Napoleon die Palmette, das Synonym des Empire. Gemäß der hervorragenden Handwerkskunst des Biedermeier bevorzugte die Epoche neben geprägtem Messingblech und Zinkguss-Beschlägen weiterhin fein polierte vergoldete Holzleisten für ihre Gemälde.

Mit der Bilderflut der Gründerzeit kam maschinell gefertigte Meter- und Fabrikware auf den Markt. Anlass für Impressionisten wie Pissarro, ihre Werke mit geschnitzten, vergoldeten Barock- und Rokoko-Rahmen zu versehen. Präraffaeliten wie Dante Gabriel Rossetti oder die Münchner Jugendstil-Künstler Franz von Stuck und Richard Riemerschmid entwarfen zu ihren Bildern eigene Rahmen – oft als Erweiterung der Darstellung. Eine aufregende Variante bietet Canalettos München-Vedute von 1761, deren Originalrahmen vom Künstler signiert und datiert ist.

Diesen Beitrag finden Sie in der WELTKUNST Nr. 94 / November 2014

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