Ausstellung in Berlin

„Ich weiß nicht, ob ich noch dieselbe Sharon Stone bin“

Die Hollywoodikone Sharon Stone ist Schauspielerin, Model, Autorin und eine viel beachtete Malerin. Nun sind ihre Gemälde in Berlin zu sehen. Ein Gespräch über Acrylfarben, Dreharbeiten mit Martin Scorsese, die Zeit nach ihrem Schlaganfall und die Stimme von Lauren Bacall

Von Christoph Amend
14.02.2024

Der Familienrichter in San Francisco, wo Sie damals lebten, befragte Ihren kleinen Sohn vor Gericht zu „Basic Instinct“.

Das stimmt. Er fragte meinen Sohn, ob er wisse, dass ich in Sexfilmen mitspiele. Mein Sohn war sieben. Ich war in so einem schlechten Zustand, und sie zerrten mich wieder und wieder vor Gericht. Mein Ex war Chefredakteur der einzigen Zeitung in der Stadt, und natürlich brauchten die Richter die Zeitung, um wiedergewählt zu werden. Dazu kam, dass die Leute in San Francisco Leute aus L.A. nicht mögen. Sie haben ihre Vorurteile. Dabei komme ich eigentlich aus dem Osten.

Sie sind ursprünglich aus Pennsylvania. 

Und ich wollte meine Berühmtheit nicht vor Gericht einsetzen, das wollte ich meinem Kind nicht antun. Ich wollte nicht, dass sein Leben Thema für die Boulevardzeitungen wird. Und ich bin froh, dass ich das so gemacht habe. Ich habe meine Integrität behalten, auch wenn die Entscheidung nicht in meinem Sinn und im Sinn meines Sohns gefallen ist. Heute ist er 23, er arbeitet sich gerade durch alles durch, es ist anstrengend, anstrengend, anstrengend. Wir beiden mussten hart daran arbeiten, aber in diesem Jahr erreichen wir beide einen guten Punkt. Endlich. 

Glauben Sie, dass Ihre neue Karriere als Künstlerin damit zu tun hat, dass Sie auf gewisse Weise noch einmal geboren wurden?

Ja. Ich glaube, das ist auch der Grund, warum es meinem Sohn gut geht. 

Ich habe mich gefreut, ein Bild mit Ihnen und Ihrer Mutter auf Ihrem Instagram-Account zu sehen.

Auch wenn bei ihr gerade eine erste Altersdemenz einsetzt, geht es ihr besser, als es ihr jemals ging. Und das hat auch dazu geführt, dass wir beide heute eine bessere Beziehung miteinander haben.

Wie alt ist sie?

Im Mai wird sie 91.

Was glauben Sie: Was haben Sie von Ihrer Mutter und was von Ihrem Vater?

Wissen Sie, beide meiner Eltern haben schon als Kinder gearbeitet. Meine Mutter im Alter von neun Jahren, mein Vater mit vier. Sie hatten keine Eltern, die auf sie aufgepasst haben. Mein Vater ist in einer Scheune aufgewachsen, hat auf einer Farm gearbeitet, meine Mutter in einem Haus als Wäscherin und Köchin. Ich habe von beiden viel Selbstvertrauen geschenkt bekommen. Ich habe deshalb eine direkte Art, die Wahrheit zu sagen, und damit haben viele Menschen erst einmal ein Problem, weil sie das nicht gewöhnt sind. Es verwirrt sie, regt sie auf, macht sie wütend. Was Wahrheit wert ist, habe ich von meinem Vater gelernt. Und von meiner Mutter? Wie lange es dauert, bis man jemanden wirklich kennt. Dass man sich manchmal Zeit nehmen muss, um jemanden wirklich zu verstehen, um nachvollziehen zu können, warum jemand was macht.

Die Schauspielerin Sharon Stone reiste schon immer mit einem Wasserfarbenkasten, hier ihr Bild „If We Make It
Die Schauspielerin Sharon Stone reiste schon immer mit einem Wasserfarbenkasten, hier ihr Bild „If We Make It", Acryl auf Leinwand, 122 x 183 cm © courtesy of Galerie Deschler, Berlin

Und warum machen Sie das, was Sie machen?

Was genau?

Modeln, Schauspielen, Malen.

Ich lebe, wissen Sie?

Und ist das ein anderes Leben als vor dem Schlaganfall?

Selbstverständlich. Ich glaube nicht, dass ich dieselbe bin. Ich hatte eine so heftige Blutung, dass mein Gehirn in den vorderen Teil meines Schädels geschoben wurde. Ich glaube, dass sich meine DNA geändert hat. Mein Körpertyp hat sich verändert, das Essen, auf das ich allergisch bin, hat sich verändert, mein Lieblingsessen, meine Persönlichkeit.

Inwiefern Ihre Persönlichkeit?

In jeder Hinsicht. Ich glaube nicht, dass ich noch dieselbe Person bin wie vor meiner Todeserfahrung. Ich weiß nicht, ob ich noch dieselbe Sharon Stone bin. Ich konnte mich so lange Zeit nicht mehr an mein Leben vorher erinnern. Und ich kann mich immer noch an viele Dinge von früher nicht erinnern.

Wie kamen manche Ihrer Erinnerungen zurück, wie etwa von den Dreharbeiten zu „Casino“?

Vieles ist immer noch verschwunden. Und bei vielen Erinnerungen ist es eher so, als hätte ich sie im Fernsehen gesehen.

Ist das traurig – oder erleichternd?

Ich habe dazu keine Gefühle.

Hinter Ihnen auf dem Schränkchen stehen einige Trophäen und Pokale …

… ja, das sind die, die ich mag. Die allermeisten sind in Kisten verstaut. (Sharon Stone dreht sich um, zeigt auf einige der kleinen Statuen, darunter den Peace Summit Award von der Nobelpreis-Jury für ihren Einsatz gegen HIV, ihren Golden Globe für „Casino“, ihre Emmy für ihre Rolle als Anwältin in der Serie „The Practice“ und ein kleines Glasobjekt.) Das Glas hat mir meine Make-up-Künstlerin geschenkt, sie hat Fotos von Filmen, die wir gemeinsam gedreht haben, in das Glas eingelassen. Und dieser Schlüssel ist von der kleinen Stadt, in der ich die Highschool besucht habe. Da steht: „Best wishes to a hometown girl.“

Saegertown, Pennsylvania. Wie war es, dort zur Schule zu gehen?

Rau. Es war eine raue Stadt. Keine Ampeln, Kinder, die auf Traktoren in die Schule gefahren sind, kaum Geld für Bildung. Als ich zur Schule gegangen bin, gab es unendlich viel Bildungsexperimente für Kinder mit hohen Intelligenzquotienten.

Sie haben einen IQ von 157, das gilt als höchstbegabt.

Ja, deshalb bin ich auch gleichzeitig zur High School und aufs College gegangen.

Wenn Ihnen damals jemand vorausgesagt hätte, welches Leben vor Ihnen liegt: Wie hätten Sie reagiert?

Ich wäre nicht überrascht gewesen. Ich habe immer gedacht, dass ich genau das machen werde. Aber die anderen Leute dachten, ich sei verrückt. Ich habe immer gedacht, dass ich Schauspielerin oder Regisseurin werde.

Warum waren Sie so sicher?

Ich war es einfach, seitdem ich fünf Jahre alt war. Die anderen haben sich über mich lustig gemacht, sie dachten, ich sei lächerlich. Ich habe jeden Samstagmorgen die alten Kinofilme gesehen, die damals im Fernsehen liefen. Ich war ganz sicher: Das bin ich. Ich war besessen von Lauren Bacall. Und von Humphrey Bogart. Später sind Lauren und ich gute Freundinnen geworden. Es war großartig, mit ihr befreundet zu sein. Und was interessant war: Alle dachten, dass sie schwierig ist, aber sie war immer so nett zu mir, wir hatten viel Spaß, wir haben viel herumgealbert, wenn wir zusammen waren. Ich glaube, die anderen Leute hatten Angst vor ihr.

Weil sie so intelligent war?

Intelligent, dazu ihre mächtige, tiefe Stimme, die Heirat mit Humphrey Bogart. Die Leute waren von ihr so eingeschüchtert, glaube ich, dass sie beschlossen haben: Sie muss kompliziert und schwierig sein. Wie bei mir. Viele wollen einfach glauben, ich sei schwierig, weil ich eine tiefe Stimme habe und weil ich wirklich berühmt bin.

Sie haben einmal gesagt: Wenn man erfolgreich ist in dem, was man macht, wird man respektiert. Wenn man aber über die Maßen erfolgreich ist …

… dann muss etwas mit dir nicht Ordnung sein, ja.

Hat Lauren Bacall Ihnen etwas mit auf den Weg gegeben, haben Sie sich etwas von ihr abgeschaut?

Was ich sagen kann: Ich habe geraucht, wenn ich mit ihr zusammen war. Wenn ich sie irgendwo getroffen habe, bin ich immer gleich zu ihr, wir hatten Spaß, und ich habe zu ihr gesagt: Gib mir eine Zigarette, und dann haben wir zusammen geraucht.

Sharon Stone, zum Schluss noch eine Frage zu den oft pointierten Titeln Ihrer Bilder. Als eine Freundin von Ihnen nach ihrer Schwangerschaft eine Pizza essen wollte, und ein Mann ihr sagte, sie solle doch besser auf Ihre Figur achten, haben Sie ein Bild gemalt, das Sie …

„This is my Garden, Asshole“…

… genannt haben. In Berlin zeigen Sie auch ein Bild mit dem Titel „Portrait of My Boyfriends From Foreign Countries.“ Was ist die Geschichte dazu?

Ich habe ja drei Kinder, und Männer sind sehr unzuverlässig. Deshalb hatte ich Dates immer nur, wenn ich unterwegs war. Ich wollte keine amerikanischen Männer daten, die dann zu mir nach Hause kommen und wieder verschwinden. Ich wollte nicht, dass meine Söhne das mitbekommen.

Wissen diese Boyfriends aus fremden Ländern, dass sie in dem Bild sind?

Nein. Das ist wie bei Taylor Swift (lacht): „Good luck to them.“

 

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