Mandalas

Alles ist erleuchtet

Sämtliche Religionen nutzen geometrische Formen für die Darstellung metaphysischer Erfahrungen. Mit seinem Buch „Mandala“ nimmt uns der Asien-Kenner Peter van Ham mit auf eine Reise durch die sakralen Symbole der Weltkulturen

Von Lisa Zeitz
12.12.2023
/ Erschienen in Weltkunst Nr. 221

Eine Sondererlaubnis des Dalai Lama war der Schlüssel zum Erfolg von Peter van Hams Projekt. Ohne sie hätte der Frankfurter Asien-Kenner sein Kameraobjektiv nie so lange und so intensiv auf die Wandmalereien des buddhistischen Klosters Alchi in Indiens nordwestlicher Provinz Ladakh richten dürfen. Seine hochauflösenden Fotografien sind aktuell im Tibet House in New York zu sehen: So präzise hat vor ihm noch niemand die zehn Mandalas aus dem Initiationsraum der Mönche von Alchi festgehalten.

Peter van Ham ist Fotograf und Kurator, Fellow der Royal Geographical und Royal Asiatic Societies in London sowie des Explorer’s Club in New York, seit zwanzig Jahren ist er erster Vorsitzender der Gesellschaft für die Bewahrung und Förderung des kulturellen Erbes Asiens. Seine Forschungsreisen in den Norden Indiens, nach Tibet und Nepal flossen in Bücher, Filme, Vorträge und Museumsausstellungen ein.

Paulino Barasana
Eine Ayahuasca-Vision von Paulino Barasana. Das Dreieck steht für den „Riss im Universum, durch den der Gesut kommt“. © courtesy Arnoldsche Art Publishers, Nach Jay 2010

Mandalas beschäftigen Peter van Ham schon seit rund vier Jahrzehnten. Sein kürzlich im Arnoldschen Verlag erschienenes, auf knapp vierhundert Seiten opulent bebildertes Buch „Mandala – Auf der Suche nach Erleuchtung“ ist also so etwas wie sein Lebenswerk. Am Telefon erzählt er, dass er schon als Kind durch die Afrika-Sammlung seines Vaters lernte, andere Kulturen durch ihre Objekte zu erfahren. Ihn selbst faszinieren vor allem die Kulturlandschaften rund um den Himalaja. Sein neues Buch umfasst jedoch den gesamten Globus. „Die Geometrie als Ausdruck von unaussprechlichen sakralen Inhalten ist weltweit verbreitet“, sagt er. Dabei weiß er, dass Kulturübergreifendes oft auf Skepsis trifft. „Mein Anspruch ist, nicht in die Esoterikecke abzudriften.“

Leben der Tiere
Illustration aus dem ins Persische übersetzten arabischen „Leben der Tiere“, um 1700. © courtesy Arnoldsche Art Publishers, Universität, St Andrews, Ms(o)(CCA)

„Mandala“ ist Sanskrit und heißt „Kreis“. Die Kreisform hat für den Menschen seit jeher eine besondere Bedeutung, von der Pupille des Auges bis zum Umriss der Sonne. Die Perfektion des Kreises und anderer geometrischer Formen verbinden die Menschen in verschiedenen Kulturen mit einer göttlichen Sphäre. Grundformen wie Kreis, Spirale und Dreieck, erklärt Peter van Ham, wurden „über die Jahrhunderte übereinstimmend von griechischen Philosophen, jüdischen, christlichen und muslimischen Theologen wie auch hinduistischen und buddhistischen Erkenntnistheoretikern mit hohem Symbolgehalt aufgeladen und in den Stand der ‚heiligen Geometrie‘ erhoben“. So dienen diese Formen als Zugänge zu Gott, beziehungsweise als „Hilfsmittel, um die beschränkten Vorstellungen des Menschen zu überwinden und zu einem höheren Bewusstsein zu gelangen“. Der griechische Philosoph Platon hat im 4. Jahrhundert v. Chr. geschrieben, die Geometrie diene dazu, die Schattenwelt der Sinne zu überwinden und die Welt der Ideen zugänglich zu machen – so würden sich die Geheimnisse des Universums offenbaren.

Tierkreiszeichenmann
Tierkreiszeichenmann in einer Mandorla im Stundenbuch des Herzogs von Barry ©Musée Condé, Chantily (CCA)

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