Kunstherbst München

Klassische Moderne, Gegenwartskunst und Fotografie im Messeherbst

Auf unserem Rundgang durch die Münchener Messen blicken wir heute in die Residenz, wo die wichtigsten deutschen Galerien mit Werken der klassischen Moderne und zeitgenössischen Kunst samt Fotografie vertreten sind

Von Gloria Ehret
28.10.2016

Bei den „Highlights“ in der Residenz bilden signierte, oft datierte und bestens dokumentierte Werke der klassischen Moderne und zeitgenössischen Kunst samt Fotografie einen Schwerpunkt. Dabei nehmen Arbeiten auf Papier breiten Raum ein: Zu den farbenfrohen Lieblingen zählen Emil Noldes Aquarelle. Bei der Galerie Kovacek aus Wien erblühen „Indianernessel und Astern“ um 1930 (240.000 Euro). Beim Hamburger Händler Thole Rotermund darf Nolde natürlich gar nicht fehlen. Er kommt mit dem großformatigen Aquarell einer nächtlichen Marschlandschaft (Abb. oben) mit ergreifender Licht- und Farbenstimmung (knapp 200.000 Euro). München erweist Rotermund mit einer ganzen Reihe Zeichnungen und Aquarellen von Franc Marc (120.000–240.000 Euro) die Ehre.  Dass am 18. Januar 1948 in Murnau „Tauwetter im Dorf“ herrschte, zeigt Gabriele Münters auf den Tag datiertes Ölbild auf Pappe der Zürcher Galerie von Vertes  (385.000 Euro), die auch ein 1978 datiertes und nummeriertes „Abstraktes Bild“ auf Holz von Gerhard Richter (950.000 Euro) mitbringt.

Gerhard Richter,
Gerhard Richter, "Abstraktes Bild (432-8)", Öl/Holz, 1978, 50x50cm, sign., num. u. dat. "432-8 Richter 78" (Foto: Galerie von Vertes, Zürich)

Christian Rohlfs hat sich neben Stilleben und Landschaften immer auch Architetur-Ansichten und religiösen Themen zugewandt. Florian Sundheimer schwärmt von seiner wunderschönen Rohlfs-Gouache des Klosters Andechs. Rohlfs hat auch eine Lithographie und mehrere Zeichnungen zum Thema Andechs geschaffen. Sundheimers Bild entstand 1920/21und gehört sicher zu Rohlfs‘ ausgearbeitetsten und besten Werken. Geadelt wird es darüber hinaus durch die Provenienz, denn es kommt aus der bedeutenden Krefelder Sammlung Lange (52.000 Euro).

Bei der Galerie Thomas fällt die Tuschpinselzeichnung „Liebespaar“ von George Grosz ist Auge. 1932 erschien sie im Simplizissimus mit dem Text „Siehste Engelchen, det is nu mal das kurze Jlück der Liebe: mit Scherzen fängste an, und mit Alimenten hörste uff (netto 85.000 Euro). Hans (Jean) Arp ist mit der Aquarell-Gouache mit Graphit „Vase, Composition pour Bélias“ um 1958 dabei (14.500 Euro). Gerhard Marcks gehörte zu den Bildhauern, die auch in den Boom-Zeiten der Abstraktion einem zeitlos-klassisch  Menschheitsbild treu geblieben sind. Davon zeugt die in acht Exemplaren entstandene Bronzefigur „Stehende mit Locken“. Thomas wartet mit einem signierten,  nummerierten und mit Gießerstempel „Barth/Rinteln“ versehenen Lebzeitenguss von 1969 auf (35.000 Euro).
Max Beckmanns Zeichnung „Paar im Restaurant“ von 1944 besticht bei Utermann (85.000 Euro), der darüber hinaus Horst Antes zum 80. Geburtstag huldigt. Von Antes präsentiert die Dortmunder Galerie u.a. die in Florenz gemalte „Gelbe Figur“ von 1962 (220.000 Euro).  
Ruberl kommt aus Wien mit Arnulf Rainers Mischtechnik „Kreuzarchitektur“ von 1956 (85.000Euro) und zwei 1970 datierten Blättern von Joseph Beuys (180.000 Euro).
            

Arnulf Rainer (*1929), Kreuzarchitektur (Foto: Galerie Ruberl, Wien)
Arnulf Rainer (*1929), Kreuzarchitektur (Foto: Galerie Ruberl, Wien)

Die Galerie Schichtenmaier bringt Paul Klees kleine in Tusche, Feder und Pinsel lavierte „KompositionNr.1 43“  von 1915  (110.000 Euro). Von ihren „Hausgöttern“ hat Willi Baumeister 1924/26 einen wunderbaren „Schachspieler in Öl und Sand auf Leinwand gebannt (212.000 Euro) und Oskar Schlemmer eine „Studie zu Pinselprüfenden“ von 1941 in Öl auf Karton gemalt (200.000 Euro). Markus Prachensky reist mit „rouge sur blanc“ auf Leinwand von 1961 (88.000 Euro) aus Stuttgart mit.
Maria Lassnig, die vor zwei Jahren verstorbene große alte Dame der österreichischen Gegenwartskunst ist mit dem 1971 in den typischen Lassnig-Farben gemalten Ölbild „Porträt eines jungen Mädchens“ und rückseitiger Widmung an die dargestellte Roswitha Avalos vertreten (145.000 Euro). Von dem heuer in Wien verstorbenen Joannis Avramidis ist ein 1/6 nummerierter abstrakter Bronze-„Kopf“ von 1959/60 dabei ( 48.000 Euro, beide Werke Galerie Zetter, Wien).

Die Galerie Schönewald stellt mit Sigmar Polke und Josef Albers wieder einen Bezug zu München her. Denn Albers besuchte 1919/20 die Bayerische Akademie der Bildenden Künste und studierte u.a bei Stuck, 2010 wurden seine abstrakten Farbvarianten von 1947 hier in der Graphischen Sammlung ausgestellt. Nun kommt „Variant/Adobe in Öl auf Löschpapier in die Residenz (265.000 Euro). Polkes marktfrisches Gemälde „Ohne Titel“ mit Interferenzfarbe auf Leinwand von 2004 erscheint durch die Lichtreflexion gleichsam als „bewegtes Bild“ (490.000 Euro). Zero darf bei den Highlights nicht fehlen! Die nur wenige Fußminuten von der Residenz entfernt gelegene Galerie Maulberger kommt mit„Ohne Titel“ von 1955 in weißer Farbe auf Hartfaser von Herbert Zangs (128.000 Euro) und Otto Pienes Feuergouache „Diagonal aufwärts“ von 1999/2000 (155.000 Euro). Zero mit Piene und Co wird auch von der Düsseldorfer Galerie Ludorff ausgestellt. Die Galerie Schwarzer spannt den Bogen, wie die meisten Highlights-Aussteller, von der Klassischen Moderne bis in die Nachkriegskunst. 1940 im Exil malte Otto Dix „Hemmenhofen im Winter“ als mystisch-melancholische Mischtechnik auf Holz (480.000 Euro). 1963, auf dem Höhepunkt der jungen Zero-Gruppe, entstand auch Gotthard Graubners großformatiges „Kissenbild“ in Acryl auf Leinwand über Synhetikwolle auf Holzplatte montiert (320.000 Euro, Galerie Schwarzer, Düsseldorf).

Das Alphabet der von der Galerie Koch aus Hannover ausgestellten Künstler umfasst Werke von Georg Baselitz („Herzchen“-Gouache, 1994, 29.800 Euro) über Lüpertz („Jason“ Bronzekopf, bemalt, von 2006, 95.000 Euro), Piene (Rauchbild von 1960, 60.000 Euro), Poliakoff und Gerhard Richter („Souvenir“ 1995 in Öl auf Leinwand auf Karton, 125.000 Euro) bis zu Ai Weiwei, dessen Installation mit der chinesischen Fahrradklingel von 1994 im Buch signiert und mit Widmung auf einen neuen Besitzer wartet (49.000 Euro).
„Kreativ“ ist ein leider ziemlich abgedroschener Begriff. Aber auf die Vielfalt dessen, was Kwang Young Chun  aus und mit Papier künstlerisch schafft, trifft er wirklich zu. Beck & Eggeling widmen dem 1944 geborenen koreanischen Papier-Künstler eine Solo-Show. Aus den Werken seiner  dreidimensionalen Aggregation-Serie nennen sie zwei Mischtechniken mit Maulbeerpapier im Plexiglaskasten von 2015 bzw. 2016, die nun bei den Highlights für 165.000 bzw. 155.000 Euro zu erwerben sind.   

Zu den Ikonen der stilisierten Porträtfotografie zählt „The Photojournalist“ von Andreas Feininger aus dem Jahr 1951; quicklebendig und authentisch blickt dagegen „Winston Churchill“ dem Betrachter auf Philippe Halsmans Bildnis aus demselben Jahr in die Augen (35.000 bzw. 30.000 Euro, Stephen Hoffman). Blanca Bernheimer zeigt Gunter Sachs als Fotokünstler mit Abzügen, die er in den 1980er/90er Jahren fü seine Ausstellungen in St.Petersburg und Leipzig in Auftrag gegeben hat (Preise 12.000 bis 30.000 Euro).  

Service

Abbildung ganz oben:

Emil Nolde (1867-1956), Nächtliche Marschlandschaft, ca. 1920-1930 (Foto: Thole Rotermund Kunsthandel)

Messe:

Kunst & Antiquitäten, Postpalast, München, 22. bis 30. Oktober

Highlights – Internationale Kunstmesse, München, Residenz, 26. bis 30. Oktober

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