Kunsthandel

Mit Porzellanhaut und Giftbecher

Die Kunsthandlung Daxer & Marschall zeigt Alte Meister des flämischen Barock, darunter ein Porträt aus der Hand von Eglon van der Neer. Die unbekannte Dargestellte präsentiert sich als dramatische Heldin

Von Lisa Zeitz
07.10.2019

Altmeisterausstellungen von diesem Kaliber sind im deutschen Kunsthandel selten: In­spiriert von der Schau zu Anthonis van Dyck in der Alten Pinakothek, zeigt ­Daxer & Marschall zusammen mit dem Londoner Traditionshaus Agnews „Van Dyck und seine Zeitgenossen“. Neben Werken des flämischen Barockkünstlers sind Gemälde von berühmten Zeitgenossen, darunter Peter Paul Rubens, Jacob Jordaens, Matthias Stomer, Jan Steen und Gerrit Dou, aus den Beständen der Galerien und aus Privatbesitz versammelt, die den fruchtbaren Austausch zwischen den Spanischen Niederlanden und der Republik der Vereinigten Niederlande im 17. Jahrhundert belegen. 

Die Ausstellung beginnt parallel zum Münchner Kunstherbst am 15. und endet am 27. Oktober: Auf jeden Fall sollen die Werke von Agnews noch vor dem drohenden Brexit Ende des Monats wieder in London sein, denn niemand weiß, wie es dann mit dem Kunsttransport, Ausfuhr und Einfuhr aussieht. Wenn sie nicht zuvor verkauft werden!

Der Maler Eglon van der Neer

Einen besonderen Zauber strahlt Eglon van der Neers kleines Gemälde aus, das hier abgebildet ist. Der Künstler wurde Mitte der 1630er-Jahre als ältester Sohn des Landschaftsmalers Aert van der Neer in Amsterdam geboren und kann damit gerade noch als Zeitgenosse van Dycks gelten, der 1641 in London jung verstarb. Auch er wurde Maler, konzentrierte sich aber im Gegensatz zu seinem Vater vor allem auf Figuren. 

Nach Stationen im südfranzösischen Orange, Amsterdam und Rotterdam zog er 1680 nach Brüssel. Dort erwies er sich in dieser Zeit mit seiner Darstellung der rotwangigen jungen Aristokratin als Meister kostbarer Materialien. Viel Aufmerksamkeit schenkte der Künstler den Details: dem reich verzierten goldglänzenden Kelch, dem feinen Perlenschmuck am Handgelenk, im Haar und am Busen, den weißen Rüschen, die das Dekolleté­ betonen, und der damals hochmodernen Frisur „à la hurluberlu“ mit ihrer wilden Fülle an Korkenzieherlocken. 

Die geheimnisvolle Schöne

Die namentlich nicht überlieferte Dargestellte ist in die Rolle einer Heldin der Antike geschlüpft – aber welcher? Während man im 18. Jahrhundert davon ausging, dass es sich bei dem Gemälde um Artemisia handelt, die im Begriff ist, sich ein Getränk mit der Asche ihres verstorbenen Mannes Mausolos einzuverleiben, deutet doch mehr darauf hin, dass ­Sophonisbe dargestellt ist. Ihre grausame ­Geschichte ließ sie während des Zweiten Punischen Kriegs im Jahr 203 v. Chr. den Tod durch Gift wählen, damit sie nicht ihren Feinden, den Römern, in die Hände fallen würde. Die Schlangen am Stil des Gefäßes könnten eine Anspielung auf den Giftbecher sein, die Männer im Hintergrund lassen sich als römische Soldaten interpretieren. Die historische Vorlage dient dem Bild als Kulisse und als Hinweis auf die Tugendhaftigkeit der Dargestellten. Doch von dem menschlichen Drama der Historie verrät das hübsche Gesicht mit der Porzellanhaut, den kirschroten Lippen und großen Augen nichts. Vielmehr erzählt uns das Porträt vom Schönheitsideal am Ende des 17. Jahrhunderts.

Service

Kunsthandlung

Daxer & Marschall
Barer Straße 44
80799 München
Tel. 089 280640

Dieser Beitrag erschien in

WELTKUNST Nr. 163/2019

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