Wiedereröffnung der Glyptothek

Antike im Jungbrunnen

Nach mehrjähriger Sanierung eröffnet die Münchner Glyptothek nun wieder für Besucher. Zum Auftakt wartet eine Ausstellung zum dänischen Bildhauer Bertel Thorvaldsen

Von Gloria Ehret
25.03.2021
/ Erschienen in WELTKUNST Nr. 183

Den Ruf als Kunststadt verdankt München König Ludwig I. von Bayern. Seit seiner ersten Italienreise 1804/1805 begeisterte sich der Wittelsbacher für die Antike. Schon als Kronprinz hegte er den Plan für ein spezielles Museum: Im Frühjahr 1816 wurde der Grundstein gelegt, 1820 stand der klassizistische Rohbau des Hofarchitekten Leo von Klenze, zehn Jahre später wurde die Glyptothek ohne Festakt „dem Volke eröffnet“. Übrigens bezahlte Ludwig seine eigenen frühen Erwerbungen wie auch die seines römischen Kunstagenten Martin von Wagner aus der Privatschatulle. „Glyptothek“ ist eine Wortschöpfung des Monarchen, gebildet aus „glyphen“ (meißeln), und „theke“ (Ablage). Münchens ältestes öffentliches Museum ist weltweit das einzige nur für antike Skulptur.

Einst wie heute bildet die Glyptothek mit ihren 14 Ausstellungssälen als „Ruhmestempel der antiken Plastik“ eine „vollendete Einheit von Bauwerk und Sammlung“. Sie brilliert mit Werken von den archaisch-griechischen Anfängen im 7. vorchristlichen Jahrhundert über die griechische Klassik des 5./4. Jahrhunderts, den Hellenismus des 3. bis 1. vorchristlichen Jahrhunderts über die römische Republik und Kaiserzeit bis in die Spätantike.

Was Haustechnik und Elektrik angeht, war die Glyptothek allerdings in die Jahre gekommen. Auch die Nordfassade, der einstige Königseingang, wirkte vernachlässigt. Nach mehrjähriger Schließung und Sanierung des Museums erscheint sein Äußeres jetzt dezent, aber beeindruckend „geliftet“. Der stumpfe graue Putz der Nordfassade ist verschwunden, die Quader beider Fassaden schimmern nun in feinen unterschiedlichen Farbtönen, sodass die Architektur im wechselnden Licht lebendig strukturiert wirkt. Einbruchssicherung und Brandschutzanlage sind auf den neuesten Stand gebracht. Es gibt einen barrierefreien Zugang, zudem mehr Toiletten und Schließfächer. Der beliebte Innenhof wird mit Rosen und Schnurbäumen begrünt. Der umlaufende Bodenring im Pflaster wurde in der Breite verdoppelt, sodass er mit Rollstühlen bequem befahren werden kann.

Die vertraute Raumabfolge mit Eyecatchern wie den monumentalen Marmorstatuen der Kuroi und Koren, dem „Barberinischen Faun“, den „Ägineten“, der Parade römischer Bildnisse und Büsten, die ein ­halbes Jahrtausend umfassen, Reliefriesen, Sarkophagen und nicht zuletzt dem römischen „Knaben mit der Gans“ bietet einen grandiosen Überblick über die europäische Bildhauerkunst der Antike. Dank neuer Fenster erstrahlt sie in hellerem Licht! Kleine Umgruppierungen unterstreichen Themen und Chronologie. So gesellt sich ein „Satyr“ nun zum „Barberinischen Faun“.

Die sehnlichst erwartete Wiedereröffnung soll mit der Sonderausstellung „Bertel Thorvaldsen und Ludwig I. Der dänische Bildhauer in bayerischem Auftrag“ gefeiert werden. Zahlreiche bedeutende Leihgaben aus dem Thorvaldsen-Museum in Kopenhagen vermitteln einen facettenreichen Einblick in des Künstlers Leben und Schaffen. Neben eigenen Schöpfungen kopierte Thorvaldsen Antiken wie etwa den Kopf des Homer nach einem Original vom Ende des 4. Jahrhunderts vor Christus.

1802 gelang Thorvaldsen in Rom der Durchbruch mit seiner Marmorstatue des „Jason“ für den Bankier Thomas Hope. Zu Hauptwerken wie der „Spes“ und dem Grabmal Papst Pius VII. in St. Peter in Rom sind jetzt Vorstufen oder Vorzeichnungen zu sehen. Für Napoleon, der Thorvaldsen als „besten Künstler“ bezeichnete, schuf dieser den „Alexanderfries“ im Quirinalspalast in Rom. Ein unbekannter Künstler hat das Werk in Feder und Tusche festgehalten. Napoleons Stiefsohn Eugène de Beauharnais wiederum heiratete 1806 Prinzessin Amalie Auguste von Bayern. Sein Marmorgrabmal, geschaffen von Klenze und Thorvaldsen, steht in der Münchner Michaelskirche. Der dazugehörige plastische Entwurf Thorvaldsens zu den „Genien des Lebens und des Todes“ reiste nun aus dem Thorvaldsen-Museum an.

Thorvaldsens Werkstatt in Rom war eine Touristenattraktion. Genrebilder mit dem Künstler im Atelier, umgeben von seinen berühmten Skulpturen, sowie Porträt­gemälde schildern Leben und Bedeutung des Gefeierten. Als absolute Rarität und älteste dänische Fotografie ist der alte Thorvaldsen sogar auf einer Daguerreotypie abgelichtet.

Marmorbüste Ludwig als Kronprinz Bertel Thorvaldsen
Die Marmorbüste von Ludwig als Kronprinz schuf Bertel Thorvaldsen im Jahr 1821. © Renate Kühling/Staatliche Antikensammlungen und Glyptothek, München

Die 1811 entdeckten Giebelfiguren des Aphaiatempels auf Ägina aus der Zeit Ende des 6. Jahrhunderts beziehungsweise um 480 vor Christus mit der Eroberung Trojas bilden den künstlerischen Höhepunkt der Glyptothek. Einst hatte der dänische Bildhauer sie in bayerischem Auftrag ergänzt. Obwohl sich Thorvaldsen in die antike Kunst eingefühlt hatte, zog die Vervollständigung der archaischen und klassischen Figuren in den folgenden Generationen kontroverse Gelehrtenstreite nach sich – zumal viele Hinzufügungen der ursprünglichen Komposition nicht entsprochen haben können. Längst hat man sich für die „Ent-Restaurierung“ entschieden und die Zutaten entfernt. Nun sind die Ergänzungen in Blicknähe zu den Originalen ausgestellt.

Im Stadtraum schließlich zeigt das Bronzestandbild Kurfürst Maximilians von Bayern am Wittelsbacherplatz, wie vielseitig Thorvaldsen zu Werke ging. Falls die Glyptothek zum Jahresende die Besucherzahl von 200 000 überschreitet, mag es auch an seiner Popularität gelegen haben.

Service

AUSSTELLUNG

„Bertel Thorvaldsen und Ludwig I.“,

Glyptohek, München,

Wiedereröffnung am 26. März 2021

Livestream am 25. März, 19.30 Uhr

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