Ausstellungen

Malerfürsten unter sich

Die Bonner Bundeskunsthalle widmet sich den Malerfürsten des 19. Jahrhunderts

Von Angelika Storm-Rusche
19.11.2018

Das Phänomen gab es schon in der Antike, als nämlich der griechische Maler Parrhasios sich selbst – nach Plinius – als Luxus liebenden „princeps“ mit purpurnen Gewändern und goldenem Haarkranz gerierte. Sein Gehabe mag lächerlich anmuten, doch fand es mehr als 2000 Jahre später mannigfaltige Nachfolge bei den sogenannten Malerfürsten. Ihnen widmet die Bundeskunsthalle Bonn eine opulente Ausstellung. Sieben Maler verschiedener Nationalitäten sind dieser posthumen Ehrung würdig: Franz von Lenbach, Frederic Lord Leighton, Hans Makart, Friedrich August von Kaulbach und Franz von Stuck, Mihály von Munkácsy und Jan Matejko. Allein die Namensnennung offenbart ihren „malerfürstlichen“ Rang, allein fünf von ihnen sind zu Lebzeiten geadelt worden. Der Blick richtet sich in Bonn nicht nur auf ihre Werke, sondern auch auf ihre Lebenswelten, also auf die Menschen, die sie umgaben, die Kulissen und historischen Kostüme, in denen sie ihre Selbstinszenierungen pflegten, und natürlich auf ihre Porträts – seien sie von eigener oder fremder Hand gemalt.

Lenbach im Angesicht ruhmreicher Malerkollegen

Nicht selten finden sich Anspielungen auf bewunderte Malerahnen, deren Ruhm die Zeiten überlebt hat. Franz von Lenbach (1836 – 1904) zum Beispiel hat sich 1868 mit „Lavinia als Salome“ an Tizian gemessen. Ob der Münchner die Anekdote gekannt hat, nach der Kaiser Karl V. Tizian den entfallenen Pinsel aufgehoben haben soll? Es ist wohl eine subtile Art der Verbeugung des Kaisers vor seinem Porträtisten. Der Maler Pierre-Nolasque Bergeret hat den kleinen Zwischenfall 1808 in Szene gesetzt. Nach Peter Paul Rubens, dem Malerfürsten der Kunstgeschichte schlechthin, hat Lenbach noch gegen 1904 gemalt: „Rubens und seine Frau im Garten“. Im Gemälde „Rubens und sein Sohn“ kann man ihm selbst in die Augen schauen, denn ein unbekannter flämischer Porträtist hat den berühmten Kollegen, der auch Hofmaler und geadelter Diplomat war, wie einen Fürsten mit allen Attributen seiner Noblesse dargestellt. Auch von Lenbach gibt es ein Rubens-Porträt – der Versuch einer Identifikation? Auf seinem Selbstbildnis hält Lenbach zwei Pinsel in der Hand, ein Malerbekenntnis.

Leighton bringt römische Schönheit in die englische Kunst

Der Engländer Frederic Lord Leighton (1830 – 1896) ist der älteste der auserkorenen Malerfürsten. Urenglisch geprägt ist er eigentlich nicht, denn seine Kindheit und sein Studium hat Leighton auf dem Kontinent erlebt. 1852 traf er in Rom noch auf Nazarener. Seinen künstlerischen Durchbruch verdankte er der in Italien gewonnenen Schönlinigkeit seiner Figuren. 1859 zurück in England, jetzt in London, begann sein fürstliches Leben an der Seite der Präraffaeliten. Sein Gemälde „Beim Kranzflechten“ zehrt noch von ihrem Stil; im Hintergrund zeigt sich mit einer dionysischen Reliefszene eine Reminiszenz an Rom. Auf seinem von Frederic George Watts gemalten Bildnis von lässigem Stolz trägt er eine Art Toga in Kardinalsrot. Leighton war vermutlich der einzige, der sich in der Skulptur versuchte.

Makart und Kaulbach werfen sich ins Kostüm

Das finstere Porträt des gebürtigen Salzburgers Hans Makart (1840 – 1884) von der Hand Lenbachs lässt seinen Hang zu pompösem Luxus nicht erahnen. Sein Hauptwerk von monumentalen Maßen, „Der Frühling“, durfte jetzt tatsächlich aus Salzburg anreisen. Die Zeitgenossen haben gewiss Makarts zweite Frau als Modell der zentralen Figur, eines „Verschnitts“ aus Nymphe, Flora und Venus, erkannt. Die Nachwelt sieht vor allem seine Huldigung an Rubens’ „Liebesgarten“, hatte Makart doch 1877 mit den Freunden Lenbach und Kaulbach die Rubens-Feier (zum 300. Geburtstag) in Antwerpen besucht. Auch dazu passen die eigens herangeschafften prachtvollen Originalkostüme.

Der Münchner Friedrich August von Kaulbach schaut den Betrachter aus seinem Selbstbildnis mit einer Strenge an, die seinen Sinn für Schönheit und Eleganz, besonders die weibliche, so gar nicht verrät. Das Porträt „Lolo Ganghofer“ könnte es in seiner träumerischen Gelassenheit, zumal in der Natur, leicht mit einem Gemälde des bewunderten Thomas Gainsborough aufnehmen. Kaulbachs Bildnis „Geraldine Farrar“ von 1906, im Leporello der Ausstellung zum „Star“ erklärt, weist stilistisch in die Zukunft. Doch ganz ohne Plüsch, wie ihn Hans Makart in Wien anhäufte, kam auch Kaulbach, der seine Villa im Stil der italienischen Renaissance bauen ließ, nicht aus. Überaus pompös hatte er sich 1876 beim Münchner „Künstler-Costüm-Fest“ als Karl V. gegeben.

Die Selbstinszenierung von Franz von Stuck

Das Bildnis „Franz von Stuck“ (1863 – 1928), von Lenbach 1896 mit Bleistift, Pastell und Tusche gezeichnet, zeigt einen eher verwegenen jungen Mann, der der großstädtischen Halbwelt angehören könnte. Ihm traut man am ehesten das Skandalbild „Die Sünde“ zu. Auch seine Interpretation des „Frühling“ hat etwas Lüsternes. Mehr als die anderen nahm Stuck, ohnehin der jüngste unter den drei gekürten Münchner Malerfürsten, die heraufziehende Moderne wahr. Doch auch er genoss jeglichen Luxus und die Huldigung des Publikums in der selbst entworfenen Villa Stuck, in der er „römische Antike“ mit seinem Münchner Jugendstil würzte.

Die Reichen und Mächtigen im Atelier zu Gast

Dagegen setzte der in Paris lebende Ungar Mihály von Munkácsy (1844 – 1900) auf gestrige Requisiten von einschüchternder Größe. In seinem Prunkatelier „empfing“ er seine wohlhabende, nicht selten adelige Klientel, die nach seinen Historienbildern und Porträts verlangte. Sein ihm in Freundschaft verbundener Landsmann Franz Liszt saß ihm 1886 Modell; das dämonisch anmutende Ergebnis soll er sehr geschätzt haben. Munkácsy selbst, längst Erfolg gewöhnt, blickt streng aus seinem 1887 von Hans Temple gemalten Bildnis. Diesem gesetzten Herrn mag man die lichte „Apotheose der Renaissance“ kaum glauben. Der Ungar war selbstbewusst genug, um sich im Bild unter die illustren Italiener – Leonardo, Michelangelo, Raffael und Tizian – zu mischen. Schon dem ausgestellten Entwurf sieht man an, dass er ihre Bilder und insbesondere Raffaels „Schule von Athen“ sehr wohl kannte.

 

Modelle in historischem Gewand führen zum Erfolg

Jan Matejko (1838 – 1893) setzte sich 1892 auf seinem Selbstbildnis herrschaftlich in Pose, verwies jedoch mit Pinseln und Palette ausdrücklich auf seine Profession. Die Kunst des Polen galt insbesondere patriotischen Themen seines Landes. Diese Bilder zeichnen sich durch einen konsequenten horror vacui aus. Zweifelsfrei visualisieren sie das, was man despektierlich „Historienschinken“ nennt. Beinahe folgerichtig neigte Matejko dazu, seine Modelle in historische Kostüme zu stecken. Seine Ehefrau Joanna Karolina posierte als Barbara Radziwiłł im Doppelporträt mit dem polnischen König Sigismund II. August als dessen zweite Frau. Wie sein ungarischer Kollege brachte Matejko es in Paris zu außerordentlichem Erfolg: 1864 wurde er 26-jährig zur Salonausstellung zugelassen – ein Jahr nachdem Manets „Frühstück im Grünen“ vom offiziellen Salon zurückgewiesen worden war und mit dem Salon des Refusés vorlieb nehmen musste! Solche Gleichzeitigkeit wirft ein Licht auf die enormen Differenzen zwischen den Malerfürsten und der Avantgarde. Diese sollten sich im Lauf der Jahrzehnte noch steigern – bis zum Ersten Weltkrieg, als auch die Welt der Malerfürsten endgültig unterging. So ganz vergessen sind sie nicht. Letztlich sind sie Teil der Kunstgeschichte. Es existieren immerhin noch fünf ihnen gewidmete museale Stätten.

Der „Malerfürst“ als Künstlertyp

Zu ihrer Zeit hatten sich Parallelwelten gebildet, wobei die der Malerfürsten von der etablierten Gesellschaft bis in die höchsten Schichten, eben auch von fürstlichen und königlichen, durch Huldigungen verschiedener Art anerkannt wurde, während die aufkommende Moderne zu kämpfen hatte. Matejko brachte es sogar zu einem päpstlichen Orden. Trotz verschiedener Herkunft und Schauplätze teilten sie die Gemeinsamkeiten der auf zahlreichen Europareisen gewonnenen Bildung, des großen, ja festlichen Lebensstils in stattlichem Ambiente, der gekonnten Vermarktung ihrer selbst und ihrer Werke. Ihr Stil war keineswegs homogen. Aber eines muss man ihnen lassen, auch wenn sich die heutige Betrachtung nicht ohne sanfte Ironie vollzieht: Sie alle konnten malen!

Service

Ausstellung

„Malerfürsten“

Bundeskunsthalle, Bonn
bis 27. Januar 2019

Dieser Beitrag erschien in

Kunst und Auktionen Nr. 17/2018

Zur Startseite