Der künstlerische Weg Fritz Erlers führte vom fortschrittlichen Jugendstil zur Propagandakunst im Dienst der Nazis. Seine Bewertung auf dem Kunstmarkt ist auf diesem Hintergrund zu sehen
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13.07.2021
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Erschienen in
Kunst und Auktionen Nr. 10
Kunsthistoriker nehmen die divergierenden Strömungen im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts auch in Deutschland vor allem als Geschichte der Avantgarden wahr – was dabei offenbar vor allem zählt, ist unabhängig von Wirksamkeit und Haltbarkeitsdauer der innovative Anspruch der einzelnen Positionen. Darüber wird gern vergessen, dass die fortschrittlichen Tendenzen, die der Sonderbund in Köln, Herwarth Waldens „Sturm“-Galerie in Berlin oder später Gustav Hartlaub in der Mannheimer Kunsthalle mit ihren Ausstellungen vertraten, anfangs allenfalls bei intellektuellen Schichten Resonanz fanden; die offiziell geförderte Kunst wie auch den konservativen Geschmack des breiten Publikums spiegelten sie nicht. In seiner Entwicklung vom Jugendstil über den Pathos seiner patriotisch befeuerten Kriegsmalerei zur Propaganda-Kunst im Dienst des Nationalsozialismus nahm „Scholle“-Gründer Fritz Erler (Frankenstein/ehem. Schlesien 1868–1940 München) einen Weg, der selbst damals nicht alternativlos, aber auch nicht ungewöhnlich war.
In der Steigerung von symbolistischer Überhöhung zu monumentalem Ausdruck vollzog er einleuchtend den letzten Schritt von der bürgerlichen Malerei zu den Kunstidealen des „Dritten Reichs“. Insofern wird in seinem Werk recht gut nachvollziehbar, dass die Ästhetik des Faschismus wenigstens zu Teilen bereits in der von Nationalismus und Militarismus geprägten wilhelminischen Ära angelegt war. Auch in dem suspekten Männlichkeitskult, der bereits in seinen Soldatenmotiven aus dem Ersten Weltkrieg evident ist, artikulierte Erler letztlich Zeittypisches. Erhellend ist der Vergleich mit Kollegen wie dem gleichaltrigen Albin Egger-Lienz, der in seinen mitunter frappierend ähnlichen Szenen mit Soldaten und kaum weniger martialischen Bauern oder Sämännern körperlich gestählte Männlichkeit bereits Jahre früher idealisiert hatte. Doch obwohl der Tiroler in seinem plakativ-monumentalen Figurenstil das rassistische Menschenbild der NS-Kunst vorwegzunehmen schien, hatte er ausdrücklich darauf beharrt, „keine Bauern, sondern Formen“ zu malen, womit sein Schaffen einer nachträglichen politischen Bewertung (der er freilich trotz seines frühen Todes 1926 nicht entging) gerechterweise eigentlich entzogen war. Erler, der seine Regime-Nähe unter anderem als Porträtist Hitlers und anderer Nazi-Größen hinreichend unter Beweis gestellt hat, wird man hingegen rein ästhetische Intentionen bei seinen unverhohlen politisch motivierten Bildfindungen kaum unterstellen können, und gelegentliche Versuche, diesen Aspekt seiner Malerei verschämt als „Indifferenz“ gegen die faschistische Ideologie der deutschen Kulturpolitik zu marginalisieren, erscheinen wenig glaubhaft. Eine unbefangene Auseinandersetzung mit seinem Werk bleibt somit trotz verdienter Würdigung seiner Bedeutung als einer der maßgeblichen Treiber in der Entwicklung des Jugendstils weiterhin problematisch.
Der junge Erler begann seine Ausbildung 1885 an der Kunst- und Gewerbeschule in Breslau. Nach Besuchen der Akademien in Berlin, Weimar und München studierte er zwei weitere Jahre in Paris bei Benjamin Constant und Adolphe Bouguereau an der Académie Julian, bevor er sich schließlich 1895 als freier Maler in München niederließ. Als Gründungsmitglied und offizieller Sprecher der 1899 aus der „Gruppe G“ hervorgegangenen Künstlervereinigung „Die Scholle“ gehörte er auch zum festen Mitarbeiter-Stamm der Zeitschrift „Jugend“, deren Erscheinungsbild er entscheidend mitprägte. Im künstlerischen Programm nicht allein auf den nach ihr benannten Jugendstil beschränkt, vertraten die Heftmacher ebenso Positionen der aktuellen Impressionisten. Diese Gleichgewichtung von geschlossener und offener Form prägte ihn auch als Maler. Seine Themen reichten vom bürgerlichen Porträt über symbolistisch verrätselte Allegorien bis zu intim gestimmten Landschaften. Dem umfassenden Gestaltungsanspruch des Jugendstils entsprechend arbeitete er auch auf dem Gebiet der angewandten Kunst.
Aufträge erhielt der bestens vernetzte Künstler jedenfalls genug, sodass er 1912 in Utting am Ammersee nach eigenen Vorstellungen ein Atelierhaus erbauen konnte, in dem er später mit seiner Familie dauerhaft wohnte. 1914 meldete er sich freiwillig zum Kriegsdienst und wurde als Kriegsmaler in Nordfrankreich und Flandern eingesetzt; in Gemälden wie „Im Kampf“, „Kämpfer vor Verdun“, oder „Der Kompanieführer“, die ihm später auch die Gunst Hitlers eintrugen, beschrieb er neben Kriegshandlungen auch den harten Soldaten-Alltag an der Front. Einer breiten Öffentlichkeit war er auch durch motivisch und stilistisch korrespondierende Plakate bekannt, die den Ankauf von Kriegsanleihen bewarben. Für sein staatstragendes Engagement wurde er mit Ehrungen überhäuft, und auch die Machtübernahme durch die NSDAP Jahre später hatte für ihn „keine unmittelbaren negativen Folgen“, wie auf der ihm gewidmeten Website des Stadtarchivs Wiesbaden vorsichtig formuliert ist. Eher im Gegenteil: Drei Jahre vor seinem Tod erhielt er mit der Gestaltung von zehn großformatigen Glasmosaiken für die Reichshauptbank in Berlin den wohl bedeutendsten Ausstattungsauftrag seiner Karriere.
Die Offerte an Gemälden Erlers ist weiterhin überschaubar, blieb mit 52 Losen in den letzten zehn Jahren jedoch konstant. Rund ein halbes Dutzend Lose wurde allerdings mehrfach vergeblich hochgehalten; der signifikante Anstieg der Rückgänge von knapp 30 auf über 40 Prozent ist wenigstens zum Teil auch dadurch zu erklären. Deutsche Auktionshäuser, die bis 2011 noch neun von zehn Losen versteigerten, halten nur noch einen Anteil von 75 Prozent, allerdings fokussieren sich die Anbieter weiterhin überwiegend auf den deutschsprachigen Raum; Spitzenqualitäten werden vereinzelt auch in London angeboten.
Die aktuellen Preise spiegeln die verschlechterten Absatzchancen, besonders auffällig ist die Häufung von Billigzuschlägen: Fast jedes dritte vermittelte Los musste bereits für weniger als 1000 Euro abgegeben werden (vor 2011 noch jedes fünfte), 40 Prozent statt zuvor die Hälfte kamen über 3000 Euro, und nur noch dreimal wurden sechsstellige Werte ermittelt, was zuvor immerhin doppelt so häufig vorgekommen war. Diese Top-Zuschläge erhielten drei verschiedene Versionen von Aktbildnissen immer desselben weiblichen Modells in identischem Setting: Als „Frau mit Panther“ tauchte die Schöne erstmals 2008 bei Blomqvist, Oslo, auf und war trotz günstig geschätzter 9000 Euro damals nicht zu vermitteln. Inzwischen immerhin zur „Dame mit Panther“ aufgewertet, brachte sie im folgenden Jahr bei Neumeister, München, denn auch erstaunliche 45.550 Euro. Beim dritten Auftritt im April letzten Jahres bei Hampel, München, verlor sie allerdings wieder schmerzlich an Attraktion, denn mit einem finalen Gebot von 21.000 Euro ging sie diesmal deutlich unter der Taxe von 25.000 weg. In annähernd lebensgroßem Querformat schließlich als ganzfigurige Allegorie der „Calma“ (Ruhe) vorgestellt, erzielte sie bei Sotheby’s, London, Ende 2016 immerhin 25.000 Pfund. Die übrigen Resultate blieben durchweg bescheiden, und manche Anbieter waren vermutlich froh, wenn sie die ohnehin bescheidenen Schätzpreise durchsetzen konnten.
Bei Neumeister, München, verbesserte sich im Mai 2011 eine exotische Szene mit drei Figuren „Am Quai“ von 3500 auf 6000 Euro, ein bodenständigeres Motiv mit „Frauen bei der Apfelernte“ stieg im November 2012 im Dorotheum, Wien, von 2400 auf immer noch magere 5500 Euro. Dagegen blieb eine von präraffaelitischer Blutarmut gezeichnete „Frau mit Lilien“ im Oktober 2018 bei Grisebach, Berlin, bereits an der Taxe von 6000 Euro stehen, während ein im Vergleich konventionelles Bildnis der „Gemahlin des Künstlers“ einen Monat später bei Ketterer, München, mit dem Hammerpreis 6300 Euro die Taxe um mehrere hundert Euro verfehlte.
„Fritz Erler. Von der Scholle in den Krieg“
von Alexander Klar (Hrsg.), Ausst.-Kat., Wienand, Köln 2016