Unterwegs auf Inseln

Heute geht es auf die Inseln San Giorgio Maggiore und Giudecca. Am Nachmittag steht weitere große Kunst in der Punta della Dogana auf dem Programm

Wir verlassen das fischförmige Stadtgebiet und fahren mit dem Vaporetto auf die Insel San Giorgio Maggiore. Hier verändert sich die Perspektive auf die Lagunenstadt auf die angenehmste Weise, denn man hat einen Blick auf das Markusbecken und die architektonischen Schätze, kann aber dem Gedränge entkommen. In der hallenartigen Palladio-Basilika fahren wir mit dem Aufzug auf den Glockenturm, von dem aus man einen herrlichen Rundblick genießt.

Luc Tuymans - Basilica di San Giorgio Maggiore, Installationsansicht
Eine Installation von Luc Tuyman in der Basilica di San Giorgio Maggiore. © Marco Furio Magliani

Auf dem Rückweg werfen wir einen Blick in die Sakristei, wo derzeit mit Unterstützung des Verbands Save Venice zwei großformatige Spätwerke von Tintoretto – „Das letzte Abendmahl“ und „Israeliten in der Wüste“ – restauriert werden. Damit im Altarraum nicht wieder eine Lücke klafft und das Backsteinmauerwerk sichtbar wird – wie im Jahr 2011, als eines der Gemälde an Bice Curigers Kunstbiennale „Viva Arte Viva“ ausgeliehen war –, wurde der belgische Maler Luc Tuymans mit einem Ersatz beauftragt. „Als der Anruf kam, habe ich erstmal abgesagt, weil ich zu viel zu tun hatte“ so der Künstler zur WELTKUNST „aber dann habe ich es mir am nächsten Tag anders überlegt, denn die Benediktinermönche selbst haben mich beauftragt, das ist ja wie in der Renaissance!“ Seine beiden rund 4×6 Meter großen figurativen Werke „Hitze“ und „Musiker“ hat er in wenigen Wochen vollendet, nun spiegeln sie sich in der goldenen Weltkugel auf dem Hauptaltar und verschmelzen auf wundersame Weise mit dem historischen Kirchenraum (bis 23. November 2025).

Den späten Vormittag verbringen wir nebenan auf der Giudecca-Insel, auf der es schön ruhig ist, obwohl sich in den vergangenen Jahren vermehrt Galerien und Projekträume angesiedelt haben. Sehenswert ist der neu angelegte Garten des Redentore-Klosters, den die Venice Garden Foundation auf der Vorlage von überlieferten Dokumenten detailliert botanisch und architektonisch rekonstruiert hat. Die Präsidentin der Stiftung Adele Re Rebaudengo berichtet, dass die Besucher an diesem spirituellen und symbolträchtigen Ort, an dem die Mönche noch immer leben, ein großes Gefühl des Friedens und der Harmonie mit der Natur verspüren. Wir spazieren zwischen den langen Laubengängen aus Trauben und Rosen und verweilen im Café, wo Koch Lorenzo die Produkte des Gartens nach antiker Tradition zubereitet.

Wer es belebter mag, der läuft dem Ufer entlang zur Bar Palanca, der Stammkneipe der auf der Insel lebenden Künstlercommunity. Hier tummeln sich junge Leute wie die Malerin Sophie Westerlind und der Fotograf Ugo Carmeni ebenso wie der betagte Installations- und Videokünstler Fabrizio Plessi, der täglich vom historischen Stadtzentrum zu seinem Atelier übersetzt.

Thomas Schütte
Der Bildhauer Thomas Schütte arbeitet immer wieder mit den Meistern des Berengo Studio auf Murano zusammen. Dort wurde auch 2013 der „Glaskopf A, Nr. 10“ gegossen. © Francesco Allegretto/Courtesy the artist and Peter Freeman, Inc. New York - Paris/VG Bild-Kunst, Bonn 2025

Wenn die Tagesgäste langsam die Stadt verlassen, fahren wir mit dem Boot zurück in die Stadt und besuchen die Punta della Dogana, das ehemalige Zollamt der Serenissima, mit der ersten Einzelausstellung in Venedig von Thomas Schütte (bis 23. November). Er wurde 2005 mit dem Goldenen Löwen der Kunstbiennale ausgezeichnet und zählt zu den renommiertesten deutschen Künstlern. Zu seinem 70. Geburtstag zeigt die Pinault-Stiftung nach der Retrospektive im New Yorker MoMA die Werkschau „Genealogies“ (Ahnenforschung) ausgehend von rund 50 Werken der hauseigenen Sammlung. Auf dem Weg ins Stadtzentrum werfen wir noch einen Blick in den Palazzo Pisani, Sitz des Musikkonservatoriums Benedetto Marcello, wo anlässlich der Architekturbiennale die Kunstsammlerin und -beraterin Gisela Winkelhofer die internationale Gruppenausstellung „Venice_Transformed. Connecting people through art_architecture“ mit Werken von Arik Levy, Julian Opie, Zoé Ouvrier, Jorinde Voigt, Veronica Gaido, Carina Brunnelli und Gregor Hildebrandt präsentiert. Hier verweben sich verspielte Rokoko-Stuckaturen, Deckenmalereien und steife historische Porträts mit zeitgenössischer Kunst und Design.

Zum Abendessen wählen wir einen Klassiker und kehren im „Ristorante Al Colombo“ ein, wo man vom malerischen Campiello auf die Rückseite des Teatro Goldoni schaut, auf der abends stumm italienische Filme der 1950-er Jahre projiziert werden. Im Restaurant sitzt man umgeben von Kunstwerken, die den Besitzern von Künstlern geschenkt wurden, unter anderem eine kleine Arbeit von Marc Chagall und ein handsigniertes Seidentuch von Giorgio De Chirico, aber auch neue Werke von Michelangelo Pistoletto, Thomas Zitzwitz und Peggy Milleville. Besser als hier beim Patron Domenico Stanziani mit venezianischen Spezialitäten wie granseola, einer großen Seespinne, kann man eine Reise in die Lagunenstadt nicht beschließen.