Thomas Schütte in Venedig

Geburtstagsfeier mit Glasköpfen

Zum 70. Geburtstag von Thomas Schütte zeigt die Pinault-Stiftung in Venedig eine umfassende Werkschau – von monumentalen Skulpturen bis zu experimenteller Glaskunst

Von Petra Schaefer
14.04.2025
/ Erschienen in Weltkunst Nr. 239

Zwanzig Jahre ist es her, dass der Bildhauer und Grafiker Thomas Schütte auf der Biennale in Venedig den Goldenen Löwen bekam. In seinen wuchtigen, fragmentierten, liegenden Stahlfrauen, teils von Rost überzogen, die er in der Hauptausstellung mit zarten Porträtskizzen kombinierte, setzte er sich mit der klassischen Moderne auseinander. Sie standen damals in offenem Kontrast zum Deutschen Pavillon mit Thomas Scheibitz’ abstrakten poppigen Werken und Tino Sehgals fröhlichen Performern, die exaltiert „This is so contemporary“ skandierten.

Bis heute entzieht sich Thomas Schütte dem Zeitgeist und besticht durch seine Ernsthaftigkeit. Er zählt damit zu den renommiertesten deutschen Künstlern, und zu seinem 70. Geburtstag zeigt nach der Retrospektive im New Yorker MoMA auch die Pinault-Stiftung eine Werkschau in der Punta della Dogana in Venedig. Ausgehend von rund 50 Werken der hauseigenen Sammlung werden grundlegende Themen seines Œuvres vorgestellt. Dazu gehören die drei überlebensgroßen „Efficiency Men“  (2005) aus Silikon, Stoff und Stahl, die bereits 2006 im Palazzo Grassi präsentiert wurden, sowie die Bronzeskulptur „Vater Staat“ von 2010, die ein Jahr später vor dem ehemaligen Zollhaus in der Lagunenstadt platziert war. Unter den frühesten Werken ist die kleine Fimo-Skulptur „United Enemy (Udo)“  von 1992. Sie steht unter einer Glasglocke auf einem Sockel, wirkt wie ein wissenschaftliches Experiment und ist der Grundstein einer Reihe, in der die Figuren mit ihrer grotesken Mimik an gefallene Götzen erinnern.

Thomas Schütte in Venedig
Thomas Schütte, „You 24“, 2018. Courtesy the artist and Frith Street Gallery, London, Photo credit: Ben Westoby, © Thomas Schütte, by SIAE 2024/VG Bild-Kunst, Bonn 2025

Anders als zuletzt im MoMA rückt die Venezianer Ausstellung auch Werke aus Glas in den Mittelpunkt. Seit rund fünfzehn Jahren produziert Thomas Schütte bei Berengo Studio auf der Murano-Insel, typisch sind zwei „Berengo Heads“ (2011) in den Komplementärfarben Rot und Grün. Es handelt sich um hohle, innen verspiegelte Köpfe, die Glasmeister, ausgehend von einer Vorlage, frei Hand geschaffen haben. Damit sein künstlerischer Entwurf nicht übertragen, sondern direkt in Glas gegossen wird, wechselte Schütte zur Casting-Methode, für die eine Silikonform nach einem Wachsmodell erstellt wird. Zu den Werken, die seither vollplastisch entstanden, gehört der „Glaskopf A, Nr. 10“ aus dem Jahr 2013. Seine leichte Mattigkeit ist dem Gussverfahren geschuldet, das etwas Transparenz einbüßt und an Keramikglasuren erinnert.

Die Affinität zwischen Keramik und Glas, deren Ähnlichkeit Schütte auf die Spitze treibt, indem er mit der Anzahl von Glasuren und der Vielfalt von Glaspasten experimentiert, wird er ab September auch in einer Kabinettausstellung im Negozio Olivetti am Markusplatz thematisieren. Den Kristallglaseffekt erreicht man freilich nur mit der Frei-Hand-Technik, wie sie die Glasmeister auf Murano beherrschen. Schütte hat sie im Jahr 2024 in seinem Objekt „Urne“, einem konischen Behälter aus Ringen mit Deckel, den es in glänzendem Orange, Grün und Rosa gibt, wieder aufgegriffen. Wie diese Serie zeigt, kehrt der Künstler also zur weniger kontrollierbaren Frei-Hand-Glasproduktion zurück. Denn bei Berengo hat er just auch einen gezeichneten Karton für eine größere stehende Figur eingereicht.

Service

AUSSTELLUNG

„Thomas Schütte. Genealogies.“

Punta della Dogana, Venedig 

bis 23. November 2025

pinaultcollection.com

 

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