Am zweiten Tag schlendern wir vom Café Tomaselli über den Mozartsteg zum Salzburger Kunstverein sowie der Galerie Thaddaeus Ropac
ShareDer zweite Tag beginnt so früh wie möglich im Café Tomaselli. Es ist das älteste Kaffeehaus in Österreich, wahrscheinlich also des Universums. Das Interieur ist so original wie elegant, am schönsten ist vielleicht der Nebenraum. Hier wird man zwischen den in die Wand eingelassenen Gemälden besonders in Ruhe gelassen. Wir entscheiden uns für die sensationelle Würsteleierspeis’, das Kaffeeeis, eine Erdbeer-Tartelette (Obst ist gesund!) und die New York Times. Die bringen die alerten Kellner schon mal selbst an den Tisch als Aufforderung, etwas Gutes zu lesen, wenn man an einem Donnerstag die Bunte in der Hand hält, versehentlich mit Absicht. Auch der Blick auf die anderen Gäste lohnt. Tagsüber etwas touristisch – zu touristisch, wie zugezogene Einheimische oder weggezogene Gebürtige gern im Abgrenzungsdrang behaupten –, ist morgens der Kaffeesatz der Salzburger Gesellschaft hier zum Frühstück zu Gast.
Die Wahrscheinlichkeit, dass man auf dem Alten Markt vor dem Tomaselli anschließend dem laufenden Stadtmaskottchen Kristina Wilk begegnet, ist so groß wie die Dame klein ist. Man erkennt sie an den mindestens zwei Einkaufstaschen, eine davon ist stets Hermès-orange. Wilk hat sich irgendwann ausgesucht, „Shopping Queen“ zu sein. Wir unterhalten uns etwas mit ihr, hören Geschichten von Ballett und Oper und bekommen wieder Lust auf Kunst.
Den jüngeren Diskurs führt in Salzburg Karolina Radenković im Kunstverein Fünfzigzwanzig am Residenzplatz – hier weht schon seit 1992 ein intellektuell-nahbarer Geist à la Zeitschrift Texte zur Kunst. Und es gibt, typisch für Salzburg, vom Guten gleich ein Zweites, nämlich den sehr guten Salzburger Kunstverein im roten Haus mit einem von der Außenwelt abgeschlossenen Ausstellungsraum. Im Winter zeigen hier traditionell die Mitglieder ihre Arbeiten, dieses Jahr zum Thema Schuld(en). Wirklich verdient gemacht um vor allem die zeitgenössische Kunst hat sich in kürzester Zeit auch das Magazin 53a. Es geht gezielt und auf kritische Vollständigkeit bedacht „gegen die Diskrepanz zwischen dem immensen Angebot der bildenden Kunst in der Stadt und der verhältnismäßig geringen Berichterstattung darüber“ vor.
Ein kurzer Spaziergang führt uns inzwischen weiter in Richtung Salzburger Zweimaligkeit, also in die sogenannte Rechte Altstadt nördlich der Salzach, die wir über den Mozartsteg überqueren, sodass wir die Linke Altstadt einmal als Ganzes sehen: den Dom, die mindestens acht weiteren Kirchtürme, die sie bekrönende Hohensalzburg und den Mönchsberg mit der weithin sichtbaren Lawrence-Weiner-Arbeit an der Außenwand des Museums der Moderne.
Das Ziel zum Mittagessen ist das andere, das zweite Kaffeehaus Salzburgs. Bazar. Es ist gut 180 Jahre jünger und viel weltstädtischer als das Tomaselli. Das gefällt den sich nach Metropole Sehnenden natürlich, denn Salzburg ist nur knapp sechs Wochen im Jahr eine Weltstadt, im Bazar aber länger. Auch isst man hier besser. Bedient wird man von den großen (fast alle vom Tomaselli abgeworbenen) Kellnerpersönlichkeiten der Stadt – stets zwischen Strenge, Witz und Flirt. Geben Sie also acht. Die Geldbörse kommt hier nicht weg, aber das Herz kann man verlieren für die Dauer eines Toasts.
Gewinnen wird, wer sich anschließend auf den Weg in die Galerie Thaddaeus Ropac macht, wo zurzeit Alex Katz’ „Flower Journals“ gezeigt werden. Wir nehmen den Expertenweg über den Mirabellgarten und durch das Hintertor des Mozarteums. Die eleganteste und persönlichste unter den Großgalerien ist seit dem Jahr 1983 in Salzburg ansässig und stets mit einer Filiale hier geblieben. Eigentlich zwei – wieder einmal –, denn neben der Villa Kast betreibt Ropac eine Halle im Gewerbebezirk Schallmoos. Hier besuchen wir auch noch die Galerie Elektrohalle Rhomberg von Pipo Eisl und Boris Lesicky, gewissermaßen die kommerzielle Variante des Fünfzigzwanzig.
Nach diesen Kunstorten kehren wir „heim“ in die Zirbelstube des Sacher Hotels, neben der Blauen Gans dem zweiten Hotelrestaurant der Stadt, auf das es ankommt. Wie aus dem Bilderbuch. Gleiches gilt für die Direktorin Angélique Weinberger, so lässig und immer jung führt sonst niemand ein Haus dieser Kategorie. An die Namen der Gäste erinnert man sich hier schon nach dem ersten Besuch, aber vielleicht kommen wir später noch einmal wieder, denn die Hotelbar ist exzellent und serviert bis sehr spät noch Sacherwürfel.
Vorher gehen wir allerdings über die Steingasse in die Fridrich Bar, ein hübsches, sehr kleines Original mit erstklassiger Vinylsammlung, die vom Inhaber gespielt wird, einem Roxy-Music-Fan, dem man seine Verehrung Bryan Ferrys ansieht. Wahlweise ist Chez Roland einen Steinwurf entfernt, eine Souterrainbar direkt am Fluss. Auch hier ist die Musikauswahl bestechend, die Wirtin auch kurz vor Morgengrauen noch unendlich charmant und der Haus-Champagner Pol Roger ein seltenes Vergnügen.