Furchtlos kombiniert Shara Hughes Stile und Farben. Ob Sonnenuntergang, Kernfusion oder Baumschule, mit ihren leuchtenden Motiven gelingt es der Künstlerin, die Malerei der Gegenwart unter Starkstrom zu setzen. Zu Besuch in ihrem Atelier in Brooklyn
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16.07.2024
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Erschienen in
Weltkunst Nr. 228
Sie möchte niemandem eine bestimmte Lesart aufdrängen, jeder kann seine eigene Botschaft herauslesen. Bevor sie sich in ihrer Kunst mit Landschaften beschäftigt hat, malte sie jahrelang vor allem Interieurs. Das begann, als ihre Eltern sich scheiden ließen und damit ihr Zuhause verschwand. Mit den Innenräumen, meint sie, konnte sie sich symbolisch einrichten. Außerdem waren die Interieurs perfekte Vehikel, um verschiedene Stile und Techniken direkt nebeneinander auszuprobieren. So gibt es Werke von ihr, in denen sie Räume fast wie Collagen darstellt, an den Wänden hängen expressive Bilder, die sie in einem entsprechenden Stil ganz anders behandelt als die grafischen Oberflächen der Möbel oder Teppiche und wiederum ganz anders die Ausblicke aus Fenstern oder Türen. „Es hat mir Spaß gemacht, weil ich wirklich etwas machen konnte, das sehr architektonisch war, und etwas, das sehr wild war. So habe ich gelernt, Dinge zu kombinieren, die nicht kombiniert werden sollten.“
Kurioserweise begann ihre aktuelle Landschaftsphase ausgerechnet mit dem Umzug nach New York, im extremen Großstadtambiente. Die Nonchalance, mit der sie Stile und Techniken in den Interieurs kombinierte, hat sie auch in die Motivwelt der Pflanzen und Landschaften übertragen. Es bereitet ihr Freude, sich beim Malen selbst zu überraschen, weiche, zarte Bildpartien auf herausfordernde, widersprüchliche Farben prallen zu lassen. „Es gibt viel Hin und Her, manches kämpft miteinander und ergänzt sich doch.“ So denkt sie auch über das Leben. „Emotionen und so viele gegensätzliche Meinungen und Dinge, die alle nicht zusammenpassen sollten, gehören doch zusammen. Das fühlt sich chaotisch, aber für mich auch natürlich an. Ich mag es also auch in der Kunst, herauszufordern und an die Grenzen zu gehen, sodass es eigentlich aussieht, als ob es unmöglich funktionieren kann, aber irgendwie funktioniert es.“
Früher, in der Zeit ihrer Innenräume, hat Hughes jeweils mit dem Titel begonnen, aus einem Gefühl heraus, dass sie einen Grund oder Anlass brauchte, genau dieses oder jenes Bild zu malen und ein Narrativ zu entwickeln. Vielleicht stammte dieser Ansatz noch aus ihren Studienzeiten an der Akademie, dieses Bedürfnis nach einer Aufgabenstellung, mit der sich die Frage „Warum male ich?“ beantworten ließ. „Irgendwann brauchte ich das nicht mehr“, sagt sie. Das war der Punkt, an dem sie ihre Fantasie nach draußen schickte, auf Naturwelten richtete und Sümpfe und Seen, Blumen, Meereswellen und Sonnenuntergänge erfand. Seitdem sie nach New York gezogen ist, ist kein Anlass mehr nötig, „oder sagen wir, der Anlass ist immer da, egal was passiert. Ich bin gereift, ich befinde mich auf einer anderen Ebene, ich glaube ein bisschen mehr an mich selbst. Ich bin eine Künstlerin und muss weder mir noch sonst jemandem etwas beweisen.“
Shara Hughes’ aktuelle Ausstellung in Zürich ist in zweierlei Hinsicht eine Premiere. Zum ersten Mal stellt sie gemeinsam mit ihrem Vater Joe Hughes aus. Er malt seit Jahrzehnten als Hobby, und nun präsentiert Eva Presenhuber seine kleinen Bilder in einem eigenen Kabinett – darunter übrigens eine Darstellung seiner 42-jährigen Tochter Shara beim Malen. Außerdem zeigt die Künstlerin nun erstmals ihre Plastiken. Seit letztem Sommer arbeitet sie mit Keramik, die Technik flog ihr sozusagen zu, als auf der anderen Straßenseite ein Keramikstudio eröffnete. „Ich bin wirklich keine faule Person, aber ich wähle manchmal Dinge, die einfach naheliegend sind. So kann ich sehr effizient sein.“
In Zürich stellt sie ihre neuen Plastiken jetzt in Gruppen von jeweils drei Objekten vor. Genauso frei und spielerisch, wie sie mit der Malerei umgeht, so wirken auch diese fröhlichen Skulpturen, die Assoziationen an Bäume, Pilze oder Vasen wecken, vielleicht sind es auch Mischwesen aus all diesen Dingen. Es macht Shara Hughes Spaß, sich in der neuen Kunstform auszuprobieren. Wird sie jetzt auch Bildhauerin? Sie denkt kurz nach. „Etiketten sind mir eigentlich unwichtig. Ich glaube, mein wahres Ich ist, Malerin zu sein. Jetzt bin ich eine Malerin, die auch Keramiken macht.“