Monica Bonvicini in der Neuen Nationalgalerie

Anketten als Kunsterfahrung

Die Handschellen hängen an schweren Edelstahlketten von der gut acht Meter hohen Decke. Wer mag, kann sich daran direkt hinter den riesigen Glasfronten der Neuen Nationalgalerie fesseln lassen – für 30 von der Künstlerin vorgegebene Minuten

Von Weltkunst News
24.11.2022

Die Ausstellungsmacher versprechen eine „neue Erfahrung für Besucher, selbst exponiert zu sein“. Monica Bonvicinis aus 20 Skulpturen bestehende Arbeit „You to Me“ ist Teil ihrer Ausstellung für das Berliner Museum. „I do You“ erlaubt von Freitag an bis zum 30. April völlig neue Blicke auf den ikonischen Bau von Ludwig Mies van der Rohe (1886-1969).

Mit der Ausstellung der in Berlin lebenden italienischen Künstlerin wird die von Männern geprägte Architektur der Moderne durch Bonvicinis feministischen Blick infrage gestellt und gebrochen. Schon den Eingang verstellt die 57-Jährige mit einem noch über die gigantische Stahlkonstruktion des Daches hinausragenden Spiegel. Durch die schräge Stellung werden die klaren Linien des Baus von der Spiegelung lockerer Wolkengebilde gebrochen. Zudem lassen sich die Buchstaben von „I do You“ auf dem Spiegel auch als Kampfansage an den Bau lesen. 

Im Inneren der riesigen Halle hat Bonvicini ein drei Meter hohes Podest „Upper Floor“ aufbauen lassen, dessen 36 Meter lange Vorderseite voll verspiegelt ist. Wo sonst der Blick ans Ende der Halle reicht, wird er so – mit eben nur scheinbar derselben Perspektive – zurückgeworfen.

Oben auf der neuen Ebene lädt Bonvicini zum ungewöhnlich intimen Blick auf Dachkonstruktion und Halle ein. Dafür können Besucherinnen und Besucher in aus Ketten montierten Liebesschaukeln der „Chaiswing Belts“ zusammenfinden oder mit Sado-Maso-Materialien überzogene Sitze („Bonded Eternmale“) nutzen – auf einem Teppichboden mit Fotos scheinbar achtlos ausgezogener und liegengelassener Kleidungsstücke („Breach of Décor“).

Museumschef Klaus Biesenbach sowie das kuratierende Team Joachim Jäger und Irina Hiebert Grun erinnerten am Mittwoch daran, dass Bonvicinis Werk immer wieder Architekturen und Museumsbauten hinterfragt. Erfahren lässt sich das etwa am Haufen „2 Tonnen Alte Nationalgalerie“ (1998) mit Bauschutt von der Fassade des historischen Museums oder der Soundinstallation „Restrospective“ um den Mies-Bau, bei der eine Stimme die Titel von 2000 Werken Bonvicinis zitiert. Die 1997 entstandene Videoarbeit „Hausfrau Swinging“ zeigt die körperliche Auseinandersetzung einer nackten Frau mit einer Architekturkonstruktion. (dpa)

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