In unserer Juniausgabe besuchen wir die legendäre Kunstsammlerin Elisabeth Leopold in Wien und sprechen mit Raubkunst-Expertin Bénédicte Savoy über die Rückgabe der Benin-Bronzen
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25.05.2021
Der Sehsinn hat das Leben der Wiener Kunstsammlerin Elisabeth Leopold geprägt: Als Medizinstudentin spezialisierte sie sich auf Augenheilkunde. Anschließend verguckte sie sich zunächst in ihren Kommilitonen Rudolf Leopold und wenig später gemeinsam mit ihm in die Kunst von Egon Schiele. Mit kaum 30 Jahren besaß das junge Ehepaar schon eine beeindruckende Anzahl von Werken des österreichischen Expressionisten. Über die Zeit wuchs die Leopold-Sammlung mit österreichischer Kunst des 19. Jahrhunderts und der Moderne auf stolze 6000 Werke an, die heute im gleichnamigen Museum in Wien bewundert werden können. Dort agiert die 95-Jährige mit Umsicht im Vorstand und hält darüber hinaus weiterhin Vorträge, gibt Führungen oder regt Ausstellungen an. Die unermüdliche Visionärin hat uns in ihrem Haus empfangen.
Die Kunst hält zweifellos jung: Mit 92 Lebensjahren ist auch Yayoi Kusama kaum zu bremsen – die japanische Künstlerin war an der Planung ihrer ersten deutschen Retrospektive im Berliner Gropius Bau direkt beteiligt und hat für das Atrium des Museums extra eine neue Installation entworfen. Mit ihren charakteristischen Spiegelräumen und Punktbildern lädt Kusama das Publikum zu einem Selfie mit der Unendlichkeit ein. Das hat sie zur bekanntesten Künstlerin unserer Zeit gemacht. Die Neugier nach Rekorden und Sensationen steht bei der Berliner Ausstellung jedoch nicht in Vordergrund. Stattdessen ist fein herausgearbeitet, wie Kusama mit dem Abstraktem Expressionismus, mit Zero, der seriellen Kunst oder auch der Performance zahlreiche Stilrichtungen der Vierziger- bis Sechzigerjahre gekonnt für die eigenen Ziele adaptierte.
Wenn die Kunstgeschichte neuerdings ihre überfällige Revision erfährt, dann gilt es vor allem auch, die Bestände der europäischen Museen gründlich zu überprüfen. „Ich habe ein starkes Gespür für Lügen“, sagt Bénédicte Savoy, die für die Restitution kolonialen Raubkunstguts plädiert und Verweigerungshaltungen und Ausflüchten seitens der Verantwortlichen konsequent entgegentritt. Rückgabeforderungen aus Afrika wurden bereits in den Siebzigerjahren laut – und von den Museen in Europa ignoriert, wie die Kunsthistorikerin im Interview mit der WELTKUNST berichtet.