Arco 2023

Die Arco schafft die Zeitenwende

Die Madrider Kunstmesse Arco trumpft auf – mit allem, was Rang und Namen hat. Und so ganz nebenbei ist sie mit ihrem Angebot ein Trendsetter für das internationale Geschäft

Von Sebastian C. Strenger
23.02.2023

Die 42. Ausgabe der Schau im städtischen Messezentrum kann erstmals seit Jahren wieder ohne Corona-Masken stattfinden. Und sie hat es nach Ende der Pandemie geschafft, die Top-Galerien zurückzuholen und wieder internationaler zu werden. Vor allem aber ist es der Messe seit dem Wegfall der weltweiten Reisebeschränkungen gelungen, ihr traditionelles Alleinstellungsmerkmal als Brücke nach Lateinamerika wieder ansatzweise zurückzugewinnen. 20 Prozent der Galerien kommen aus Argentinien, Brasilien, Mexiko oder Peru.

Hemut Federle Light Green over Grey (Uncertainly)
Hemut Federles „Light Green over Grey (Uncertainly)“ auf der diesjährigen Arco am Stand von Rosemarie Schwarzwälder, Galerie nächst St. Stephan, gibt es für 130.000 Euro. © Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder, Helmut Federle

Insgesamt präsentieren in den zwei Messehallen 211 Galerien aus rund 30 Ländern um die 1300 Künstlerinnen und Künstler. Etwa ein Drittel der Ausstellenden kommt aus den verschiedenen Teilen Spaniens. Und gerade die neuen, noch weniger bekannten Galerien des Landes, denen die Zukunft gehört, mischen die Messe mit ihren Angeboten auf – wie die Galerie ATM aus Gijón, die Galerie Nordés aus Santiago de Compostela, Art Nueve aus Murcia oder auch Alarcón Criado und Rafael Ortiz aus Sevillá. Klare Akzente setzt auch die Galerie Ángeles Baños aus Badajoz, die der Kunstwelt mit ihren Exponaten vor Augen führt, welch reichhaltige Chancen die viel zitierte Zeitenwende für Sammlerinnen und Sammler mit sich bringt. Insgesamt zeigt die Messe, dass die iberische Kunst mit einer erstaunlichen Generation von Frauen über 40 Jahren aufwarten kann. Für Kunstinteressierte sind diese Künstlerinnen Juwelen. Etwa Leonor Serrano Rivas (die derzeit eine Ausstellung im Madrider Museo Reina Sofía hat und auf der Arco von Carlier/Gebauer aus Berlin/Madrid vertreten wird), Cristina Mejías, Belén Rodríguez, Cristina Garrido, Teresa Solar und June Crespo – allesamt bereits Lieblinge internationaler Kuratorinnen und Kuratoren.

Die Arco versteht sich auch als Einkaufsberater für alle, die Kunst sammeln wollen. Sobald sich ein Messegast dazu entschließt, mit dem dortigen „Arte-Global-Team“ Kontakt aufzunehmen, helfen ihm Experten der Messe, das ideale Werk für eine Summe X zu finden. Und da reichen bereits 2000 Euro für ein Gemälde oder 500 Euro für eine Zeichnung. Nach offizieller Auskunft haben bereits am ersten Messetag mehr als 500 Personen an diesem Programm teilgenommen.

Anna Boghiguia KOW Berlin
Die Berliner Galerie KOW bietet eine Skulptur der ägyptischen Künstlerin Anna Boghiguian zum Preis von 38.000 Euro. © KOW Berlin, die Künstlerin.

An den Ständen der Blockbuster-Galerien Ropac, Capitain Petzel, Forsblom, Perrotin und Zwirner wechselten Kunstwerke teils schon in den ersten Messestunden für Beträge im sechsstelligen Bereich die Besitzer. Das teuerste Werk der Messe hat CarrerasMugica aus Bilbao mitgebracht: eine 1,5 Tonnen schwere namenlose Plastik des baskischen Künstlers Eduardo Chillida, die 3,6 Millionen Euro kostet. KOW aus Berlin hat eine raumgreifende Papierarbeit der ägyptischen Künstlerin Anna Boghiguian mitgebracht. Max Mayer aus Düsseldorf, Sohn des jüngst verstorbenen Galeristen Hans Mayer, zeigt plastische Arbeiten des gebürtigen Argentiniers und in New York lebenden Künstlers Nicolás Guagnini. Österreich ist unter anderem mit der Galerie Crone vertreten, die Werke der neuen Maler-Stars Eckart Hahn und Emmanuel Bornstein präsentiert. Und natürlich ist auch Rosemarie Schwarzwälder in Madrid, die auf dem Mega-Stand ihrer Galerie Nächst St. Stephan erstmals Arbeiten des Los-Carpinteros-Gründers Marco A. Castillo offeriert. Schwarzwälder hat aber auch noch Arbeiten von Helmut Federle auf die Arco gebracht, dem am Wiener Standort noch bis zum 25. März eine sehenswerte Einzelausstellung gewidmet ist.

Besondere Beachtung verdient auch die aus Mexiko-Stadt angereiste Galería Hilario Galguera. Galguera, der mit Damien Hirst befreundet ist, ist einer der einflussreichsten Galeristen Lateinamerikas. Bei ihm kaufen wichtige Sammler wie der mexikanische Geschäftsmann Elías Sacal. Im September vergangenen Jahres hat er einen Madrider Ableger eröffnet. Zu sehen sind hier derzeit – erstmals in Spanien – Werke des deutschen Künstlers Martin Eder. Das Münchner Künstler-Duo M+M mit Marc Weis und Martin De Mattia, das im vergangenen Jahr noch mit „Panic Room München“ in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste zu sehen war und noch bis Sonntag mit „Silent Stories“ in den Kunstsammlungen Chemnitz vertreten ist, findet man am Stand der spanischen Galerie-Ikone Helga de Alvear, die in der Vergangenheit auch schon mal für den einen oder anderen handfesten Skandal auf der Messe gesorgt hat.

Im Picasso-Jubiläumsjahr 2023, fünfzig Jahre nach dem Tod des Künstlers, ist die skandalträchtigste Arbeit der Verkaufsschau aber vielleicht die lebensgroße Plastik seines aufgebahrten Leichnams, die der Künstler Eugenio Merino am Stand der ADN-Galerie präsentiert. Zuletzt hatte Merino den Diktator Franco in einen Kühlschrank gestopft. 45.000 Euro soll der in einer Dreierauflage hergestellte „Picasso“ kosten – die Reaktionen auf das Werk im katholisch geprägten Spanien bleiben abzuwarten.

 

Helga de Alvear M+M Arco
Helga de Alvear bietet Arbeiten des Künstler-Duos M+M, darunter für 32.000 Euro das Werk „Mad Mieter“. © Helga de Alvear, die Künstler

Die Messe findet gewaltigen Zuspruch, Erstmals seit Langem geben sich hier wieder die weltweit wichtigsten Sammlerinnen und Sammler die Klinke in die Hand – darunter Juan und Patricia Vergez aus Argentinien, die Gründer der Kollektion Lázaro Alejandro Lázaro und seine Frau Alejandra González sowie Javier und Lorena Lumbreras. Aber auch Jimena Blázquez, Ella Fontanals-Cisneros (die gegenwärtig in ihrem privaten Madrider Schaulager im Stadtviertel Usera Teile ihrer berühmten Sammlung zeigt), die Italienerin Patrizia Sandretto (die in Madrid einen Sitz für ihre Sammlung eröffnen möchte), Pedro Enciso von der Sammlung Bergé etc. pp. – alle sind sie da. Und die Stimmung ist so gut wie lange nicht.

Auch abseits der Arco wird man als Sammler in Madrid derzeit vielfältig bedient. Zahlreiche Satellitenmessen haben sich neben der Messe etabliert. Der UVNT Artfair, früher Urvanity, zeigt in ihrer 7. Auflage mit 34 Galerien rund 150 junge, aufstrebende Kunstschaffende im COAM-Gebäude der Fakultät für Architektur. Die Hybrid Artfair präsentiert ihre Positionen in den Zimmern des Boutique-Hotels Petit Palace Santa Bárbara, dem früheren Palast der Marqueses de Quintanar. Das Messeformat Standarte wendet sich überwiegend der Moderne zu und präsentiert im historischen Gebäude der Fundación Diario de Madrid mehr als 200 Werke von berühmten Namen wie Miquel Barceló, Salvador Dalí, Joan Miró, Jaume Plensa, Pablo Picasso, Antonio Saura, Antoni Tàpies und Manolo Valdés. Zu ihrer 14. Ausgabe ist die JUSTMAD mit zeitgenössischer Kunst wieder in den Palacio de Neptuno – und damit zu ihren Ursprüngen – zurückgekehrt. Zu diesem Zweck hat man die Zahl der Aussteller auf vierzig reduziert, das Niveau durch einen strengen Auswahlprozess nach oben gezogen.

Eugenio Merino Picasso died here
Hommage an Picasso: Eugenio Merinos „Picasso died here“, 2017. © Courtesy of the artist and ADN Galeria

Man könnte fast meinen, Madrid im Ganzen habe sich einem Qualitätsmanagement unterzogen, um „State of the Art for the Art“ zu werden. Einzigartig.

Service

Messe

Arco, Madrid,

22. bis 26. Februar

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