Kunsthandel

Plötzlich solo

Wie reagiert der Markt auf die Trennung des Künstlerkollektivs Los Carpinteros?

Von Sebastian C. Strenger
03.07.2019

Los Carpinteros haben sich aufgelöst. Das 1992 von Dagoberto Rodríguez Sánchez, Marco Antonio Castillo Valdés und Alexandre Arrechea in Havanna gegründete Künstlerkollektiv existiert nicht mehr. Genauer gesagt schon seit Juni 2003, denn nach dem Ausscheiden von Arrechea agierten die beiden übrigen im Duo. Ihre Karriere setzte sich allerdings unvermindert erfolgreich unter dem Namen Los Carpinteros fort. Bis August vergangenen Jahres. Da gab es eine kleine Meldung in den südamerikanischen Medien, die von der endgültigen Trennung der beiden berichtete. Über die Jahre habe man sich auseinandergelebt und verfolge fortan Solokarrieren, hieß es.

Stillschweigende Trennung

Wie kann es sein, dass in Europa – dem Hauptmarkt von Los Carpinteros – in den Medien nicht berichtet wurde? Hatten die Galerien der Künstler das Thema verschlafen oder war hier eine abgestimmte Kommunikationsstrategie im Spiel? Immerhin hätte der Auktionsmarkt mehr Vertrauen erwarten können, zumal allein die bisherigen 127 Auktionsergebnisse mit einem Gesamtumsatz von mehr als 1,4 Millionen Euro zur Wertentwicklung beigetragen haben. Wie hätte sich wohl der Käufer verhalten, der drei Monate vor Auflösung des Kollektivs in New York den höchsten je erzielten Zuschlag für die Carpinteros an Christie’s zahlte. Hatte er von den Plänen gewusst? Schließlich zahlte er für die über zwei Meter große Relief-Leinwand „Catedral“ bei einer Taxe von 200 000 Dollar einen Hammerpreis von 370 000 Dollar.

Sánchez setzt die Arbeit fort

Selbst wenn die Trennung so manchen Marktakteur kalt erwischt hat, könnte es dennoch eine Fortsetzung der besonderen Art geben. Einen Vorgeschmack lieferte der Galerist Kilchmann auf der Arco in Madrid. Hier sollte scheinbar die Solokarriere des ehemaligen Carpinteros-Künstlers Dagoberto Rodríguez Sánchez ihren Anfang nehmen. Wenn man so will, im Stillen, aber auf öffentlicher Bühne. Und dabei dürfte den meisten wohl nicht aufgefallen sein, dass die ausgestellten Aquarelle trotz frappierender Ähnlichkeiten nicht von Los Carpinteros waren. Und auch seine bei Juana de Aizpuru ausgestellten Skupturen (ab 58 000 Euro) auf der gerade zuende gegangenen Art Basel ähneln denen der Carpinteros. Wie war das überhaupt mit der Arbeitsteilung im Kollektiv? Die neuen Arbeiten legen nahe, dass bereits zuvor die großformatigen Carpinteros-Aquarelle Sánchez’ Domäne gewesen waren. 

Aber wie geht es nun mit Marco Antonio Castillo Valdés weiter? Die Berliner Carpinteros-Galeristen KOW haben ihre Überlegungen, mit wem der beiden sie in Zukunft zusammenarbeiten werden, noch nicht abgeschlossen. Von ihnen gibt es aber die Bestätigung, dass das Sammelgebiet Los Carpinteros seit August 2018 abgeschlossen ist und mit Ausnahme des derzeitigen Abverkaufs von Galeriebeständen in Zukunft für die Werke nur noch der Secondary Market besteht. Daran wird sich wohl auch trotz des Hinweises aus dem Hause Kilchmann, es würden möglichweise noch alte Entwürfe realisiert, nichts ändern.

Preisentwicklungen bei Künstlerkollektiven

Und was macht der New Yorker Galerist Sean Kelly, der Entdecker der Carpinteros? Auf seiner Website sind keine Hinweise auf die Auflösung des Kollektivs zu lesen. Stattdessen werden zahlreiche Werke zum Kauf angeboten. Die nicht gepflegte Website legt den Schluss nahe, dass man die nur in Südamerika gestreute Nachricht international nicht offensiv teilen möchte, um noch schnell die Galeriebestände der Künstler loszuwerden. Denn schließlich stellt sich jeder Sammler spätestens jetzt die Frage, ob Los Carpinteros nach ihrer Auflösung noch den Marktwert besitzen, für den sie einst eingekauft wurden. Nicht leicht zu beantworten ist die Frage, ob die Verbreitung einer solchen Meldung die Halbwertzeit der Ware bestimmt. Sicherlich lohnt hierbei der Blick in die jüngere Kunstgeschichte. Mit Gelitin gibt es nach wie vor ein renommiertes österreichisches Künstlerkollektiv, das sich im Laufe der 26 Jahre seines Bestehens durch Mitgliederfluktuation erneuert hat. Die derzeit zweite Generation von Künstlern bei Gelitin hat der Marktposition im internationalen Handel nicht geschadet.

Die Frage der Nachlassverwaltung

Bei Los Carpinteros wird entscheidend sein, ob durch ein Werkverzeichnis, ein aktives Ausstellungsmanagement oder wissenschaftliche Forschung eine Nachhaltigkeit für ihr Schaffen generiert werden kann. Da ihre Galeristen in Zukunft weniger, bis kein Geld mehr mit den Carpinteros verdienen können, werden sie wohl kaum in die Mythen- und Markenbildung investieren. Ob eine Stiftung für die Bewältigung dieser Aufgaben eingerichtet oder der Nachlass einer großen Institution zur Aufarbeitung überlassen wird, ist also von den Künstlern selbst abhängig. Da die Akteure im Auktionshandel oft auch große Sammler oder Händler sind, geben die mehr als zur Hälfte oder nur knapp über der Mindesttaxe zugeschlagenen Lose von Los Carpinteros seit letztem Sommer einen Vorgeschmack auf die weitere Marktentwicklung. Denn wie immer sind es auch jetzt die Großsammler, die sofort reagieren.

Service

Dieser Beitrag erschien in

Kunst und Auktionen Nr. 11/2019

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