Cecil Beaton

Lang lebe die Fotokratie!

In seinen Porträtbildern rettete Cecil Beaton den Glanz längst überwundener Epochen ins demokratische Zeitalter und inszenierte eine zukunftsgewandte Freiheit der Geschlechter. Jetzt feiert ihn eine Schau in London

Von Claudius Seidl
09.12.2025
/ Erschienen in WELTKUNST Nr. 248

Und bei anderer Gelegenheit hat Beaton gesagt: „Ich verstehe nichts von Verschlusszeiten und Blenden. Um diese Details kümmert sich mein Assistent.“ Was wohl eher Pose als eine korrekte Selbstauskunft war. Gerade in seinen Modefotos spielt er so lustvoll mit Schärfe und Unschärfe, leuchtet bei geschlossener Blende die Tiefen aus und lässt, bei langer Belichtungszeit, jede Bewegung ein bisschen verschwimmen. Man mag die Aussage, das habe sich alles der Assistent ausgedacht, niemals glauben.

Modern an all diesen altmodischen Behauptungen war allerdings der Effekt: Er erschuf sich ein Image, erzählte eine Story, er machte sich zu einer Marke, die in der ganzen zivilisierten Welt bekannt und begehrt war. So engagierte ihn einerseits die Vogue, damit er Kleider so stark strahlen ließ, dass man die Preisschilder kaum noch erkennen konnte. Und andererseits durfte er Greta Garbo fast ohne Schminke und alles glamouröse Zubehör fotografieren. Und Marlene Dietrich im Profil, was die Diva, wegen ihrer „Entennase“, wie sie selbst das nannte, sonst immer verweigerte. So fand er die Tiefe auf den Oberflächen und den Glamour im naturbelassenen Gesicht.

Audrey Hepburn spielt „My Fair Lady“, 1963 – und mit seiner Mischung aus Sixties und Belle Époque bekam Cecil Beaton den Oscar als Kostüm- und Bühnenbildner.
Audrey Hepburn spielt „My Fair Lady“, 1963 – und mit seiner Mischung aus Sixties und Belle Époque bekam Cecil Beaton den Oscar als Kostüm- und Bühnenbildner. © The Condé Nast Archive, London; rechts: The Cecil Beaton Archive, London

Als man 1928 den jungen Beaton zur „Frau der Zukunft“ befragte, gab der eine Antwort, die man nur frauenfeindlich nennen kann: Er hasse „dieses haarsträubende Gerede von der ,Gleichberechtigung der Geschlechter‘. Schon jetzt ist man dieses Unfugs müde, dass Frauen alle Arbeit verrichten, Auto fahren und einen Job haben müssen.“ Man darf diese Sätze allerdings auch so lesen, dass Beaton die Gleichberechtigung als gleiche Knechtung verstand. Dass also nicht nur die Frauen, sondern auch die Männer vom Zwang, „alle Arbeit zu verrichten“ und einen Job zu suchen, befreit werden sollten. Und im Auto setzte man sich auf die Rückbank und ließ sich von einem Fahrer herumkutschieren.

Wenn wir heute solche Bilder dekonstruieren, wenn wir nach dem männlichen Blick auf die Frauen fragen und nach dem Machtverhältnis, das diese Bilder bestimmt: Dann tun wir etwas, das Cecil Beaton nicht verstanden hätte. Er glaubte, so sieht es aus, an Weiblichkeit und Männlichkeit, nur dass das eine nicht exklusiv den Frauen und das andere nicht nur den Männern gehörte. Johnny Weissmüller sieht sexy und weiblich aus bei Beaton, die Gräfin de Castéja wie ein hübscher Junge, und bei Greta Garbo weiß man es nicht genau. Das war die Freiheit, die er in seinen Bildern inszenierte – und die einem wie das Gegenteil unserer heutigen verstockten Genderdebatten erscheint.

So war Cecil Beaton, das ist es, was in unsterblich macht. Ein absolut unzeitgemäßer Zeitgenosse. Der Künstler, der den Glanz längst überwundener Epochen ins demokratische Zeitalter rettete. Und zugleich der Mann, der in seiner Fotografie schon eine Freiheit inszenierte, die zu erringen die Gesellschaft etwas länger brauchte. Ein konservativer Futurist, ein modernistischer Konservativer.

Im Jahr 1941 veröffentlichte die Vogue ein Foto aus dem Krieg. Vor der Ruine eines zerbombten Hauses fotografierte Beaton eine Frau in einem sehr schicken Kostüm. Die Bildunterschrift hieß: „Mode ist unzerstörbar.“ Ja, das ist frivol. Es ist aber auch Ausdruck einer sehr menschlichen Hoffnung.

Ausstellung

AUSSTELLUNG

„Cecil Beaton’s Fashionable World“

National Portrait Gallery, London

bis 11. Januar

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