Cecil Beaton

Lang lebe die Fotokratie!

In seinen Porträtbildern rettete Cecil Beaton den Glanz längst überwundener Epochen ins demokratische Zeitalter und inszenierte eine zukunftsgewandte Freiheit der Geschlechter. Jetzt feiert ihn eine Schau in London

Von Claudius Seidl
09.12.2025
/ Erschienen in WELTKUNST Nr. 248

Cecil Beaton war ein sehr moderner Künstler und zugleich ein sehr altmodischer Mensch – und wie das eine mit dem anderen zusammenhing, offenbart sich darin, dass er mit seinen Bildern den Betrachter glücklich machen wollte. Er strebte nicht nach Enttarnung, Enthüllung, nicht danach, an den Oberflächen zu kratzen. Und schon gar nicht war er daran interessiert, sein Publikum zu schockieren. Es ging ihm um das Glück des Schauens, um jenes Glück, das er, so hat er es später erzählt, als dreijähriger Junge zum ersten Mal verspüren durfte: Er hatte sich zu seiner Mutter ins Bett gekuschelt, und die zeigte ihm eine Postkarte mit dem Bild der damals populären Schauspielerein Lily Elsie.

Dieser Anblick, die Schönheit und Magie einer Fotografie, schenkten dem Jungen solche Glücksgefühle, dass er erst anfing, Fotografien zu sammeln. Und dann, als er alt genug war, eine Kamera zu halten und durch den Sucher zu schauen, schenkten ihm die Eltern eine Kamera. Und er fing an, das Glück, das er damals gefühlt hatte, jetzt selbst einzufangen in seinen Bildern.

Cecil Beaton wurde 1904 in London geboren, die Szene mit dem Bett und der Postkarte spielt also ums Jahr 1907 herum. Zwanzig Jahre später war er schon berühmt als Fotograf. Und er kam nicht aus der Mode, bis er im Jahr 1980 starb. Was paradoxerweise wohl daran liegt, dass seine Fotos immer beides waren: zeitgemäß und zeitlos zugleich. Man sieht seinen Bildern aus den Dreißigern die Entstehungszeit an, mit all den Spuren die der surrealistische, frivole und immer leicht französelnde Zeitgeist darin hinterlassen hat. So wie man in seinen primärfarbenen, poppigen Bildern aus den Sechzigern manchmal meint, im Hintergrund die frühen Rolling Stones spielen zu hören. Gemeinsam ist aber beiden, dass die Ästhetik nicht überkommen wirkt, ja dass ihre Modernität auch heute nicht widerlegt werden kann.

Mit dem Debütantinnenball zelebriert die High Society das Erwachsenwerden der nächsten Generation: „At the Tuxedo Ball (Nancy Harris)“, 1946.
Mit dem Debütantinnenball zelebriert die High Society das Erwachsenwerden der nächsten Generation: „At the Tuxedo Ball (Nancy Harris)“, 1946. © The Cecil Beaton Studio Archive, London; rechts: The Condé Nast Archive, New York

Cecil Beaton war kein Revolutionär, er war, ganz im Gegenteil, ein konservativer Royalist, der 1972, endlich, von Königin Elisabeth in den Adelsstand erhoben wurde. Er war mehr Dandy als Hipster, ein Mann, der gern zu jener besseren Gesellschaft gehören wollte, die er „Photocracy“ nannte, zu den Leuten also, die berühmt, reich und sehr gut angezogen waren. Und attraktiv genug, um ein Foto strahlen und glänzen zu lassen. Was wohl auch der Grund dafür ist, dass er sich sehr gern selbst fotografierte, mal in der klassischen Pose des Selbstporträts; manchmal, dank Selbstauslöser, auch als einer, der einfach mit dabeistand oder -saß, bei denen, die er ins Bild setzte.

Altmodisch war Beaton auch insofern, als er Massenkunst, Massenproduktion und populäre Vergnügungen verachtete. Er wollte Künstler sein und nicht etwa ein Profi. Schon 1927, bei seiner ersten Ausstellung in den Londoner Cooling Galleries mussten die Wärter den Besuchern mitteilen, dass dies keine kommerzielle Veranstaltung sei: Mister Beaton werde unter keinen Umständen irgendwelche Aufträge für Porträts annehmen. Er fotografiere nur zum Zeitvertreib.

Nächste Seite