Schiffspokale in München

Nicht nur auf hoher See

Eine Ausstellung im Bayerischen Nationalmuseum widmet sich den außergewöhnlichsten Schöpfungen der Goldschmiedekunst um 1600

Von Gloria Ehret
15.05.2024

Kunstvolle Schiffspokale erlebten in der Renaissance ihre Blütezeit. Dagegen wetterte der Klerus: „Heutigen Tages trinken die Weltkinder und Trinkhelden aus Schiffen, Windmühlen (…) Gockelhähnen, Affen, Mönchen (…) ungewöhnlichen Trinkgeschirren, die der Teufel erdacht hat (…)“. Zwar soll schon Wilhelm der Eroberer (gest. 1087) Wein aus einem Silberschiff getrunken, und Karl V. von Frankreich laut Inventar fünf goldene und 20 silberne Schiffe besessen haben. Doch war die Nachfrage in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts so enorm, dass sich einige Goldschmiede gar auf Schiffspokale spezialisiert und diese virtuos mit Techniken wie Treiben, Gießen, Vergolden, Ziselieren und Gravieren veredelt haben. Der reiche Dekor nimmt mit maritimen Fabelwesen und Wellenornamentik auf das Meer Bezug. Nun widmet das Bayerische Nationalmuseum den Schiffspokalen aus den Goldschmiede-Metropolen Nürnberg und Augsburg eine höchst sehenswerte Sonderschau.

Kolorierte Zeichnung des Schlüsselfelder Schiffes, Werkstatt des Jakob Mores d. Ä., Hamburg, letztes Viertel des 16. Jahrhunderts
Kolorierte Zeichnung des Schlüsselfelder Schiffes, Werkstatt des Jakob Mores d. Ä., Hamburg, letztes Viertel des 16. Jahrhunderts. © Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek, Foto: Dietmar Katz

Das berühmte, um 1502/03 für den Nürnberger Kaufmann und Montanherrn geschaffene „Schlüsselfelder Schiff“ „darain gehet zwo maß getrancks“, verlässt nie den heimischen Hafen des Germanischen Nationalmuseums. Doch zeigt die Ausstellung eine zeitgleiche, kolorierte Federzeichnung mit allen Details im Maßstab eins zu eins. Als Zimelie gilt das „Goldene Schiff der Ludwig-Maximilians-Universität“ des Augsburger Goldschmieds Caspar Hentz von 1594: Als Dank für seine dort verbrachten Studienjahre schenkte es der spätere Kaiser Ferdinand II. der Universität in Ingolstadt, bevor es mit deren Verlegung nach Landshut und später nach München „weitersegelte“. Hentz hat wenig später zu dieser „Universitäts-Insignie“ ein Pendant für das Ratssilber in Emden geliefert. Nun sind beide kurzfristig vereint.

Das Goldene Schiff der Universität München mit abgenommenen Bug- und Heckaufbauten von Caspar Hentz, Augsburg, um 1594
Das Goldene Schiff der Universität München mit abgenommenen Bug- und Heckaufbauten von Caspar Hentz, Augsburg, um 1594. © Bayerisches Nationalmuseum, München Foto: Bastian Krack

Um 1620 datiert Esaias zur Lindens Nürnberger Tafelschiff für den Landgrafen von Hessen. Der Schiffskörper mit fünfköpfiger Besatzung ruht auf hohem Fuß mit reich verziertem Schaft. Effektvoll kontrastiert die Vergoldung mit den weiß-silbernen Segeln und der Takelage. Trinkschiffe auf vier Rädern erheiterten feuchtfröhliche Tafelgesellschaften zudem, weil sie von einem Gast zum nächsten Zecher über den Tisch fahren konnten. Neben einer Leihgabe der Kunstkammer Georg Laue ist ein weiteres Nürnberger Räderschiff von Georg Müllner mit einem Trinkhorn als Ausguss zu bewundern.

Tafelschiff auf Rädern von Georg Müllner, Nürnberg, 1641 – 1646
Tafelschiff auf Rädern von Georg Müllner, Nürnberg, 1641 – 1646. © Kunstkammer Georg Laue, München-London, Foto: Jens Bruchhaus

Auch Naturschätze wie Elfenbein oder Nautilus wurden zu Schiffspokalen umgestaltet. Wohl auf Anregung des Augsburger Diplomaten und Kunstagenten Philipp Hainhofer, der eine „Palmholzschale“ in der Münchner Kunstkammer gesehen haben soll, gestaltete Johannes Lencker daraus ein vergoldetes Tafelschiff mit den verschlungenen Gestalten eines Delphins und Tritons als Schaft. Selbst Glaskünstler nahmen sich des Themas Schiff an, wie ein entzückendes gläsernes Trinkspiel aus Venedig zeigt. Globen und Landkarten entführen in jene fernen Regionen, zu denen die höchst riskante internationale Seefahrt mit Galeeren, Karacken, Karavellen und Kraweelschiffen friedlich oder kriegerisch unterwegs war. Neben unverzichtbaren wissenschaftlichen Instrumenten wie einem Astrolabium, schipperten Muskatnuss und -reibe oder Pfeffer und Pfeffermühle mit einer Vielzahl exotischer Gewürze in unsere Breiten.

Service

Ausstellung

„Traumschiffe der Renaissance. Schiffspokale und Seefahrt um 1600“,

Bayerisches Nationalmuseum, München,

bis 1.9. 2024

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