Vor 150 Jahren wurde mit dem Impressionismus eine neue Kunst geboren. Heute für viele der Inbegriff von Schönheit, galt diese Malerei einst als skandalös. Ausstellungen in Paris und Köln blicken nun auf die Anfänge
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15.03.2024
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Erschienen in
WELTKUNST Nr. 224
Derart spekulativ wollen, müssen Paris und Washington nicht sein. Und das ohnehin auf französische Kunst des 19. Jahrhunderts spezialisierte Kölner Wallraf-Richartz-Museum konzentriert sich auf den direkten historischen Kontext, auf das Evolutionäre der Revolution. Gerade auch, weil die Kuratorin Barbara Schaefer, Vizedirektorin des Hauses, ihre Schau nicht nur als Prolog zur Pariser und Washingtoner Ausstellung versteht, sondern ebenfalls das Umfeld der Salons unter die Lupe nimmt. Sie untersucht unter anderem nochmals das Jahr 1863; da hatte es schon einmal eine Unterwanderung der offiziellen Salons gegeben, den Salon des Refusés, der vom offiziellen Geschehen Zurückgewiesenen.
Ist das womöglich die wahre Geburtsstunde des Impressionismus, die von Napoleon III. protegierte inoffiziell-offizielle Erweiterung der Salons? Ob mit oder ohne Schutz von oben wurde dort schließlich Manets „Frühstück im Grünen“ (1863) gezeigt – ein viel verhöhntes Skandalbild damals, heute allein Grund genug, nach Paris zu reisen, wo es natürlich im Musée d’Orsay verbleibt und leider nicht zeitgleich in Köln zu sehen sein wird. Aber nicht schlimm, gar nicht schlimm, denn dafür zeigt das Wallraf Bazilles „Fischer mit Netz“ (1868). Ein Meisterwerk, durchaus mit Manets „Frühstück“ auf Augenhöhe, alleine schon in der surrealen Behandlung der Figuren im Naturraum. Bei Bazilles nacktem Fischer mit Pracht-Po kann man sich ebensowenig vorstellen, dass er jetzt wirklich angeln will, wie man bei Manets Vierergruppe daran dächte, sie würde in irgendeiner Form realistische Gespräche führen. Warum hat sie sich denn ausgezogen, fragt mit Blick auf die vordere, nymphisch nackte Frau der Mann mit dem Stock den anderen, und der antwortet: Na ja, ihr war halt ein bissel warm. Während die hinten Badende, noch leicht bekleidet, wie zu sich selbst sagt: Sie nun wieder, ich schaffe es ja auch, mich zu erfrischen, ohne mich gleich nackig zu machen … Unsinn, unvorstellbarer!
Die Frühstückenden, die ihr Picknick einfach auf den Boden geschüttet haben und dort im Grünen eher schweben als sitzen, was an der surreal steilen Perspektivierung des Waldbodens liegt, reden ganz sicher über etwas Geheimnisvolles, Künstlerisches, Magisches. Ebenso verhandelt Bazilles Fischer mit dem Hübschen im Hintergrund keine Jagdform, sondern Sexualität – welche genau, das bleibt wunderbar unklar. So körperkräftig die Burschen wirken, so undeutlich und zart sind die Schwingungen, die von ihren Wünschen auszugehen scheinen. Das Himmelreich der Fantasie, Bazille muss es oft betreten haben. Schaut man sich dagegen Jean-François Millets „Der Mann mit der Hacke“ an, auch aus den 1860ern, kommt einem die Realität nahe. Fast meint man, den verschnaufenden Atem des Bauern auf dem Gesicht zu spüren. Wobei Millet, so kurvenreich ist Kunstgeschichte, mit seinem am Ende doch sehr poetischen Wirklichkeitssinn wiederum einen der ganz großen Fantasten der Malerei beeinflusste, der dann die Nachfolge des Impressionismus antrat: Vincent van Gogh. Der beschloss ziemlich genau sechs Jahre nach der Pariser Schau 1874, Maler zu werden. Bekannt waren die Impressionisten da schon, bis 1886 organisierten sie acht Ausstellungen. Aber so berühmt wie heute waren sie noch lange nicht.
„1863 – Paris – 1874: Revolution in der Kunst. Vom Salon zum Impressionismus“,
Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Cor- boud, Köln,
15. März bis 28. Juli
„Paris 1874: Inventer l’impressionnisme“,
Musée d’Orsay, Paris,
26. März bis 14. Juli