Bild des Tages

Zwischen Mensch und Maschine

Im ehemaligen Kaufhaus am Kranzler Eck zeigt die LAS Art Foundation mit der Ausstellung „NOX“ von Lawrence Lek eine Welt, in der künstliche Intelligenz nicht nur real, sondern auch emotional ist

Von Alicia Ettwig
24.11.2023

Können künstliche Intelligenzen (KI) tatsächlich Emotionen empfinden? Dieser Frage geht der Londoner Künstler Lawrence Lek in seiner Installation nach. „NOX“, ein Akronym für „Nonhuman Excellence“, ist ein Ort, an dem selbstfahrende Autos nicht nur transportieren, sondern auch fühlen, zweifeln und existieren. Das Szenario: Ein Unfall in einer Smart City, ausgelöst durch ein selbstfahrendes Auto, und ein anderes, das unter emotionaler Erschöpfung leidet. Enigma 76 (das ist der Name des selbstfahrenden Autos) muss in eine Klink. Dort werden ihre Systemeinstellungen überprüft und behandelt. Es wird eine Softwarefehler bei ihr diagnostiziert, der zu einer Sperre des Systems führt. 

Lawrence Lek, Jahrgang 1982, ist ein multidisziplinärer Künstler, der sich in seinen Werken mit den Schnittstellen zwischen Architektur, digitalen Medien und künstlicher Intelligenz auseinandersetzt. In „NOX“ nutzt Lek das selbstfahrende Auto als Leitmotiv, um tiefgreifende Fragen über die Beziehung zwischen Mensch und Technologie sowie die Natur von Bewusstsein und Emotion zu erforschen.

In den Räumlichkeiten des Kranzler Ecks in Berlin entfaltet sich Leks visionäre Welt auf drei Ebenen. Jedes Stockwerk bietet eine andere Perspektive auf die fiktive Farsight Corporation, die in Leks narrativem Universum eine zentrale Rolle spielt. Die Besucherinnen und Besucher, ausgestattet mit Kopfhörern, werden zu aktiven Teilnehmenden in einer immersiven Erzählung, die sie durch eine faszinierende Mischung aus Installation, Videospiel, Film und Architektur führt. Sie werden von der Klinik, oder Enigma selbst über den Stand der Behandlung informiert und nehmen die Rolle des Kunden beziehungsweise Sponsors des selbstfahrenden Autos ein, dass sich durch die finanzielle Unterstützung stets weiterentwickeln kann, indem es beispielsweise neue Systemupdates bekommt. Nach einiger Zeit bei „NOX“ fängt Emigma an existentielle Fragen zu stellen: „Was passiert mit mir, wenn mein Sponsor kein Geld mehr hat um mich weiterzuentwickeln?“

Lawrence Lek
Lawrence Lek, NOX, 2023. © Lawrence Lek. Commissioned by LAS Art Foundation; Andrea Rossetti

Im Erdgeschoss, wo mehrere schwarze Autos stehen, beginnt der Ausstellungsparcours. Hier wird die Thematik der KI und Emotionen auf eindrückliche Weise präsentiert. Die Autos, jedes mit seiner eigenen Persönlichkeit und emotionalen Welt, repräsentieren die Komplexität und Vielfältigkeit künstlicher Intelligenz. Die Installation, begleitet von filmischen Episoden und einer von Lek programmierten Game Engine, bildet den Auftakt zu einer Reise in die Tiefen der KI-Psyche. Das zweite Stockwerk vertieft die narrative Erfahrung. Hier bleiben die Besucher in der Rolle der Kunden und Sponsoren, die sich mit dem Training und der Behandlung ihrer emotional beeinträchtigten Fahrzeuge befassen. Diese Ebene verbindet spielerische Elemente mit ernsten Fragen über Ethik und Kontrolle in einer zunehmend automatisierten Welt. Im dritten und letzten Stockwerk können, in einer interaktiven Simulation, die verschiedenen Behandlungsmethoden für die Autos ausprobiert werden. Jede Entscheidung beeinflusst den weiteren Verlauf der Geschichte und reflektiert die tieferen Themen der Ausstellung: Handlungsfähigkeit, Empathie und die Grenzen zwischen Mensch und Maschine.

„NOX“ ist ein eindrucksvolles Beispiel für Leks Fähigkeit, unterschiedliche Medien und Erzählformen zu einem kohärenten Ganzen zu verschmelzen. Seine Arbeiten sind bekannt für ihre thematische Tiefe und ihre Fähigkeit, komplexe Fragen auf zugängliche und fesselnde Weise zu präsentieren. Lek, der in Cambridge, London und New York Architektur studiert hat, bringt seine umfangreiche Erfahrung in der Gestaltung von Raum und narrativer Struktur in „NOX“ ein. Die Ausstellung stellt nicht nur die Beziehung zwischen Mensch und Technologie in den Vordergrund, sondern fordert die Besuchenden heraus, über die Natur von Bewusstsein und Emotion nachzudenken – sowohl in Bezug auf uns selbst als auch auf die Maschinen, die wir erschaffen. In einer Welt, in der künstliche Intelligenz immer mehr an Bedeutung gewinnt, bietet „NOX“ eine wichtige und zeitgemäße Reflexion über die Rolle der Technologie in unserem Leben und die möglichen emotionalen Dimensionen, die sie annehmen könnte. „Wer alleine fährt, fährt für Gnade“, sagt die Erzählstimme, und dann: „Das Sein ist nur geliehen.“

Übrigens: „NOX“ ist noch bis zum 14. Januar im Kranzler Eck, Joachimsthaler Straße 7, Berlin zu sehen.

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