Dieric Bouts in Leuven

Maler des Umbruchs

Eine große Ausstellung im belgischen Leuven widmet sich dem Meister Dieric Bouts und taucht ein in die große Vergangenheit der niederländisch-flämischen Malerei an der Wende der Gotik zur Neuzeit

Von Gloria Ehret
26.10.2023

Einen Blick ins eher bürgerliche Ambiente gewährt eine Leihgabe aus Berlin mit „Christus im Haus des Pharisäers Simon“ um 1465/70, ebenfalls in Öl auf Eiche gemalt. Hier sitzt eine Runde bärtiger Männer an einem gedeckten Tisch, auf dessen weißer Decke Teller, Platten mit Fischen, Krüge und Becher zum Mahl bereitstehen. Christus sitzt nicht in der Mitte, sondern seitlich, Maria Magdalena kniet etwas kleiner zu seinen Füßen, die sie wäscht. Rechts steht ein weiterer Mann, der wohl gerade den Raum betreten hat und als Stifter des Bildes gilt. Auch hier bietet ein Fenster an der linken Seite einen Ausblick in die umgebende Landschaft.

Bouts führt seine Themen und Motive detailreich vor Augen. Man betrachte etwa die rahmende Steinarchitektur einzelner Szenen, die mit feinstem Maßwerk gegliedert und figürlich verziert ist. In einer Wandnische hängt ein glänzen poliertes zeittypisches Messing-Lavabo. Man staunt über die stoffliche Wiedergabe der kostbaren Brokatmuster vieler Gewänder; hört den Hund, der auf dem Fließenboden eingerollt schläft, schier atmen. Die Landschaft ist nicht länger Folie für das Geschehen. Ob als Hintergrund oder Fensterausblick erscheint sie in perspektivischer Sicht. Die Mimik der Gesichter variiert von ernst über nachdenklich bis erstaunt.

Dieric Bouts
Dieric Bouts’ „Christus im Haus des Pharisäers Simon“, um 1490, ist eine Leihgabe aus Berlin. © Museum Leuven

Eine ungewohnte Herausforderung für den Ausstellungsbesucher ist die Zusammenschau mit zeitgenössischen Arbeiten. So wird Bouts’ Gemälde „Christi mit der Dornenkrone“ einem Foto von Eddy Merckx gegenübergestellt. Dieser „Trans-historische“ Ansatz mit visuellen Highlights so unterschiedlicher Epochen und Sehgewohnheiten kann auch als störende Ablenkung vom Verständnis für die Malerei des 15. Jahrhunderts empfunden werden.

Im Katalog wird das kulturelle und geistig Umfeld, der Nährboden zum künstlerischen Werk, weit aufgefächert. In dieser Zeit des geistigen Umbruchs spielte die innerkirchliche Erneuerungsbewegung der „Devotio Moderna“, deren treibende Kraft Geert Grote (1340-1384) war, eine bedeutende Rolle. Sie sah in Christus die zentrale Figur, die ein spirituelles Leben verhieß und Einfluss auf Gemälde und Texte ausübte.  Die „Initatio Christi“ des Thomas von Kempis, der 1471 in einem Kloster nahe Zwolle starb, stieg zur wichtigsten Lektüre nach der Bibel auf.  Das kleine Taschenformat wurde dafür gewählt, dass die Schrift auch mit sich geführt werden konnte und in der Mönchsrzelle Platz fand. Antike und humanistische Schriften waren in Klosterbibliotheken wie St. Maartensdal oder der Park-Abtei der Prämonstratenser in Löwen zugänglich, die während Bouts` Wirkens stark vom humanistischen Gedankengut ihres Abtes Diederik van Thulden (gest. 1494) geprägt war.

Dieric Bouts
Dieric Bouts, „Christi mit der Dornenkrone“, um 1480. © Museum Leuven

Sie zählte in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts zu den führenden Klöstern im ganzen Herzogtum Brabant und den Niederlanden. Zwar hatte die 1425 als päpstliche Gründung Martins V. und kirchliche Institution ins Leben gerufene Universität in Löwen zu jener Zeit noch keine eigene Zentralbibliothek, aber das universitäre Geistesflair prägte die höhere Bürgerschicht und damit auch Künstler wie Dieric Bouts. Diente das Theologiestudium seinerzeit doch als Sprungbrett einer beruflichen Karriere. Man geht davon aus, dass der Maler sich für die korrekte Darstellung religiöser Themen in der Universität Rat holte, um keinen ikonographischen Fehler zu begehen.

Immer wieder wird Dieric Bouts Malerei in der Fachliteratur als rätselhaft apostrophiert. Die drei Ansätze: „Dieric Bouts und das 15. Jahrhundert“, „Bouts als Schöpfer von Bildern“ und über den „Trans-historischen Ansatz“ sollen dem Betrachter Zugang zu dem Maler und seinem Werk erleichtern. Bouts gelang es, die künstlerischen Errungenschaften der beiden vorangegangenen, überragenden Maler der niederländisch-belgischen Kunst, Jan van Eyck und Rogier van der Weyden mit den Inventionen seiner Zeit zu vereinen. Ein Fazit aus dem Katalog sei als Schlusswort zur neuerlichen Auseinandersetzung mit Dieric Bouts wiederholt: Er war der richtige Künstler zur rechten Zeit am richtigen Ort.

Service

Ausstellung

„Dieric Bouts. Der Bildermacher“

Museum Leuven, Belgien

bis 14. Januar 2024

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