Was läuft?

Cindy Sherman & Orhan Pamuk

Rollenspiel-Queen Cindy Sherman in Hamburg, Lachen mit Frans Hals in London und Orhan Pamuks Bildergeschichten in Dresden – das sind unsere Museumstipps zum Wochenende

Von Tim Ackermann
13.10.2023

Frans Hals

National Gallery, London, bis 21. Januar 

Beschwingt hebt der Jüngling sein Weinglas, es lacht die alte Trinkerin neben dem geöffneten Bierkrug und auch der rotwangige Lautenspieler grinst still in sich hinein. Die gute Laune in den Bildern des niederländischen Barockmalers Frans Hals ist ansteckend. Auch jetzt in der großen Überblicksschau der National Gallery in London überträgt sich die blendende Stimmung der Porträtierten ganz zwangsläufig auf die Betrachteten. Hals fand seine Motive in den Kneipen der Stadt Haarlem. Den Verdacht, dass er selber ein zügelloser Zecher gewesen sein muss, widerlegt die Ausstellung jedoch mit einigen Indizien. Wirte waren zu jeder Zeit häufig nebenbei Kunsthändler, und der Maler daher auch in Geschäftsdingen in ihren Etablissements. Nichtsdestotrotz inspirierten ihn die Beobachtungen, die er dort machte. Und weil seine Gemälde aus dem Leben gegriffen scheinen, sind sie uns heute noch nah. Mehr erfahren

Frans Hals National Portrait Gallery London
„Der Lautenspieler“, gemalt vor 1624, ist aus dem Pariser Louvre zur Ausstellung nach London gereist. © Foto: National Gallery London

Cindy Sherman

Deichtorhallen/Sammlung Falckenberg, Hamburg, bis 3. März

Keine Künstlerin hat sich so häufig und so radikal verwandelt wie Cindy Sherman. Für ihre Fotokunstwerke, die oft in Serie entstehen, ist sie seit Mitte der Siebzigerjahre in die unterschiedlichsten Rollen geschlüpft: Fahrgäste im Bus, desillusionierte Hausfrauen, Clowns, Mordopfer, alte Ladies – Sherman wechselte in den Aufnahmen zwischen den Identitäten und Geschlechtern so mühelos wie zwischen ihren Kostümen. Die Codes des Klamottenzeitgeschmacks nutzt die Künstlerin selbstverständlich symbolhaft und nicht selten kritisch. Was der Untertitel „Anti-Fashion“ ihrer aktuellen Ausstellung, die auf den Aspekt der Mode fokussiert, auch unterstreicht. Wer die erste Station der Überblicksschau, die rund 50 Arbeiten und fünf Dekaden des Schaffens bündelt, in Stuttgart nicht gesehen hat, sollte nun die zweite Chance in Hamburg keinesfalls verpassen. Mehr erfahren

Cindy Sherman Cindy Sherman, Untitled #410, 2003
Cindy Sherman, Untitled #410, 2003 © Cindy Sherman

Raffael

Kunsthistorisches Museum Wien, bis 14. Januar

Renaissance bleibt Renaissance – auch auf dem Teppich: Wie man eine Tapisserie knüpft, davon hatte Raffael zwar keinen Schimmer, aber dafür als Malerstar im Rom des frühen 16. Jahrhunderts ein vortreffliches Auge für die menschliche Anatomie und die korrekte Darstellung der Perspektive. Weshalb Papst Leo X. bei ihm im Jahr 1515 auch zehn Wandteppich-Entwürfe für die Sixtinische Kapelle des Vatikans bestellte. Die anschließend natürlich von Fachleuten in Brüssel gewebt wurden. Raffaels Renaissance-Tapisserien zum Leben der Apostel Petrus und Paulus gelten heute als kleine künstlerische Revolution. Sie gingen nicht nur einmal, sondern über Jahrzehnte und Jahrhunderte mehrfach in Serie. Zudem nahmen die flämischen Künstler Raffaels Anregungen schnell auf. Das Kunsthistorische Museum zeigt daher einige der  Teppichwerke des Italieners zusammen mit Tapisserien von Nachfolgern wie Pieter Coecke van Aelst. Mehr erfahren

Orhan Pamuk

Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden, bis 7. April

Wie Gegenstände zu Gefühlsspeichern werden können, das hat der türkische Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk in seinem 2008 veröffentlichten Roman „Das Museum der Unschuld“ auf wundervolle Weise erzählt: Die unglückliche Liebe eines jungen Mannes in Istanbul zu einer Verwandten manifestiert sich in den Dingen, die sie berührt hat. 2012 wurde das fiktive Museum in einem Haus in der Stadt am Bosporus Realität. 41 Kabinette aus Pamuks Istanbuler Inszenierung, die er für eine Wanderausstellung noch einmal nachgebildet hat, sind jetzt in der Gemäldegalerie Alte Meister zu Gast. Ergänzt werden sie durch ganz neue Kunstwerke des Schriftstellers, die Geschichten inspiriert von Objekten der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden erzählen. Diese Dinge sind vielleicht nicht immer ganz unschuldig gewesen, aber von Gefühlen durchdrungen sind sie zweifellos. Mehr erfahren

Unleashed Utopias

Haus am Lützowplatz, Berlin, bis 5. November

Die Vorstellung von künstlicher Intelligenz ist nicht so leicht zu begreifen. Aber anstatt sich den Kopf darüber lange zu zerbrechen, kann man die neuen Möglichkeiten auch einfach nutzen. So wie es die fünf Künstlerinnen und Künstler in dieser Gruppeschau tun, die sich Techniken wie KI oder 3-D-Scanning bedienen, um das Potenzial für eine neue Gesellschaft voller Offenheit, Toleranz und Diversität aufzuzeigen. Es handelt sich also tatsächlich um „entfesselte Utopien“ im besten Sinne, wie der Ausstellungstitel postuliert. Die fünf gezeigten Positionen – Marlene Bart, Anan Fries, Mohsen Hazrati, Rebecca Merlin und Lauren Moffat – waren für den Kunstpreis der DKB in Kooperation mit CAA Berlin nominiert. Das Interview mit dem Gewinner lesen Sie hier

Virtual Realities Mohsen Hazrati
Ein Blick in die Ausstellung "Utopias Unleashed“ im Haus am Lützowplatz. Kunstwerk von Mohsen Hazrati © Foto: Clara Zimmermann

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