Mainzer Kartause

Jeder Mönch ein Eigenheim

Vor 700 Jahren gegründet, vor 235 Jahren zerstört: Eine Ausstellung des Mainzer Dom- und Diözesanmuseums erinnert an die kunsthistorisch bedeutende Kartause in der Stadt

Von Gloria Ehret
26.09.2023

Der heilige Bruno mit Buch und Totenkopf empfängt die Besucher zu Beginn der Ausstellung. Es ist eine Sandsteinfigur aus der Hochblüte der Mainzer Kartause in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Mit rund 80 Exponaten erinnert das Dom- und Diözesanmuseum zum 700-jährigen Jubiläum an das untergegangene Kloster. Im Jahr 1084 zog der aus Köln stammende, in Reims zu hohen Ämtern gelangte Kleriker Bruno ins Chartreuse-Gebirge in die Nähe von Grenoble und errichtete mit sechs Gleichgesinnten eine Einsiedelei. Rasch entstanden weitere Konvente nach dem Vorbild der „Grande Chartreuse“. Alsbald fanden sich auch Nonnen zusammen, um nach den strengen Kartäuser-Regeln zu leben. 1170 vom Papst anerkannt, breiteten sich der Orden europaweit aus. Bis heute leben die Kartäuser je in einer eigenen Zelle für sich, dem Gebet, dem Studium und der Hände Arbeit verpflichtet. Nur zum dreimal täglichen Stundengebet finden sie zusammen.

Im 14. Jahrhundert, ihrer ersten Blütezeit, siedelten sich die Kartäuser nicht mehr nur in der Abgeschiedenheit, sondern auch in Städten wie Köln (1334), London (1370) oder Nürnberg (1380) an. Ob durch verheerende Kriege, die Reformation, oder die Französische Revolution: Die Kartäuser blieben vor Verwüstung und Untergang nicht verschont. So blieb von den ehemals zahlreichen Niederlassungen des Ordens Deutschland nur die Kartause Marienau bei Bad Wurzach bestehen. Sie wurde erst 1964 gegründet.

Mainzer Kartause Bruno von Köln
Die Holzstatue des Ordensgründers Bruno von Köln stand sehr wahrscheinlich im Kloster. © Marcel Schawe/Bischöfliches Dom- und Diözesanmuseum Mainz

Die älteste deutsche Kartause entstand in Mainz. Sie geht auf Erzbischof Peter von Aspelt zurück, der den Mönchen zum Klosterbau einen Platz im Rheingau übergab. Die handschriftliche Schenkungsurkunde ist auf den 21. Mai 1320 datiert und im Original zu sehen. Ebenso wie jene der Zustimmung des Domkapitels zur Verlegung des Klosters nach Mainz. Reproduktionen veranschaulichen die großartige Buchkunst jener frühen Zeit. Florierte sie doch als einträgliches Geschäftsmodell der Klöster etwa mit Gebeten zum Seelenheil der Stifter. 1323 – im Gedenkjahr zur aktuellen Schau – zogen die Kartäuser vor die Tore der Stadt, 1326 wurde die Kartause Mainz als Mitglied des Ordens anerkannt, 1360 ihre Klosterkirche geweiht. Eine ganze Reihe von Tochtergründungen folgte. Doch die erste Blüte fand durch einen Brand 1552 ein jähes Ende.

Ansichten mit der Mainzer Kartause aus dem 17. und 18. Jahrhundert von Matthäus Merian oder Franz von Kesselstatt veranschaulichen die einstige Lage auf einer Anhöhe über dem Rhein mit herrliche Blick auf die Stadt. Wie man sich die einzelnen Häuschen der Mönche, „Zelle“ genannt, mit schmaler Bettkammer und unerlässlicher Gebetsnische vorzustellen hat, verbildlichen Reproduktionen aus der Kartause von La Valsainte vom Anfang des 20. Jahrhunderts. Der Kontrast dieser spartanischen Lebensform zu den prunkvoll ausgestatteten Kirchenräumen der Mainzer Kartause, die unter Prior Michael Welcken in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in barocker Pracht erstrahlten, könnte größer nicht sein.

Mainzer Kartause
Georg Joseph Melbert (1717–1786), Die Versuchung Jesu, Gemälde aus dem Kreuzgang der Mainzer Kartause, um 1750/53. © Bischöfliches Dom- und Diözesanmuseum Mainz, Foto: Marcel Schawe

Weithin berühmt ist das Chorgestühl, das Johann Justus Schacht aus Hamburg nebst 21 Schreinergesellen schuf; heute ziert es den Trierer Dom. Von dort kamen als Leihgaben einige Teile des Gestühls sowie ein kostbar mit Edelhölzern, Bein, Zinn, Fassung und Vergoldung verzierter Schrank aus Nussbaumholz. Bei den großartigen Marmor-Alabaster-Altären des Maximilian von Welsch von 1714 muss man mit Leuchtbildern vorliebnehmen, ebenso bei den Altären, die der Kunstschreiner Franz Anton Hermann und der Bildhauers Burkhard Zamels um 1741/42 geschaffen haben. Vom reichen Kirchenschatz der Mainzer Kartause zeugen die zwei einzig erhaltenen Objekte, ein Kelch und eine Monstranz aus der damaligen Goldschmiedemetropole Augsburg. Von Franz Ignaz Berdolt, um 1716, in vergoldetem Silber, mit Edelsteinen und Email verziert, funkeln sie in ihre Vitrine. Erhalten ist auch dessen Verzeichnis mit 96 Nummern, die 1781, wie so viele andere kunsthistorische Klosterschätze, versteigert wurden.

Die in völliger Abgeschiedenheit lebenden Kartäuser hatten keinen Postulator in Rom, der sich für die Selig- oder Heiligsprechung eines Ordensmitglieds beim Papst starkmachen konnte. Selbst Bruno wurde nicht offiziell kanonisiert, seine Verehrung jedoch 1622 für die ganze katholische Kirche anerkannt. Dass Kartäusermönche wegen ihres Glaubens vor allem in England verfolgt und getötet wurden, belegt ein monumentales Gemälde aus der Mitte des 17. Jahrhunderts mit einer dramatischen Martyriumsszene der Kartäuser in London.

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