Bild des Tages

Rosy Lilienfeld und die Verschollene Generation

Eine Ausstellung im Jüdischen Museum Frankfurt rückt vier verfemte jüdische Künstlerinnen zurück ins Licht

Von Christiane Meixner
07.02.2023

Jahrzehnte lang wuchs die Liste der sogenannten Verschollenen Generation – und niemand schien sich darüber zu wundern, dass immer bloß Künstler hinzukamen, denen die Zeit nach 1933 keine Chance gab, ihre Talente zu entwickeln. Sie mussten fliehen, verloren ihre Arbeit, stellten die Malerei oder Bildhauerei ein, wurden verfemt und umgebracht.

Dass hinter diesem Begriff nun eine zweite, doppelt ungerechte Marginalisierung sichtbar wird, lässt einen geradezu beschämt zurück. Künstlerinnen ereilte schließlich dasselbe Schicksal. Und doch tauchte kaum eine von ihnen bislang in jenen Zusammenhängen auf. Höchstens Lotte Laserstein, auf deren Wiederentdeckung alle schauen, als sei sie die große Ausnahme.

Das Jüdische Museum in Frankfurt räumt nun mit solchen Klischees auf. Die Ausstellung „Zurück ins Licht. Vier Künstlerinnen – Ihre Werke. Ihre Wege“ gibt eine Idee davon, was es künftig noch zu entdecken gilt. Den Anfang machen hier mit Rosy Lilienfeld, Amalie Seckbach, Erna Pinner und Ruth Cahn vier unterschiedliche Charaktere, die eines verbindet: Sie alle wurden vor der Wende zum 20. Jahrhundert geboren und von den Nationalsozialisten wegen ihrer jüdischen Herkunft unerbittlich verfolgt. Lilienfeld und Seckbach brachte man ins Konzentrationslager, die Künstlerinnen wurden ermordet. Die anderen beiden Frauen überlebten in der Emigration und konnten ihre, wenn auch unterbrochenen Karrieren, immerhin fortsetzen.

Die Ausstellung erzählt vier individuelle und dennoch zeittypische Biografien. Sie veranschaulicht, wie Amalie Seckbach von der Sammlerin asiatischer Objekte zur Künstlerin avanciert und gemeinsam mit James Ensor ausstellt; wie Ruth Cahn als Fauvistin mit Picasso und Matisse korrespondiert und 1928 im Pariser Salon für ihre exotischen Pflanzendarstellungen gefeiert wird. Erna Pinner macht sich in den Zwanzigerjahren einen Namen als Abenteurerin, die unentwegt reist und mit herausragenden ethnografischen Zeichnungen zurückkehrt. Von Rosy Lilienfeld, die 1942 auf der Flucht in Utrecht festgenommen wurde und wenige Wochen später in Auschwitz starb, befinden sich an die 200 Tusche- und Kohlezeichnungen in der Sammlung des Museums, das ihre Arbeiten kontinuierlich erwarb. Darunter viele Landschaften und Frankfurter Stadtansichten mit deutlich expressionistischen Zügen.

Das hier abgebildete Blatt „Die Freude vertilgt die Wurzeln der falschen Wünsche“ von 1930 fußt auf der Auseinandersetzung der Künstlerin mit chassidischen Legenden, die sie der ostjüdischen, bis heute von männlichen Vertretern dominierten Geschichte entlehnte, um sie in ihre expressive Sprache der Gegenwart zu überführen. So emanzipierte sich auch Lilienfeld, die den Traditionen noch am tiefsten verhaftet scheint, von allen Vorbildern und schuf etwas unnachahmlich Eigenes.

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