Samurai Museum Berlin

Die Samurai sind da

Ein neues Museum in Berlin widmet sich dem Mythos der japanischen Kriegerelite und stellt dabei auch Bezüge zur Gegenwart her

Von Ralph Gerstenberg
13.05.2022
/ Erschienen in WELTKUNST Nr. 199

Das Exponat, mit dem alles begann, liegt nun in einer gut ausgeleuchteten Vitrine: ein Katana – ein japanisches Langschwert. Peter Janssen hatte es in den 1980er-Jahren für 1500  Mark auf dem Berliner Trödelmarkt an der Straße des 17. Juni erworben. Ein Nachbau aus dem Zweiten Weltkrieg, wie sich später herausstellte. Doch die Sammelleidenschaft des aus Ostfriesland stammenden Unternehmers war geweckt. „Später brauchte ich für eine leere Nische in der Wohnung ein Objekt, das wurde dann eine Rüstung, dann kaufte ich einen Helm, eine Maske und noch einen Helm für die Anrichte im Büro, auf die auch drei Helme passten …“

So wuchs seine Sammlung in knapp vierzig Jahren auf rund 4000 Objekte an. Circa 1000 davon werden nun auf 1500 Quadratmetern im neuen Samurai Museum in Berlin-Mitte präsentiert, dort, wo zuvor viele Jahre die Wunderkammerobjekte von Thomas Olbricht zu sehen waren. Für den Sammler Peter Janssen geht damit „ein Herzenswunsch“ in Erfüllung. Eine Auswahl seiner Artefakte war zwar bereits seit 2017 im Dahlemer Samurai Art Museum zu besichtigen, doch für den neuen Standort wurde ein Ausstellungskonzept entwickelt, das zu einer kulturellen Entdeckungsreise nach Japan einladen und Zugänge zum Mythos der Samurai schaffen möchte. Themen wie Manga, Anime oder Gaming bilden dabei spannende Anknüpfungspunkte an die Gegenwart.

Rüstung Edo-Zeit Katō-Clans Samurai Museum Berlin
Eine aufwendig verzierte Rüstung der späten Edo-Zeit mit schwarzer Schnürung des Katō-Clans. © Manfred-M. Sackmann/Samurai Museum Berlin

Zunächst taucht man jedoch tief ein in die verschiedenen Perioden vom 6. bis zum 19. Jahrhundert, in denen die Samurai als feudale Kaste Japans Kultur prägten und zum Mythos wurden. Eine Männerwelt aus Rüstungen und Ritualen eröffnet sich dem Publikum. Frauen kommen in diesem kriegerischen Kosmos kaum vor, und wenn, dann als Geishas, Bedienstete bei Teezeremonien oder als Schauspielerinnen auf der Bühne des Nō-Theaters. Janssen hat ein solches extra aus Japan importieren und restaurieren lassen, es hat nun einen zentralen Platz in seinem Museum gefunden. Auf einen transparenten Gazevorhang werden dort Originalinszenierungen projiziert, wodurch ein verblüffend dreidimensionaler Eindruck entsteht. Dass hier auch Frauen in Slow Motion über die Bühne schreiten, ist der Aktualität dieser Inszenierungen geschuldet. Zu Zeiten der Samurai wurden im Nō-Theater weibliche Rollen ebenfalls von Männern verkörpert.

Die Begeisterung für die Qualität des japanischen Kunsthandwerks, die sich in unglaublicher Präzision an den Helmen, Masken, Schwertern und Rüstungen offenbart, hat Peter Janssen dazu gebracht, einen nicht unbeträchtlichen Teil seines Vermögens in diese Sammlung zu stecken. Im Raum der Schwerter korrespondiert der Glanz der Klingen mit dem Glänzen in seinen Augen. Von einem naturalistischen Realismus ist hier die Rede, von Wolken- und Wellenformen, die man im Schliff erkennt. Ein Video zeigt, wie der Stahl gehärtet wurde. Auf einem Touchscreen kann das Gigapixelfoto einer Schwertklinge so lange gezoomt werden, bis kleinste Details der Oberflächenstruktur des Materials erkennbar werden.

Nō-Maske gealterte Gottheit Samurai Museum Berlin
Das Samurai Museum zeigt Rüstungen der Edo-Zeit aus Leder, Lack, Seide, Glas und Gold, Schutzschilde mit märchenhaften Eisentreibarbeiten, Drachen-Helme und Waffen, Kalligrafie, Holzschnitte und traditionelle Nō-Masken wie diese einer gealterten Gottheit – insgesamt mehr als 1000 Objekte aus mehr als 1000 Jahren Kultur der japanischen Krieger. © Norbert Artner/Samurai Museum Berlin

Interaktive Installationen wie diese finden sich vielerorts im Museum. Sie sollen die historischen Objekte „erlebbar“ machen. Für das technische Konzept konnte Ars Electronica Solutions gewonnen werden. Das innovative Netzwerk des Ars Electronica Centers in Linz ist darauf spezialisiert, interaktive Lösungen für Museen und Ausstellungen zu entwickeln, und versteht es, mit den multimedialen Möglichkeiten der Gegenwart einen Blick auf das Leben in der Vergangenheit zu werfen. Mit Lasertechnologie, 3-D-Modellen und holografischen Projektionen sollen die Grundzüge der Samurai-Kultur – „vom Kodex des Schlachtfelds bis zu den ritualisierten Abläufen der Teezeremonie“ – spielerisch vermittelt werden.

Daneben belegen farbige Holzschnitte, dass die Samurai bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts zeitgenössische Künstler wie Hashimoto Sadahide und Utagawa Hirokage inspirierten. Von Hirokage etwa ist das skurrile Triptychon „Große Schlacht zwischen den Truppen der Fische und des Gemüses“ zu sehen, bei dem sich Fische mit Obst- und Gemüsesorten in Samurai-Rüstungen bekriegen. Mit solchen satirischen Darstellungen umging man damals die Zensur. Auch dem Bushidō, der Lebensphilosophie des japanischen Militäradels, wird in der Ausstellung Platz eingeräumt. Das sei wichtig, meint Peter Janssen, um die ethischen und religiösen Hintergründe der Samurai-Kultur zu verstehen. Bushidō sei ein von Shintō, Konfuzianismus und Zen-Buddhismus beeinflusster Verhaltenskodex, der zur Charakterbildung der professionellen Kämpfer diente. Ehre („Meiyo“), Aufrichtigkeit („Gi“), Wahrhaftigkeit („Makoto“), Menschlichkeit („Jin“), Mut („Yu“), Etikette („Rei“) und Loyalität („Chugi“) sind die sieben Tugenden des Bushidō.

Farbholzschnitt Hashimoto Sadahide Samurai Museum Berlin
Aus der zweiten Hälfte des 19. Jh. stammt der Farbholzschnitt von Hashimoto Sadahide, der ein Detail der Schlacht am Shiojiri-Pass darstellt. © Norbert Artner/Samurai Museum Berlin

Am Ende des Rundgangs weist eine an Darth Vader aus „Star Wars“ erinnernde Rüstung den Weg zu den Bildern von Sylwia Makris. In großformatigen, zunächst digital, dann mit Lacken, Pigmenten und Wachsen bearbeiteten Farbfotografien hat die 1973 in Polen geborene Künstlerin Kriegerinnen und Krieger aus der japanischen Kunst und Literatur neu interpretiert. Die inszenierten Modelle auf ihren Bildern tragen Artefakte der Sammlung, denen sie durch ihre Arbeit „neues Leben einhauchen“ will. Weitere Präsentationen zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler sind an dieser Stelle geplant. „Ich hoffe, der Funke springt über“, meint Peter Janssen zum Schluss, „und wir schaffen es, die Menschen hier für die japanische Kultur zu begeistern.“

Service

Ausstellung

Samurai Museum Berlin,

seit 8. Mai

samuraimuseum.de

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