„Rembrandts Orient“ im Museum Barberini

Triumph der Turbane

Die neue Blockbusterschau im Potsdamer Museum Barberini zeigt, wie die Maler des niederländischen Barock nach Osten blickten und den Orient als Fantasiereich entdeckten

Von Tim Ackermann
17.03.2021

Man darf sich das Amsterdam des Goldenen Zeitalters als einen vergleichsweise gesitteten Ort vorstellen. Und so hat wohl auch der Maler Rembrandt Harmensz van Rijn den gewaltigen Dolch, den er im „Selbstbildnis mit Säbel“ von 1634 in der rechte Hand hält, nie zur Verteidigung benötigt. Die Erklärung für die Waffe ist eine ganz andere: Der kris genannte Prunkdolch stammte aus Indonesien, einer Region, die in Teilen nur wenige Jahrzehnte zuvor vom niederländischen Kolonialreich einverleibt worden war. Rembrandt war also offensichtlich der damaligen Orient-Mode verfallen. Rund 60 fernöstliche Waffen sammelte er in seinem Haushalt. Dazu kamen Turbane und eine Vielzahl weiterer exotischer Gewänder und Objekte.

Mit der gerade eröffneten Ausstellung „Rembrants Orient“ führt das Museum Barberini in Potsdam eindrucksvoll vor Augen, wie Vorstellungen vom Nahen und Fernen Osten die niederländische Kunst des 17. Jahrhunderts prägten. Denn das Interesse für eine mit dem Begriff „Orient“ nur unzureichend beschriebene Weltregion verband sehr viele Künstler des Goldenen Zeitalters.

Rembrandt Harmensz van Rijn,
Rembrandt Harmensz van Rijn, "Selbstbildnis mit Säbel", 1634. © Kunstmuseum Basel, Kupferstichkabinett, Schenkung Eberhard W. Kornfeld, Bern

Schon der Maler Pieter Lastman, der 1625 für ein halbes Jahr der Lehrer von Rembrandt war, nutzte orientalische Gewänder, um seine biblischen Szenen erkennbar im Nahen Osten zu verorten und ihnen so den Anschein größerer Authentizität zu geben. In seinem Gemälde „Jephta und seine Tochter“ (1611), das eine alttestamentarische Familientragödie erzählt, ist der weiße Turban des Heerführers Jephta eindeutig ein Blickfang. Rembrandt übernahm diese Tradition der kostümierten Figuren bereits in seinem Frühwerk, wie sein Bild „David übergibt Goliaths Haupt dem König Saul“ von 1627 beweist, das in Nachbarschaft zu Lastmans Werk gehängt ist.

In den 1630er-Jahren, als Rembrandt seine Hell-Dunkel-Malerei verfeinerte, verbanden sich dann seiner Protagonisten harmonischer mit der bildumfassenden Atmosphäre. Und hier erliegt der Betrachter tatsächlich einer Authentizitätsillusion: Ein Gemälde wie „Simson, an der Hochzeitstafel das Rätsel aufgebend“ (1638) fühlt sich trotz aller Kostümierung so natürlich an, dass man für einen Moment vergisst, dass Rembrandt die Szene nicht selbst gesehen sondern erfunden hat.

Rembrandt Harmensz van Rijn,
Rembrandt Harmensz van Rijn, „Simson, an der Hochzeitstafel das Rätsel aufgebend“, 1638. © Gemäldegalerie Alte Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden

So geschickt allerdings die Maler des niederländischen Barockzeitalters mit den Vorstellung des Orients spielten – in die Ferne gereist sind fast nie. Der Leidener Künstler Philips Angel, der 1651/1652 den persischen Schah Abbas II. in Isfahan besuchte und später für ihn wohl als Hofmaler arbeitete, war eine absolute Ausnahme. Für seine Kollegen blieb der Orient eine Fantasie. Wenn auch eine sehr ertragreiche, wie die Ausstellung in Potsdam zeigt.

Service

Ausstellung

„Rembrandts Orient – Westöstliche Begegnung in der niederländischen Kunst des 17. Jahrhunderts“

Museum Barberini, Potsdam,

bis 27. Juni 2021

museum-barberini.de

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