Auktionsmarkt

Der Siegeszug der Comics

Der Handel mit Erstausgaben und Entwurfszeichnungen für die populären Bildergeschichten boomt. Es ist ein Geschäft mit eigenen Regeln. Dazu gehört etwa, dass die millionenteuren Hefte in Plastik eingesargt werden

Von Peter Dittmar
14.04.2023
/ Erschienen in Kunst und Auktionen Nr. 6/23

Comics galten lange als die Schmuddelkinder des Zeitschriftenmarkts. In Deutschland versuchte man, mit dem 1926 erlassenen „Gesetz zur Bewahrung der Jugend vor Schund- und Schmutzschriften“ Grenzen zu setzen, was sich 1953 in der Bundesrepublik mit dem „Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften“ fortsetzte. Aber die Zeiten sind vorbei, die populären Bildergeschichten gehören zum kulturellen Kanon, wie Comic-Museen in Brüssel, Angoulême oder seit Kurzem in Pordenone bezeugen. Ebenso zeigen dies die Häuser für Hergé im belgischen Louvain-la-Neuve, für Charles M. Schulz in Kalifornien oder das Musée du Chat, das sich ab 2025 in Brüssel dem Werk von Philippe Geluck widmen soll. Auch die Ausstellungen etwa zu dem französischen Fantasy-Zeichner Moebius, dem Belgier Peyo (dem Schöpfer der „Schlümpfe“) oder dem surrealen Geschichtenerzähler Mathieu demonstrieren dies.

Die ganz großen Namen der Comic-Geschichte erzielen inzwischen bei Auktionen Millionen. Das ganze Genre birgt eigene Werte. Nur welche Werte das sind, darüber ist man unterschiedlicher Meinung. Das bezeugen die recht diversen Marktanalysen über den globalen Comic-Markt. So berichtet der Analysedienst „Fortune Business Insights“, 2021 seien 14,7 Milliarden und 2022 sogar 15,4 Milliarden Dollar umgesetzt worden. Die Marktforscher von „Grand View Research“ gehen dagegen für 2021 von 7,14 Milliarden Dollar aus, während es laut „Market Research“ 11,8 Milliarden gewesen sein sollen. Und „Yahoo Finance“ errechnet lediglich 6,9 Milliarden. Allerdings sind sich die Analysten weitgehend einig, dass es bis 2028 / 29 einen Zuwachs von 7 bis 10 Prozent geben wird.

Hergé Tintin en Amérique Artcurial Paris
Bei Artcurial in Paris fiel der Hammer für Hergés 1942 entstandene Entwurfszeichnung für „Tintin en Amérique“ bei 1,7 Millionen Euro. © Artcurial, Paris

Gemeint bei diesen Berichten sind Neuerscheinungen mit den Schwerpunkten in den USA und Japan. Keine Marktanalysen und Statistiken gibt es zu den globalen oder nationalen Umsätzen mit antiquarischen Comic-Heften und Originalzeichnungen, die auf Auktionen mit Millionenzuschlägen Aufsehen erregen, die aber auch mit einer Fülle von Verkäufen im dreistelligen Bereich erhebliche Umsätze generieren. Dabei wäre das Sammelgebiet für Wirtschaftswissenschaftler gewiss eine Herausforderung, bedenkt man, dass ein Heft der ersten Ausgabe der Action Comics mit Superman, die im Juni 1938 10 Cent kostete, im Januar 2023 für 3,55 Millionen Dollar verkauft wurde. Das entspricht einem Zinssatz von rund 40 Millionen Prozent per anno. Das Exemplar war bei Heritage Auctions in Dallas im Januar 2022 für 3,18 Millionen Dollar versteigert worden. Wenig später wechselte es in einem durch Goldin Auctions in Runnemede / New Jersey vermittelten Verkauf für 3,4 Millionen den Besitzer. Und der gab es jetzt im Januar erneut weiter: Bei dem Private Sale über ComicConnect, New York, kamen noch einmal 150.000 Dollar dazu.

Das war der erste Millionenzuschlag in diesem Jahr, aber es blieb nicht der einzige. Einen Monat später fiel bei Artcurial in Paris der Hammer für Hergés Entwurf von 1942 für Tintin en Amérique bei 1,7 Millionen Euro. Das war allerdings deutlich unter der Taxe von 2,2 Millionen. Damit erhöhte sich die Zahl der Zuschläge, die eine Million überstiegen, auf 22. Davon wurden 15 in Dollar (neun allein 2022) für Comic-Hefte gezahlt und sieben in Euro für Originalzeichnungen zu Tintin.

Captain America Goldin Runnemede New Jersey
Die erste Nummer von „Captain America“, erschienen am 20. Dezember 1940 bei Timely Comics, erzielte bei einer Online-Auktion des Hauses Goldin 122.000 Dollar. © Goldin, Runnemede/New Jersey

Ein Original von Frank Frazetta, die „Egyptian Queen“, erlöste im Mai 2019 5,3 Millionen Dollar. Für die erste Superman-Nummer von 1939 wurden im Januar 2022 in einem Privatverkauf 5,3 Millionen Dollar fällig – im Dezember 2021 erzielte ein Heft derselben Ausgabe beim Online-Versteigerer ComicConnect 2,6 Millionen Dollar. Auf 3,6 Millionen Dollar schaffte es 2021 bei Heritage Auctions Heft Nr. 15 von Amazing Fantasy mit dem ersten Auftritt von Spider-Man, und im Januar 2022 versteigerte das gleiche Haus einen Originalentwurf für die Nr. 8 von Marvel Super-Heroes Secret Wars für 3,36 Millionen. Diese Beispiele illustrieren recht gut die Eigenart der Märkte für Comics. Denn was in den USA begehrt wird, findet kaum Zuspruch in Frankreich oder Belgien. Deutschland spielt in diesem Genre keine Rolle.

In Amerika zählt besonders das Investment. Alle dort hoch bezahlten Comic-Hefte lassen sich allerdings, mit Ausnahme der Titel- und der Rückseite, nicht mehr anschauen. Sie sind in Plastik-Container eingeschweißt, die in einer Kopfleiste jeweils die Graduierung des Hefts – meist durch die Certified Guaranty Company (CGC) – angeben. Die Bewertung des Erhaltungszustands reicht von CGC 0,5 („Poor“) bis zu dem wohl unerreichbaren CGC 10 („Gem Mint“). Gebrauchsspuren, herausgeschnittene Coupons oder Restaurierungen sowie Besitzervermerke führen zu Herabstufungen. Dazu kommt die Beurteilung des Papiers: „White“ ist das Ideal und „brown / brittle“ das Verdammungsurteil. Der teuerste Superman konnte sich mit dem „CGC 9,8 white pages“ als profitable Anlage präsentieren. Und die Nr. 15 von Amazing Fantasy, mit „CGC 9,6 off-white pages“ 2021 bei Heritage für 3,6 Millionen Dollar verkauft, soll sich möglichst sofort kräftig auszahlen. So lässt Heritage wissen, dass man dem neuen Besitzer ein Angebot für 5,4 Millionen oder mehr machen könne.

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