Ahrenshooper Kunstauktion

Frischer Wind in Ahrenshoop

Die Ahrenshooper Kunstauktionen setzen auf zwei Landschaftsmalerinnen und feiern den 160. Geburtstag des Gründers der Künstlerkolonie

Von Michael Lassmann
02.08.2021
/ Erschienen in Kunst und Auktionen Nr. 12

Für Künstlerinnen machte es in der wilhelminischen Zeit im Grunde keinen Unterschied, ob ihre Bestrebungen in der konservativen Salonmalerei oder eher in den angeblich so fortschrittlichen Avantgarde-Bewegungen zu verorten waren: Der Malerberuf blieb ihnen als reiner Männerclub meist verschlossen. Bereits der Zugang zu Ausbildungsmöglichkeiten wurde ihnen systematisch erschwert. Noch 1904 engagierten sich prominente Malerinnen wie Käthe Kollwitz und Paula Modersohn-Becker mit einer Petition für die Zulassung von Frauen an der Berliner Akademie, scheiterten jedoch an der rigiden Kulturpolitik des Kaiserreichs; ein akademisches Kunststudium stand ihnen deutschlandweit schließlich erst nach dem Ersten Weltkrieg offen.

Gleichwertige Alternativen gab es für Frauen bis dahin nicht: Der zulässige Abschluss an einer Kunstgewerbeschule qualifizierte sie allenfalls für eine Tätigkeit als Zeichenlehrerin, und auch die noch vor der Jahrhundertwende überwiegend durch Eigeninitiative gegründeten „Damen-Akademien“ in Berlin und München brachten sie ihrem Ziel kaum näher, denn diese waren weder mit dem Standard noch der Aufnahmekapazität regulärer Akademien vergleichbar. Darüber hinaus erschlossen sie ihnen nur selten die für eine professionelle Karriere erforderlichen Netzwerke, auf die ihre männlichen Kollegen ganz selbstverständlich zurückgreifen konnten.

Für viele angehende Künstlerinnen blieb der Besuch einer privaten Malschule somit der einzig realistische Weg in den Beruf. Allerdings sorgten allein die beträchtlichen Kosten, die um ein Vielfaches höher lagen als bei einem Akademiestudium, für eine soziale Auslese; schultern konnten solche Ausgaben in der Regel nur „höhere Töchter“ mit entsprechendem finanziellen Hintergrund. Nicht wenige Maler spezialisierten sich als Lehrer darum nur zu gern auf die gewerbsmäßige Förderung weiblicher Talente, die ihnen ein einträgliches Zubrot zum stagnierenden Abverkauf ihrer Bilder sicherten und sich im Idealfall auch mal in der Rolle der „Muse“ als recht brauchbar erweisen konnten.

Doch selbst wo sich Frauen in dieser Männerdomäne durchsetzen konnten, sahen sie sich häufig mit den gängigen Vorurteilen ihrer Mitbewerber konfrontiert, die ihre Herkunft als willkommenen Vorwand für unverblümt sexistische Häme benutzten und ihre Leistungen mit dem müßigen Zeitvertreib unambitionierter Comtessen-Malerei verglichen. So wie Frauen seit der Industrialisierung mit Männern um Arbeitsplätze konkurrierten, so wurden sie eben auch in der vorgeblich libertären Sphäre der Kunst als unwillkommene Rivalinnen im existentiellen Kampf um Marktanteile wahrgenommen.

Elisabeth von Eicken Frühling in Althagen Ahrenshooper Kunstauktionen
Elisabeth von Eickens duftig und lichtvoll gemalter „Frühling in Althagen“, (um 1895, 68x88cm) ist auf 9000 Euro geschätzt. © Ahrenshooper Kunstauktionen

Auf den ersten Blick scheint die Biografie der Landschaftsmalerin Elisabeth von Eicken alle gängigen Vorbehalte misogyner Wettbewerber zu bestätigen: Verdankte sie ihre augenscheinlich so reibungslos verlaufene Karriere nun ihrer Begabung und Zielstrebigkeit – oder doch ihrem privilegierten Elternhaus?

Die Tochter eines wohlhabenden Mülheimer Fabrikanten absolvierte neben Stationen in Meran, Menton und Genf ihre künstlerische Ausbildung in Paris bei dem gefeierten Salonmaler Edmond Yon und nahm über ihn auch Einflüsse der Landschaftsschule von Barbizon auf. Bald nach ihrer Rückkehr nach Deutschland schloss sie sich der Künstlerkolonie in Ahrenshoop an, wo sie sich ein bis heute erhaltenes Wohn- und Ateliergebäude im modischen Jugendstil errichten ließ. Alternierend lebte sie während der Wintermonate in Berlin; seit 1894 war sie regelmäßig auf der „Großen Berliner Kunstausstellung“ vertreten; international bekannt wurde sie durch ihre wiederholte Teilnahme am Pariser Salon und 1904 auf der Weltausstellung in St. Louis, wo sie für ihren Gobelin „Herbstwald“ eine Goldmedaille erhielt. Doch als Ehefrau eines adeligen Gutsbesitzers aus Mecklenburg war sie – vermutlich zum Ingrimm mancher männlicher Kollegen – auf Einkünfte aus ihrer künstlerischen Tätigkeit wohl kaum angewiesen.

Heute werden von Eickens Bilder überwiegend in Deutschland gehandelt; ihre intimen Stimmungslandschaften brachten bislang meist Preise unter 10.000 Euro, doch aktuell häufen sich fünfstellige Zuschläge – drei waren es allein im vergangenen Jahr.

In der kommenden Auktion am 7. August werden bei Ahrenshooper Kunstauktionen gleich zwei attraktive Motive der Landschaftsmalerin angeboten, die trotz der vorsichtigen Taxen zweifellos zu den Highlights der Offerte zählen: Ein besonders duftig und lichtvoll gemalter „Frühling in Althagen“ mit Blick auf einen von üppig blühenden Bäumen gesäumten, in die Bildtiefe führenden Feldweg wird nur mit 9000 Euro bewertet, könnte allerdings durchaus deutlich teurer werden. Ebenso hoch veranschlagt wird ein auf expressive Farbkontraste setzender „Herbstlicher Birkenweg in den Darß“ aus etwa der gleichen Zeit (circa 1895, Lot 14).

Elisabeth Büchsel Blühende Heide Ahrenshooper Kunstauktionen
Elisabeth Büchsels Gemälde „Blühende Heide, Hiddensee“ aus den Dreißiger-/Vierzigerjahren soll mindestens 3500 Euro einspielen. © Ahrenshooper Kunstauktionen

Ähnliche Erfahrungen wie von Eicken dürfte wohl auch die aus Stralsund stammende Elisabeth Büchsel gemacht haben. Wie diese konnte sie ihren Berufswunsch nur durch Privatunterricht realisieren, und ebenso fand sie Entfaltungsmöglichkeiten als Künstlerin vor allem fernab von den von Männern dominierten Seilschaften des Akademiebetriebs im freieren Gefüge einer ländlichen Künstlerkolonie – allerdings nicht in Ahrenshoop, sondern auf Hiddensee. Sie ist mit mehreren Arbeiten repräsentiert, von denen das Motiv „Blühende Heide, Hiddensee“  mit 3500 Euro voraussichtlich am teuersten wird – falls der Schätzer Recht behält!

Mit einer Auswahl von sieben Gemälden feiert das Haus den bevorstehenden 160. Geburtstag Paul Müller-Kaempffs, des Gründers der Ahrenshooper Künstlerkolonie. Von ihm stammt ein weiterer „Frühling in Althagen“, der mit dem gleichnamigen Werk Elisabeth von Eickens allerdings nur den Titel gemeinsam hat: Gegeben ist hier ein in der gleichmäßigen Ausleuchtung weniger zentrierter, stattdessen weit in die Tiefe ausgreifender Blick in die Landschaft; locker eingestreute Bauernhäuser und scheinbar beliebig gesetzte Bäume unterstreichen die Beiläufigkeit des Bildausschnitts. Erwartet werden dafür 5500 Euro (Lot 76). Mit dem gleichen Erlös rechnet man für eine um 1905 entstandene, sturmgepeitschte „Darßer Küstenlandschaft mit Windflüchtern“ (Lot 75). Mit zwei bäuerlichen Staffagefiguren im Mittelgrund belebt ist Müller-Kaempffs sommerliche Stimmung „Auf der Dorfstraße in Barnstorf, Wustrow“; der Wert der bereits 1890 datierten Szene wird mit 7000 Euro angegeben.

Paul Müller-Kaempff Dorfstraße Ahrenshooper Kunstauktionen
Paul Müller-Kaempff, der Gründer der Ahrenshooper Künstlerkolonie, feiert dieses Jahr seinen 160. Geburtstag. Sein Gemälde „Auf der Dorfstraße in Barnstorf, Wustrow“ von 1890 ist ab 7000 Euro zu haben. © Ahrenshooper Kunstauktionen

Vergleichsweise selten auf Auktionen gehandelt werden Gemälde des Rostocker Malers Rudolf Bartels. Von ihm standen in den letzten zehn Jahren lediglich 17 Lose zur Verfügung; dafür können Anbieter allerdings auch sicher sein, ihre Ware zu vermitteln, denn Rückgänge waren bislang äußerst selten. Seine Landschafts- und Stilllebenmotive bringen in der Regel bis 10.000 Euro, gelegentlich auch mehr. Am gefragtesten sind wohl Bartels’ Ansichten aus seinem Heimatort Schwaan, wobei das Preisgefälle zwischen den einzelnen Motiv-Gruppen nicht allzu groß ist. Ein in der horizontalen Betonung stark zusammenfassend organisierter „Blick auf das sommerliche Schwaan“ entspricht geradezu beispielhaft den Kaufkriterien der Sammler; ein nahezu identischer Blick als Winterstimmung brachte am gleichen Ort 2017 10.500 Euro. Für den vorliegenden Karton von 1910 geht man vorerst nur von 8000 Euro aus (Lot 3).

Vielleicht am stärksten noch romantischer Landschaftssauffassung verpflichtet sind zwei Nachtstücke von Louis Douzette; Einflüsse der Dresdener Schule wie wohl auch sein dauerhafter Erfolg prägten seinen Stil so nachhaltig, dass er offenbar keine Veranlassung sah, bewährte Erfolgsmuster zu überdenken. Auch die vorliegenden Gemälde aus den Jahren 1880 und 1895 zeigen keine markante Entwicklung seiner typischen Handschrift, und so scheinen die im Katalog angegebenen Bewertungen im Grunde denn auch austauschbar: Eine „Boddenlandschaft mit Mühle bei Barth“ ist auf 8500, eine „Schmiede im Nachtlicht“ auf runde 10.000 Euro geschätzt.

Louis Douzette Boddenlandschaft mit Mühle Ahrenshooper Kunstauktionen
Das Nachtstück „Boddenlandschaft mit Mühle bei Barth“ von Louis Douzette entstand um 1880 und geht mit der Taxe von 8500 Euro ins Rennen. © Ahrenshooper Kunstauktionen

Das aussichtsreichste Los der Auktion ist aber wohl ein Parademotiv von Karl Hagemeister. Seit für ihn im letzten Jahr erstmals vier Zuschläge über 100.000 Euro notiert wurden, werden seine Ergebnisse mit besonderer Spannung verfolgt. Der Kurswert für seine typische, einmal mehr von Hokusai inspirierte „Brandungswelle – Stürmische See auf Rügen“ von 1911 wird zwar lediglich mit 35.000 Euro angegeben, doch angesichts der gegenwärtigen Euphorie ist es wenig wahrscheinlich, dass ein Käufer mit einem Gebot in dieser Höhe davonkommt.

Service

AUKTION

AHRENSHOOPER KUNSTAUKTIONEN

Besichtigung bis 6. August 2021

Auktion 7. August 2021,

ahrenshoop-kunstauktionen.de

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