Kunstwissen

Paula - eine magische Momentaufnahme

Der Münchener Fotograf Sammy Hart war vier Tage lang am Set des Films „Paula.“ Seine einfühlsamen Film-Stills porträtieren die große Malerin Paula Modersohn-Becker, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts in einer von Männern dominierten Kunstwelt um Anerkennung und für ein selbstbestimmtes Leben kämpft. 

Von Nadine Claudius
13.12.2016

Ein Set-Fotograf muss den Zauber, der in den Schauspielern liegt, für seinen Fotomoment heraufbeschwören; die Emotionalität, die im Film spürbar wird, als Standbild sichtbar machen. Seit dem 15. Dezember läuft der Kinofilm „Paula“, der die Geschichte der außergewöhnlichen und für die damalige Zeit radikal modernen Malerin Paula Modersohn-Becker beschreibt. Der Münchener Fotograf Sammy Hart begleitete den Dreh und zeigt in seinen atmosphärischen Aufnahmen den Kampf der Künstlerin um ihre Entfaltung und Anerkennung. Es entstanden zahlreiche farb- und schwarz-weiß-Fotografien, die nicht zuletzt an Malereien erinnern.

„Es war ihre Lebensgeschichte, einer zu Lebzeiten verkannten Künstlerin, die erst post mortem zu ihrer verdienten Wertschätzung kam, die mich ganz besonders reizte,“ sagt Hart. „Mich berührt dies insbesondere als ein Fotograf, der selber versucht, den Konventionen zu trotzen und seinen eigenen Weg zu gehen.“

Der Vater von Paula Becker verkannte das Talent seiner Tochter, drängt sie, einen bürgerlichen Beruf zu ergreifen. Ihr Lehrer Fritz Mackensen, hält nichts von ihrer Kunst. Er empfindet diese als zu grob. Doch Paula will malen. Sie heiratet Otto Modersohn und steht jahrelang im Schatten des Künstlers. Entfalten kann sie sich erst im lebhaften Paris Anfang des frühen 20. Jahrhunderts – parallel dazu droht ihre Ehe zu zerbrechen. Schicksalhaft stirbt Paula 1907 kurz nach der Geburt ihrer Tochter Mathilde mit nur 31 Jahren. Ihre Landschaften, Stillleben und vor allem Porträts zählen heute zu den wichtigsten Werken des frühen deutschen Expressionismus. Insgesamt hinterlässt sie mehr als 700 Gemälde und 1000 Zeichnungen.

Gedreht wurde „Paula“ bis Anfang November letzten Jahres. Zu den Schauplätzen der deutsch-französischen Koproduktion zählen neben dem Künstlerdorf Worpswede, in dem das Ehepaar Modersohn-Becker lebte, auch Köln, Münster, Merseburg und Leipzig. 

Zahlreiche Strassenzüge der sächsischen Großstadt erinnern mit ihrer prächtigen Jugendstil-Architektur an die Seine-Metropole um 1906. Dort entdeckte die junge Paula den Maler Paul Cézanne, lernte Auguste Rodin kennen und fand schließlich zu ihrer künstlerischen Freiheit. Während dieser Zeit soll sie geschrieben haben: „Jetzt weiß ich nicht mehr wie ich signieren soll. Ich bin keine Modersohn und auch keine Paula Becker mehr. Ich bin ich, und ich hoffe es immer mehr zu werden.“

„Paris“, sagt Hart, „ließ sie zu der kompromisslosen, modernen Frau und wegweisenden Malerin werden, die ihrer Zeit voraus war. Darum entstand der Großteil meiner Bilder am Set in Leipzig – dem damaligen Paris, dem Zenith in Paulas Leben.“ 

Insgesamt vier Tage begleitete der Münchener Fotograf den Dreh und seine Protagonisten. „Am Set hat absolute Priorität, so unauffällig wie irgend möglich zu sein, niemanden zu stören und trotzdem relevante Bilder zu machen. Das kann ein enormer Widerspruch sein,“ so Hart. Laurence Clerk, die Co-Produzentin (bekannt durch den Film „Blau ist eine warme Farbe“) habe sich mehrfach gefragt, wie seine Bilder eigentlich zustande kämen, da sie ihn am Set nie bewusst sehen würde.
„Die Kunst ist es,“ verrät Hart, „nie direkt während des Drehs zu agieren, sondern an der Peripherie zwischen dem Ende und dem Anfang der Szene zu fotografieren. Da fühlen sich Protagonisten wie Komparsen ganz unbeobachtet, aber sie sind nicht minder konzentriert und es besteht die Möglichkeit für schnappschussartige Bilder, die ungewöhnlich sind.“ Etwa das Bild, in dem Paula und ihre Freundin Clara Westhoff am Fenster sitzen. Der düstere enge Raum, das Licht, das von draußen durch das hohe Sprossenfenster hineinfällt, die Nähe der beiden Frauen zueinander, ihre konzentrierten Gesichter, machen den Betrachter zum Zeugen einer intimen Szene. Man würde zu gern wissen, worüber sich die jungen Frauen unterhalten. Planen Sie ein Abenteuer, einen Ausbruch ins Leben hinter dem Fenster? Aufnahmen wie diese sind der eigentliche Auslöser für das Kino im Kopf.

Mit Regisseur Christian Swachow arbeitete der Münchener bereits an anderen Projekten zusammen. „Seine Filmthemen haben mich bisweilen sehr inspiriert und ich bin ein großer Freund seiner sensiblen Menschenzeichnung, die nie in Stereotype abrutscht.“

Das Sujet der Setfotografie habe ihn seit jeder ganz besonders fasziniert. Zu seinen Inspirationsquellen zählen Fotografen wie Mary Ellen Mark, Ernst Haas oder Steve Shapiro. „Christian Swachow bucht mich gerne zusätzlich zum obligatorischen Set-Fotografen hinzu, um durch meine Bilder eine andere Sicht auf seine Dreharbeiten und – wenn möglich – ein KeyVisual für die PR des Films zu bekommen.“

 

Ob es ein Buch mit sein Bildern geben wird, hängt nicht zuletzt von dem Erfolg des Filmes ab. Eine Ausstellung wäre eine wunderbare Idee, sei aber zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht geplant. „Allerdings rege ich dies gerade an.“

ABBILDUNGEN

Sammy Hart

FILMSTART

ab 15. Dezember 2016

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