Giovanni Grubacs bei Lempertz

Feierstimmung in Venedig

Im Juni kommen bei Lempertz drei Veduten des Venedig-Spezialisten Giovanni Grubacs zum Aufruf. Sie zeigen die Festivitäten rund um die prachtvolle Redentore-Kirche

Von Michael Lassmann
31.05.2021
/ Erschienen in Kunst und Auktionen Nr. 9

An erfolgversprechenden politischen Konzepten, wie es nach der Pandemie weitergehen könnte, fehlt es gewiss nicht – schon gar nicht in diesem Super-Wahljahr! Geduldig erklärt man uns ein ums andere Mal, welche Knöpfe gedrückt, welche Schalter umgelegt werden müssen, damit die Konjunktur wieder Fahrt aufnehmen kann. Eigentlich wäre ein Ende der Krise ja zuerst ein Grund zum Feiern, doch mit diesem Vorschlag könnten seriöse Realpolitiker im öffentlichen Diskurs vermutlich nur schwer punkten.

Im Venedig des 16. Jahrhunderts, das aufgrund seines bunten Völkergemischs und weitreichenden Handelsverkehrs von jeher besonders seuchenanfällig war, wird man eine solche Option ähnlich nüchtern betrachtet haben. Als sich die Stadt nach 20 Pest-Epidemien in gut 200 Jahren 1575 mit der bis dahin hartnäckigsten und wohl auch verheerendsten Welle konfrontiert sah, kamen Kirche und Senat jedoch zu der Einsicht, dass das hart geprüfte Volk zweifellos auch spirituell ein wenig Aufmunterung verdiente: Als staatserhaltende Stimmungsaufheller schenkten sie ihm darum zuerst eine neue Kirche für die innere Sammlung und obendrein ein großes Fest für die wohlverdiente Zerstreuung. Bereits 1576 wurde in der Hoffnung auf Erlösung von dem neuerlichen Übel auf der Insel Giudecca der Grundstein für die von Palladio geplante, allerdings erst ein Vierteljahrhundert später vollendete Votivkirche „Il Redentore“ gelegt, ein Jahr später durften die Venezianer zum ersten Mal im Gedenken an ihre Rettung die versprochene „Festa del Redentore“ feiern, die seither traditionell am dritten Juli-Wochenende begangen wird – auch in diesem Jahr: Freitags finden bereits Konzerte statt, die offiziellen Feierlichkeiten werden am Samstagabend mit der Segnung durch den Patriarchen von Venedig auf den Stufen der Redentore-Kirche eröffnet. Sobald die provisorische Pontonbrücke zur Giudecca fertiggestellt ist, zieht eine Prozession zur Kirche. Für Gläubige oder wenigstens Traditionsverbundene werden Messen angeboten, andere feiern in den zum Teil bis zum Morgen geöffneten Trattorien, wo man entspannt das mitternächtliche Feuerwerk erwarten kann. Am letzten Tag werden drei Regatten durchgeführt, bevor eine vom Patriarchen geleitete Abendmesse die Festivitäten beschließt.

Venedig Giovanni Grubacs Lempertz
Giovanni Grubacs „Redentore Fest mit Pontonbrücke auf dem Canale Grande“ ist zusammen mit dem korrespondierenden Gegenstück „Redentore-Fest an der Rialtobrücke" (beide 33,6 x 48 cm) auf 40.000 Euro taxiert. © Lempertz, Köln

Um die Mitte des 19. Jahrhundert war das Fest längst eine Touristen-Attraktion. Venedig, seit der Neuordnung Europas durch den Wiener Kongress nur noch ein vernachlässigtes Anhängsel des Habsburger Reichs, war damals zwar längst auf dem Tiefpunkt seiner politischen und wirtschaftlichen Bedeutung angelangt – als romantisches Etappenziel der Grand Tour italophiler Bildungsreisender jedoch beliebter denn je. Die lebhafte Konkurrenz spezialisierter Vedutenmaler stellte sicher, dass die Gäste sich vor ihrer Abreise am besten gleich mit mehreren typischen Motiven der Serenissima eindecken konnten. Wer sich gern an einen abendlichen Spaziergang auf der Piazzetta di San Marco erinnerte, wurde sicher bei Friedrich Nerly fündig, der diesen Verkaufsschlager mindestens 35 Mal auf Bestellung ausgeführt haben soll. Oder er erwarb ein Werk Ippolito Caffis, dessen oft in mystisches Licht getauchte Ansichten ebenso geschätzt waren wie seine reich staffierten, von festlichem Feuerwerk illuminierten Darstellungen von Volksfesten. Letztere erwiesen sich auch für andere Maler als dankbares Thema, denn viele Besucher wollten auf ihrer Venedig-Reise unbedingt das volkstümliche Treiben während des Carnevals oder des „Redentore“ erleben und auch als Souvenir-Bild mit nach Hause nehmen.

Auch Caffis 20 Jahre jüngerer Mitbewerber Giovanni Grubacs hat die Festtage, an denen ganz Venedig auf den Beinen war, immer wieder in seinen Bildern aufgegriffen – von der feierlichen Prozession zur Giudecca über das prächtige Mitternachts-Feuerwerk bis zur von vielen Schaulustigen verfolgten Regatta auf dem Canale Grande, wobei die bühnenhaften Beleuchtungseffekte der Nachtstücke für ihn offensichtlich von besonderem Reiz waren. Grubacs bediente wie sein Vater Carlo mit seinen Veduten wohl überwiegend den einträglichen Touristenmarkt; dabei reichte sein Repertoire von der romantisch inspirierten Mondscheinstimmung bis zur aufgehellten Palette der bereits impressionistisch anmutenden Arbeiten späterer Jahre, die den Gegenstand bei diffuser Ausleuchtung des Bildraums allerdings unverändert intakt ließen. Die Forschung schenkte dem routinierten Lieferanten hochwertiger Kommerzbilder bislang kaum Aufmerksamkeit, doch auf dem heutigen Markt sind seine stimmungsvollen Venedig-Ansichten gefragter denn je: 2007 passierte eines seiner Gemälde erstmals die Schwelle von 50.000 Euro, zehn Jahre später wurde der erste sechsstellige Wert ermittelt – ein Kursanstieg, der seither durch weitere Zuschläge in diesem Preisbereich bestätigt wurde.

Venedig Giovanni Grubacs Lempertz
Giovanni Grubacs „Redentore-Fest an der Rialtobrücke" ist zusammen mit dem korrespondierenden Gegenstück „Redentore Fest mit Pontonbrücke auf dem Canale Grande“ (beide 33,6 x 48 cm) auf 40.000 Euro taxiert. © Lempertz, Köln

In der Auktion „Alte Kunst“ versteigert Lempertz, Köln, am 5. Juni gleich drei Gemälde des Venedig-Spezialisten: Mit 70.000 Euro am höchsten bewertet ist das Motiv „Redentore-Fest an der Rialto-Brücke“, das durch ein Feuerwerk, die prunkvoll beleuchtete Barke des Patriarchen und die Reflexe auf der Wasseroberfläche im Vordergrund in fast taghelles Licht getaucht ist. Eine kleinere, im Bildausschnitt wie auch motivisch anders gestaltete Aufnahme der gleichen Situation besticht dagegen vor allem durch das veränderliche Spiel von Licht und Schatten auf den Architekturfassaden im Vordergrund, das von einem Feuerwerk weiter hinten auf dem Kanal herrührt. Zusammen mit ihrem korrespondierenden Gegenstück „Redentore-Fest mit Pontonbrücke auf dem Canale Grande“, das die von zahlreichen Booten und Gondeln begleitete Prozession zur Giudecca zeigt, ist sie mit 40.000 Euro veranschlagt.

Service

AUKTION

Lempertz Köln,

Auktion 5. Juni 2021,

Besichtigung nach Vereinbarung

www.lempertz.com

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