Kunstwerke sind im Krieg schutzlos, daher haben viele Museen in der Ukraine ihre Schätze in Sicherheit gebracht. Doch mit dem, was geblieben ist, machen sie ihren Landsleuten Mut
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12.08.2025
„Hier ist viel los trotz des Krieges“, sagt Museumsdirektor Ihor Poronyk trotzig. Der 65-Jährige leitet das Museum für westliche und östliche Kunst in der südukrainischen Hafenstadt Odessa. Dabei kann er die Glanzstücke seiner wertvollen Sammlung westeuropäischer Kunst vom 17. bis zum 19. Jahrhundert gar nicht zeigen: Die Gemälde sind vor russischen Bomben teils versteckt, teils ausgelagert worden. Ein Teil der Sammlung tourt derzeit viel beachtet durch deutsche Museen. Doch Poronyk hält wie viele Kolleginnen und Kollegen sein Haus offen. Er zeigt bei Sonderausstellungen – wie er sagt – „nicht so wertvolle Kunstwerke“, bietet zeitgenössischer Kunst ein Obdach; es gibt Vorträge, Konzerte. „Das ist ein Ort, an dem man sich vom Krieg erholen kann. Die Menschen möchten Schönheit.“
Das macht die Museen zu stillen Orten des Widerstands, auch wenn ihre Lage so schwierig ist wie die des ganzen Landes nach dreieinhalb Jahren unter dem erbarmungslosen russischen Angriffskrieg. Und Moskau führt Krieg nicht nur gegen den Staat Ukraine und dessen Armee. „Es ist allen klar, dass es hier nicht nur um einen militärischen Sieg geht, sondern auch um die Auslöschung einer kulturellen Identität“, sagt der Kunsthistoriker und Kunsthändler Johannes Nathan aus Potsdam. Er hat die ukrainischen Museen seit Kriegsbeginn 2022 unterstützt. „Es ist dieses Narrativ, dass nur Russland zählt, und die Ukraine ist eine Fußnote dazu.“
Der Krieg hat nach Angaben des Kulturministeriums 3.800 kulturelle Einrichtungen von Kirchen und Theatern bis zu Kulturhäusern und Bibliotheken getroffen. Dazu zählen auch etwa 130 zerstörte oder beschädigte Museen. Zerstört wurden die Museen der ostukrainischen Städte Bachmut, Awdijiwka oder Tschassiw Jar, ebenso das Archip-Kuindschi-Museum bei Mariupol. Die Wandbilder der naiven Künstlerin Polina Rajko versanken in den Fluten, als 2023 der Kachowka-Staudamm im Süden von russischen Truppen gesprengt wurde.
Doch der größte bekannte Verlust traf das Kunstmuseum von Cherson. Die Besatzer transportierten nach Kiewer Angaben Tausende Kunstgegenstände ab, bevor die ukrainische Armee die Gebietshauptstadt im Süden im November 2022 zurückeroberte. Den Vorwurf der Plünderung wies Moskau zurück und sprach von Evakuierung, um die Kunstwerke zu schützen. Mehr als 110 Gemälde aus Cherson konnten seit 2024 im Kunstmuseum von Simferopol auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim identifiziert werden.
Als russische Truppen am 24. Februar 2022 angriffen, Bomben auf Städte fielen, wurden in Museen und Archiven in aller Eile Kunstwerke abgehängt, verpackt, versteckt oder in die Westukraine gebracht. Museumsdirektor Poronyk aus Odessa wusste anfangs gar nicht, wo seine Meisterwerke waren. Dann fand er sie in einem feuchten, schlecht temperierten Schloss im Westen des Landes. „Als ich das sah, war mir klar, dass die Kunstwerke so schnell wie möglich weitertransportiert werden müssen“, berichtet er.
„Es ist eine schleichende Zerstörung, die ganz viele Sammlungen betrifft“, sagt auch Nathan. Die empfindlichen Kunstwerke erlitten Schäden bei der eiligen Verpackung und Verschiffung, sie gerieten in ungeeignete Lagerräume. So wandelt sich die Notfallevakuierung zur Daueraufgabe, sichere, angemessene Lager zu finden. Viele Materialien werden digitalisiert. Und der Krieg schafft immer neue Aufgaben: Aktuell ist die Front an die Großstadt Sumy im Nordosten herangerückt, die dortigen Kulturgüter müssen gesichert werden.