Nach 17 Jahren an der Spitze der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) verabschiedet sich Hermann Parzinger in den Ruhestand. Wir sprachen mit ihm über sein Elternhaus, den Weg zur Archäologie, die Schwachstellen des Humboldt Forum und seine persönliche Bilanz
ShareJedenfalls nicht Archäologe. Ich weiß nicht mehr genau, ob Polizeibeamter oder Pilot. Mein Vater war beides.
Ja. Das war für mich vor allem wichtig, als ich mich entschieden habe, nicht Medizin, Jura, Physik oder irgendwas sogenanntes Handfestes zu studieren, sondern Archäologie. Sie hätten mich davon nicht abbringen können, aber ihre Unterstützung war mir wichtig. Vorbehalte hatten eher meine ehemaligen Lehrer. Auf dem ersten Abiturtreffen nach ein paar Jahren haben sie zu mir gesagt: Ach, du studierst jetzt Archäologie? Na ja, du hast bei der Bundeswehr ja zum Glück den Lastwagenführerschein machen können … Das hat mich zusätzlich angespornt.
Ich komme aus einem sogenannten nichtakademischen Elternhaus. Aber meine Eltern haben unglaublich viel gelesen, vor allem über Geschichte, und waren kulturinteressiert. Bei Reisen war der Besuch von Kirchen, Museen und Denkmälern immer gesetzt. Mein Vater, Jahrgang 1917, ist im Bayerischen Wald als eines von 13 Kindern unter ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen und hat dort eine Schreinerlehre gemacht. Er wollte dieser dörflichen Enge entfliehen, das waren auch harte Zeiten damals Anfang der 1930er-Jahre, deshalb ist er Flieger geworden. Nach dem Krieg hat er den Schreinerberuf nicht mehr ausgeübt, hat dann aber, weil es ihm großen Spaß gemacht hat, Spezialaufträge in der Schreinerei übernommen und für Kunstwerke Sockel produziert oder Barockkommoden nachgebaut. Als Junge war ich oft dabei, und ich arbeite auch heute noch gerne mit Holz.
Mir war am Ende der Schulzeit absolut unklar, was ich studieren wollte. Während des Wehrdienstes bin ich zur allgemeinen Studienberatung gegangen, und während ich auf den Termin wartete, lag da zufällig eine Broschüre, in der der Beruf des Vor- und Frühgeschichtlers beziehungsweise Prähistorikers beschrieben wurde. Das hat mich sofort fasziniert: Geschichte quasi aus dem Müll vergangener Kulturen zu rekonstruieren, aus Scherben, Pollen, aus Tierknochen. Archäologie ist ungemein interdisziplinär. Ich wusste, dass die beruflichen Aussichten nicht besonders gut waren. Im ersten Semester habe ich jedoch gleich bemerkt, dass das mein Fach ist. Es war also eher ein Zufall. Das Studium lief erfolgreich, ich war mit 25 Jahren promoviert und habe dann ein Reisestipendium des Deutschen Archäologischen Instituts erhalten. Ich bekam danach eine Assistentenstelle an der Ludwig-Maximilians-Universität München, und für mich war eigentlich klar, dass ich eine universitäre Laufbahn einschlagen wollte. Es kam aber anders, ich wurde Stellvertretender Direktor des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) in Frankfurt und später Gründungsdirektor der Eurasien-Abteilung des DAI in Berlin.
Dass man nie enge Scheuklappen haben darf. Ich habe in München an der LMU angefangen zu studieren, und mein akademischer Lehrer Georg Kossack war eine absolute Koryphäe des Faches. In seiner Einführungsvorlesung ging es nicht nur um Typologien von Steingeräten, Fibelfüßen oder Randlippen von Gefäßen, sondern es ging auch um die Entwicklung der prähistorischen Forschung im Kontext der Geistesgeschichte vom Humanismus über die Romantik bis zur Kulturkreislehre Anfang des 20. Jahrhunderts. Ich dachte: Wow, das ist eine ganz neue Perspektive auf das Fach. Dieser Ansatz, über den Tellerrand zu schauen und breiter zu denken, war für mich sehr prägend. Es geht doch immer ums große Ganze.
Georg Kossack hat mich als mein Doktorvater sehr gefördert, er hat mich dann auch an die Uni nach Saarbrücken geschickt. Dort lehrte Rolf Hachmann, ein Bronzezeit- und Germanenforscher, das gab es in München so nicht. Hachmann war ähnlich wie Kossack eine Persönlichkeit, die sehr breit gebildet war, mit sehr weitem Horizont, auch sehr fordernd gegenüber den Studenten. Sowohl Kossack als auch Hachmann waren so, wie man sich einen Professor vom alten Schrot und Korn vorstellt, extrem streng, mit höchsten Anforderungen. Wenn jemand ein schlechtes Referat hielt, wurde das klar ausgesprochen.
Ehrlich gesagt, hatte ich nie eins. Klingt vielleicht komisch, aber ich bin bei meinen Stellen immer gefragt worden.
Man sollte überzeugen, dass man für seine Sache brennt, das ist ganz wichtig. Und dass man stets aus einer tiefen Fachkompetenz heraus handelt und argumentiert. Das hat mir auch immer im Umgang mit der Politik und in meinem jetzigen Amt geholfen. Grundsätzlich sollte man immer authentisch sein.
Ich kam zum Deutschen Archäologischen Institut Frankfurt, als Zweiter Direktor der Römisch-Germanischen Kommission. Das war eine A15-Stelle, und ich hatte mir schon die Hände gerieben und gedacht: Oh, jetzt endlich verdienst du ein bisschen mehr. Dann wurde mir erklärt, was der Bewährungsaufstieg im öffentlichen Dienst ist. Ich war viel zu jung und bekam erst mal dasselbe Gehalt wie als Assistent in München, das war A13. Ich musste zwei Jahre bis zur A14 warten. Und dann noch mal zwei Jahre, bis ich endlich die A15 hatte.
Ich kann gut verhandeln, wenn es etwa um Genehmigungen für Projekte geht. Ich habe für das DAI drei Jahre lang immer wieder im Iran verhandelt, bis es endlich geklappt hat, dass wir im Jahr 2000 die erste gemeinsame deutsch-iranische Grabung im Iran seit der Islamischen Revolution 1979 beginnen konnten. Das war in der Zeit von Präsident Mohammad Chatami, wo es eine große Öffnung gab und alle hofften, es würde so weitergehen. Später ist das Pendel wieder zurückgeschlagen. Wenn es um das eigene Gehalt ginge, wäre ich sicher ein schlechter Verhandler, aber als Beamter musste ich das zum Glück nicht, das Gehalt stand fest.