Frick Collection in New York

Auf die vornehme Art

Die deutsche Architektin Annabelle Selldorf hat sich mit dem Umbau von Museen einen Namen gemacht. Ihr jüngstes Glanzstück ist die mit feinem Gespür sanierte und erweiterte Frick Collection in New York

Von Lisa Zeitz
30.05.2025
/ Erschienen in Weltkunst Nr. 241

Henry Clay Frick verbrachte nur noch fünf Jahre in diesem Haus, bevor er 1919 verstarb. Ein paar Jahre nach dem Tod seiner Frau wurde die Sammlung seinen Wünschen entsprechend der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Dafür erweiterte der Architekt John Russell Pope das Haus zum Museum, 1935 eröffnete die Frick Collection. „Damals sind noch nicht so viele Leute ins Museum gegangen“, so Selldorf. Doch im Lauf der nächsten Jahrzehnte wuchs der Besucherstrom auf jährlich rund 300 000 an. Verschiedene Direktoren, erzählt sie, haben immer wieder einmal Anlauf genommen: „Wie können wir uns ein bisschen vergrößern, ein bisschen verbessern?“

Fotografie des „Fragonard Room“, ein prunkvoller Raum mit Malerei, Skulptur und Möbeln des französischen Rokoko © Joseph Coscia Jr.
Zu den Schätzen der Sammlung zählt der „Fragonard Room“ mit Malerei, Skulptur und Möbeln des französischen Rokoko © Joseph Coscia Jr.

Dieser alte Traum ist nun, noch unter der Ägide des scheidenden Direktors Ian Wardropper, wahr geworden. Selldorfs Aufgabe war nicht, noch mehr Besucher einzuplanen, sondern die Qualität des Museumsbesuchs zu verbessern. Insgesamt gibt es nun dreißig Prozent mehr Ausstellungsfläche. Zu den hocherfreulichen Neuerungen zählt die Umgestaltung des Obergeschosses, das nun erstmals zugänglich ist. In den einstigen Schlafgemächern waren über Jahrzehnte Büros untergebracht, nun sind hier Teile der Sammlung zu bewundern. Im Schlafzimmer von Helen Clay Frick, der Tochter des Industriellen, wird jetzt die italienische Goldgrundmalerei präsentiert, die sie der Sammlung hinzugefügt hat. Die Porträtmedaillen aus der berühmten Kollektion von Stephen Scher haben hier oben ebenso ein würdiges Ambiente wie die feine Uhrensammlung und die Impressionisten. Es gibt einen „Ceramics Room“, und auch der sogenannte „Boucher Room“ mit französischem Mobiliar des 18. Jahrhunderts ist wieder nach oben gewandert und wie vor rund einhundert Jahren im Wohnzimmer von Henry Clay Fricks Ehefrau Adelaide Childs installiert.

Bei seinem Abschied im März konnte Wardropper dem neuen Direktor Axel Rüger ein Haus überlassen, das den höchsten Museumsstandards entspricht. Neben selbstverständlichen Anforderungen, wie etwa Aufzügen oder Barrierefreiheit, beschreibt Annabelle Selldorf ein weiteres Desiderat des aktuellen Um- und Anbaus: „Niemand hatte verstanden, dass die öffentliche Kunstbibliothek auf der 71st Street mit der Frick Collection verbunden ist. Das war eines der Dinge, die uns wichtig waren, als zukunftsweisende Mission: Bildung, Wissenschaft, Forschung, all das Teil der Wahrnehmung für die Welt sein zu lassen.“ 1920 von Helen Clay Frick ins Leben gerufen, ist die Frick Art Research Library eine der besten kunsthistorischen Bibliotheken der Welt.

In den Jahren der Museumsschließung hatte Wardropper eine Zwischenlösung für die Sammlung gefunden, die einen spektakulären Kontrast darstellte. Von 2021 bis 2024 wurden Meisterwerke der Frick Collection in der brutalistischen Architektur-Ikone von Marcel Breuer auf der Madison Avenue, nur wenige Blocks entfernt, präsentiert – 1966 als Whitney Museum eröffnet, diente dieser Bau kurz als Außenposten des Metropolitan Museum, dann kam die Frick Collection, und aktuell wird er zum Hauptsitz von Sotheby’s umgewandelt. Für eingefleischte New Yorker wie den Kritiker Michael Kimmelman war Bellinis „Heiliger Franziskus“ im Breuer Building so irritierend, „als würde man seinen Chemielehrer in den Ferien am Strand von Florida treffen“. Die harte Betonarchitektur als Rahmen für Veronese, Rembrandt, Ingres und all die anderen, das war eine vollkommen andere Erfahrung als die holzvertäfelten Wände eines Privathauses. Bei diesem Zwischenspiel in anderem Kontext, so Selldorf, „ging es darum, die individuellen Kunstwerke anzuschauen. Das ist im alten Haus dezidiert nicht der Fall.“ Hier ist nicht nur das einzelne Werk, sondern der Kontext der Sammlung wichtig.

Giovanni Bellini, Der Heilige Franziskus in der Wüste, ca. 1475–80 © Michael Bodycomb
Giovanni Bellini, Der Heilige Franziskus in der Wüste, ca. 1475–80 © Michael Bodycomb

„Man hat das Gefühl, dass man im Haus von jemandem ist“, beschreibt die Architektin die besondere Situation der Frick Collection, „aber es ist kein Hausmuseum. Dieser Jemand hatte das Bewusstsein, seine großartige Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und – anfangs nur für sich selbst – der Kunst ihre Würde zu gewähren.“ Die Sammlung sei sehr präzise, fährt sie fort: „Die Gegenstände, das Porzellan, die Möbel, all diese Dinge sind keine Privatgegenstände, es ist nicht der Sessel, in dem man gesessen hat und ein gutes Buch gelesen hat, sondern es geht darum, den Werdegang der Kunst und des Kunsthandwerks in einem architektonischen Gesamtwerk zusammenzubringen. Nicht um zu zeigen ,Oh, wie haben die damals gelebt‘, sondern um die Gegenüberstellung der Dinge zu erfahren.“

In den historischen Räumen ist in den vergangenen fünf Jahren sehr viel restauriert worden. Stoffe wurden in den originalen Manufakturen neu gewebt, Oberlichter erneuert. „Viel wirkt unverändert, aber da wurde mal richtig aufgeräumt und gelüftet“, sagt Selldorf und lacht. „Es ist fantastisch. Die Besucher, die nun kommen, können die Frick Collection so erfahren, wie sie es immer getan haben.“ Zusätzlich zu den liebgewonnenen alten Räumen gibt es jedoch noch viel mehr zu entdecken, mehr Platz für die wachsende Sammlung, für Kunst und Kunsthandwerk, aber auch, endlich, für eine Erfrischung: „Im Obergeschoss haben wir einen kleinen Shop und ein kleines Café eingerichtet, sodass die Besucher, die jetzt einen erheblich längeren Weg zurücklegen, wenn sie die ganze Sammlung erfassen wollen, Gelegenheit haben, sich auszuruhen und auf den viel umfochtenen Garten auf der 70th Street zu schauen.“

Über die Geschichte dieser unspektakulären Grünfläche ließe sich ein ganzes Buch schreiben, denn sie ist der Grund dafür, dass andere ambitionierte Umbaupläne in der Vergangenheit auf vehementen Widerstand stießen und in der Versenkung landeten. Dabei ist der ebenerdige Garten, erklärt Selldorf, eigentlich ein Dachgarten: Darunter ließ Helen Clay Frick drei Stockwerke tief Stahlbeton-Tresorgewölbe anlegen – und hier im Untergrund hat das Team von Selldorf Architects nun auch ein elegant geschwungenes Auditorium mit 218 Sitzplätzen gebaut. Den 70th Street Garden gibt es erst seit den Siebzigerjahren, besonders historisch ist er also nicht, doch er ist den New Yorkern mit seiner Wasserfläche, den Kieswegen und Glyzinien ans Herz gewachsen. „Wenn dieser Garten schon so wichtig ist“, sagt die Architektin, „dann möchte man auch, dass er von vielen Seiten gesehen wird.“ Das Café im zweiten Stock schaut nun direkt auf das Stück Grün und auch durch die hohen Fenster der Seminarräume auf der Nordseite genießt man diesen Anblick. Selldorf freut sich, dass der Garten jetzt ein „Nexus für eine neue urbane Situation“ ist.

Fotografie: Von den Seminarräumen im Anbau von Annabelle Selldorf fällt der Blick auf den Garten © Nicholas Venezia
Von den Seminarräumen im Anbau von Annabelle Selldorf fällt der Blick auf den Garten © Nicholas Venezia

Der siebenstöckige Anbau verbindet verschiedene ältere Gebäudeteile auf der rückwärtigen Seite der Frick Art Research Library mit dem Museum und wirkt trotz der unterschiedlichen Bauteile mit der neuen Sandsteinfassade einheitlich, wohlgemerkt ohne sich an die historischen Formen anzubiedern. Die Fassade fügt sich mit moderner Ästhetik durchaus geschmeidig in die Stadtlandschaft der Upper East Side ein. Von der Straße aus ist das Café über dem Eingang übrigens kaum zu sehen. „Es ist eine Art Wintergarten, der zurückgesetzt ist. Er hat eine Leichtigkeit und nimmt sich gegenüber dem Existierenden zurück.“ Diese vornehme Zurückhaltung, die Annabelle Selldorfs Architektur charakterisiert, ist ein Glücksfall für die Frick Collection.

Nach ihren Favoriten in der Sammlung gefragt, antwortet Selldorf, dass sie viele Bilder besonders liebe, doch auch für sie steht „ganz vorne Bellinis ,Heiliger Franziskus‘“. Die italienische Renaissance hat sie als junge Architekturstudentin in Florenz erlebt. „Raumgefühl, Materialität, Gewicht – die Rationalität der frühen Renaissance“ sei gewiss einflussreich für sie gewesen, sagt sie, vor allem anderen aber die Auseinandersetzung damit, „wie Menschen sich im Raum bewegen“. Und dann sagt sie einen Satz, der so gut zu ihrer Arbeit an der Frick Collection passt, dass ich ihn als Anleitung für den nächsten Museumsbesuch mitnehme: „Wo das Intuitive, Taktile dem Rationalen begegnet, da wird es spannend.“

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