Die deutsche Architektin Annabelle Selldorf hat sich mit dem Umbau von Museen einen Namen gemacht. Ihr jüngstes Glanzstück ist die mit feinem Gespür sanierte und erweiterte Frick Collection in New York
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30.05.2025
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Erschienen in
Weltkunst Nr. 241
Wer an die Frick Collection denkt, hat Giovanni Bellini, Hans Holbein, Jan Vermeer und italienische Kleinbronzen vor Augen, historische Interieurs, den sagenhaften Reichtum des Stahlmagnaten Henry Clay Frick und vielleicht die blühenden Magnolien an der Fifth Avenue. Eine Oase mitten in Manhattan. An was man nicht denkt: Klimatechnik, Rollstuhlrampe, Garderobe, Aufzüge, Fluchtwege, Oberlichter, ein Auditorium oder ein Café (das es hier bisher nicht gab). Diese Sphären zu kombinieren, das Erleben von Kunst, Geschichte und Ästhetik auf der einen Seite, auf der anderen die Bedürfnisse einer Institution im 21. Jahrhundert, Infrastruktur und Logistik, das überlassen wir der Spezialistin.
Annabelle Selldorf, 1960 in Köln geboren und in einem Architektenhaushalt aufgewachsen, kam zum Studium nach New York und blieb. Ihre mittlerweile siebzig Personen umfassende Firma Selldorf Architects hat zwar auch viele Wohnhäuser und andere Gebäude realisiert, ist aber weltweit vor allem dafür bekannt, Galerien und Museen zu entwerfen oder behutsam umzubauen. Sie hat Projekte für Galerien wie Michael Werner, Hauser & Wirth und allein zwanzig für David Zwirner verwirklicht, mit dem sie seit Teenager-Tagen befreundet ist. Sie ist für den Neubau des Museum of Contemporary Art San Diego verantwortlich, hat in Venedig und für Luma Arles historische Strukturen in Ausstellungsräume verwandelt, und jetzt im Mai eröffnet der umgebaute Sainsbury Wing der National Gallery in London, ebenfalls eines ihrer Projekte.
Das Menschliche spielt bei der Frick Collection, die den New Yorkern speziell am Herzen liegt, eine bedeutende Rolle. Die Sammlung ist von überschaubarer Größe, aber von einer umwerfenden Qualität – allein zwei Gemälde von Jan Vermeer! Doch vor allem lieben Besucherinnen und Besucher die Frick Collection wegen ihrer Dimensionen und dem Gefühl des Privaten. Während manche Museen in New York durch ihre schiere Größe geradezu erschlagen, sind die Proportionen hier intim, das Gefühl der Privatsammlung ist stark. Selldorfs Prinzip, „dahin zu kommen, wo das Menschliche die Richtung weist“, war eine gute Voraussetzung für ihre Aufgabe.
„Ich fand immer toll, dass die Besucher in der Frick Collection eine Beziehung zum Raum und zur Kunst entwickeln können, ungestört, wie das nur in wenigen Museen möglich ist“, sagt sie, als ich sie an einem kühlen Tag einige Monate vor der Wiedereröffnung des Museums in ihrem riesigen Architekturbüro am Union Square besuche. Die besondere Atmosphäre der Frick Collection sowie die historischen Räume zu erhalten und die Institution doch den heutigen Ansprüchen anzupassen und entsprechend zu gestalten, das war nun die Aufgabe von Selldorf, zusammen mit der ausführenden Architekturfirma Beyer Blinder Belle. Die Herausforderungen bei diesem 220-Millionen-Dollar-Projekt umfassten unter anderem: ein Eingangsfoyer mit einem neuen Treppenhaus, ein neues Auditorium, ein Café und ein Bookshop, eine neue bauliche Verbindung zur Frick Art Research Library. In der Vergangenheit wirkte der Museumsparcours improvisiert. Nachdem man die Stufen des altehrwürdigen Eingangs auf der 70th Street hinaufgestiegen war, drängten sich die Schlangen vor Security, Ticket-Desk und Garderobe. Bis man schließlich in die prächtigen Museumsräume kam, hatte man verschiedene Engpässe passiert. Dieses Entree ist nun anders. Der erste umfassende Umbau des Gebäudes in neunzig Jahren beschert der Frick Collection einen würdigen, elegant proportionierten Eingangsbereich. Die erweiterte Deckenhöhe der existierenden Architektur, erklärt Selldorf, wurde dem Foyer von oben und unten abgerungen.
„Wie geht man mit so einem hehren Kulturgut um?“, fragt sie und gibt selbst darauf die Antwort. „Wir haben beschlossen, die Details, die sich immer am alten Haus orientieren, in gewisser Weise modern, aber zurückgenommen zu gestalten.“ Auf mehr als hundert verschiedene Marmorsorten ist das Team bei der Sichtung des alten Gebäudes gestoßen. Einige davon tauchen jetzt wieder auf, etwa im neuen Treppenhaus. „Für mich war interessant, diesen Dialog mit dem existierenden Gebäude zu führen und alte Materialien auf neue Weise einzusetzen. Mehr noch als an den Materialien haben wir uns an den Proportionen der Räume orientiert.“
Mit der Arbeit des Beaux-Arts-Architekten Thomas Hastings, der das New Yorker Stadtbild um die Jahrhundertwende maßgeblich prägte, kennt Selldorf sich aus. 1914 hatte er nicht nur die Residenz für die Familie Frick vollendet, sondern im selben Jahr an der Ecke Fifth Avenue und 86th Street ein weiteres Haus, das Selldorf vor 25 Jahren zu einem Museum umgewandelt hat, die Neue Galerie von Ronald Lauder. Viele Gestaltungselemente, „das Vokabular der Materialien, Details, wie Holz auf Stein trifft“, sind ihr daher schon vertraut, auch wenn die Residenz der Familie Frick von Anfang an auf eine noch imposantere Präsenz abzielte.