Club Atomino

„Schaumschlägerei wird sofort sichtbar“

Wenn eine Stadt viele Freiheiten bietet, braucht es Menschen, die sie nutzen: ein Gespräch mit dem Team hinter dem Atomino – dem berühmtesten Club von Chemnitz, der bald in neuen Räumen eröffnet

Von Tim Ackermann
09.08.2023
/ Erschienen in WELTKUNST Nr. 215

BD Es haben sich bereits Leute gemeldet, die wollten die Chemnitzer Platte farbig gestalten. Aber das geht natürlich nicht. Die Betonoptik muss sein. Alles andere wäre unehrlich!

Also, ich finde das Projekt großartig!

JK Das Atomino ist auch noch mit einem Projekt bei der Kulturhauptstadt dabei, über das wir reden können, bevor hier die Chemnitzer Platte noch die gesamte Aufmerksamkeit an sich reißt!

MT Wir arbeiten im Rahmen des Kulturhauptstadtjahrs an einem Projekt zur Clubkultur mit dem Ziel, verschiedene Clubs und die Akteurinnen und Akteure, die an ihnen beteiligt sind, an einen Tisch zu bekommen. Denn egal ob ein Club in Chemnitz, in Barcelona, London oder Paris ist, die Probleme sind zwar nicht komplett überall dieselben, aber viele ähneln sich eben doch.

Daher der Gedanke, sich zu vernetzen?

MT Ja, wir wollen Verbindungen herstellen und schauen: Was können wir von den europäischen Clubs, die Clubkultur vielleicht anders verstehen als wir, lernen? Was können die von uns lernen? Und dann bietet das Projekt natürlich auch die Möglichkeit, Clubs aus verschiedenen Ländern Europas nach Chemnitz einzuladen. Jeweils für einen Abend bietet ihnen das Atomino die Hülle, die sie mit ihren Inhalten und ihren Leuten füllen können.

JK Das ist jetzt eben die Chance, über ein Kulturhauptstadtprojekt das alles einmal richtig unterfüttert mit Fördermitteln ganz konsequent durchzuziehen.

MT Der Titel Kulturhauptstadt sorgt dafür, denke ich, dass die Clubs aus anderen Städten unser Projekt ernster nehmen. Das ist einfacher, als wenn man aus einer Stadt kommt, von der die anderen vielleicht noch nie gehört haben.

Zum Schluss die Frage: Haben Sie mal darüber nachgedacht, aus Chemnitz wegzugehen?

JK (in die Runde) Wer fängt an?

MT Ich habe eigentlich nie daran gedacht. Zu Schulzeiten gab es schon Leute, die gesagt haben, sie gehen sofort nach Leipzig, Dresden oder Berlin. Aber in unserem Freundeskreis war das nie Thema. Die paar, die zum Studieren weggegangen sind, sind entweder wieder hergezogen oder jedes Wochenende da. Ich fühle mich sehr wohl in meiner Altbauwohnung mit hohen Decken und Dielen, in anderen Städten könnte man das nicht bezahlen. Und es gibt ein gutes kulturelles Angebot mir Ausstellungen, Konzerten, Partys. Es ist nicht so, dass es langweilig wird.

Club Atomino Beate Düber Maria Tomasa Llera Pérez Jan Kummer
Willkommen im Club! Beate Düber, Maria Tomasa Llera Pérez und Jan Kummer präsentieren das neue Atomino. © Foto: Hannes Wiedemann

BD Ich komme gebürtig aus Weimar, wo sich alle für Nachfahren von Goethe und Schiller halten. Da ist mir eine Stadt wie Chemnitz mit ihrem rauen Ton und ihrem rauen Material, aber auch mit einer gewissen Offenheit in jedem Fall lieber. Ich finde sie dem Leben ähnlicher. Und ich habe hier genug Leute gefunden, die das auch so sehen und mit denen ich gut was machen kann.

JK Die Frage, warum man nicht gegangen ist, verfolgt einen seit Ewigkeiten. Man hört sie besonders, wenn man etwas mit Kunst macht. Und man kann dann immer provokativ darauf antworten, dass ja selbst, wenn man geblieben ist, es Chemnitz war, das sich radikal gewandelt hat. Die Stadt hat sich ununterbrochen verändert.

Da wären wir wieder bei dem Punkt: der Gegensatz zu Städten, in denen bereits alles festgelegt ist.

JK Genau, diese fertigen Städte wie Weimar: Was soll denn dort noch Großartiges geschehen? In Chemnitz ist es dagegen so, dass nach wie vor Dinge passieren, im Guten wie im Schlechten. Ich könnte jetzt nicht mit Gewissheit sagen, wie die Stadt in zehn oder 15 Jahren aussieht. Das war schon immer so. Und das macht es natürlich spannend.

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