Die Berliner Künstlerin Dariia Kuzmych lebt seit einigen Monaten wieder in der Ukraine. Wir sprachen mit ihr über ein Jahr Krieg, den Alltag der Sirenen und das Glücksgefühl, nach Kyjiw zurückzukehren
ShareJa, das zeigt dann: Es kann jederzeit etwas passieren, du weißt nicht, wo und wann.
Doch, ich verfolge die Informationen dazu, per Telegram oder über andere Kanäle. Wenn es starke Anzeichen von Gefahr gibt, gehe ich. Wenn ich faul bin, dann nicht (lacht).
Die Restaurants und Cafés sind geöffnet, sie bleiben sogar während Bombardierungen offen. Es gibt in Kyjiw kaum Probleme mit dem Alltagsleben, außer mit der Stromversorgung immer mal wieder. Die Geschäfte haben sich angepasst, viele haben sich Generatoren gekauft. Im Moment ist es relativ normal, im November und Dezember, als die vielen Angriffe waren, war es schwieriger. Jetzt kommt aber ein neues wichtiges Datum, der Jahrestag der Invasion, da erwartet man eine Eskalation. Es gab aber schon viele solche Tage, etwa der 9. Mai oder der 24. August, der Tag der Unabhängigkeit der Ukraine.
Ich kann sagen, was ich im Februar und März 2022 gefühlt und erwartet habe: Ich habe erwartet, dass es zunächst wie ein riesiger Schock sein würde und dass danach eine lange Phase käme, die sich wie eine Depression anfühlt. Das habe ich sogar erwartet für den Fall, dass der Krieg noch günstiger für uns gelaufen wäre, bei einer sehr optimistischen Annahme.
Mir war klar, dass wir als Gesellschaft viel Energie investieren müssen, um das Erlebte zu verkraften, es ist für jeden psychisch sehr schwierig, egal ob er oder sie humanitäre Hilfe leistet oder sich mehr um das eigene Leben oder das von nahen Menschen kümmert. Das ist viel Arbeit. Sehr viele sind an der Front oder bereiten sich darauf vor – der Krieg kostet das Leben von konkreten Menschen. Ich fühle diese Erschöpfung und Müdigkeit, aber ich habe trotzdem den Drang, weiterzumachen. So in etwa hatte ich es mir auch vorgestellt. Ich hatte allerdings überhaupt keine konkrete Vorstellung gehabt, wie die Situation nach einem halben Jahr sein würde. Es war ein großes Glück für mich, im August nach Kyjiw zu kommen. In sehr schlechten Momenten hatte ich vorher das Gefühl, dass ich vielleicht nie wieder zurückkann, das war das Schlimmste für mich. Es ist ein bisschen seltsam: Viele verlassen das Land, aber ich bin hier. Ich fühle mich so besser.
Es gab eine Ausstellung im September in Wien in der Galerie Crone in Rahmen von Curated By, die hatte direkt mit dem Krieg zu tun, aber sonst hat es für mich keine großen Auswirkungen gehabt. Ich wollte auch nicht wegen des Kriegs Aufmerksamkeit bekommen. Ich habe in ersten Monaten ein paar Interviews gegeben und Podiumsdiskussionen organisiert, aber ich war dann froh, als das aufhörte. Ich möchte einfach meine Arbeit machen und nicht, dass man sich nur wegen des Krieges für mich interessiert. Diese intensive Phase war notwendig, aber im Sommer führte das zu einem Burn-out, und die Rückkehr nach Kyjiw war wie eine Erholung davon, auch wenn das seltsam klingt: Ich fahre in ein Land im Krieg, um mich zu erholen. (lacht) Ich habe mich dann erst mal zurückgezogen – ich wollte mich mehr auf den Alltag hier konzentrieren. Wieder zu zeichnen war für mich ein therapeutisches Mittel, um mehr zu meinem eigenen Körper zurückzukehren.