Der Illustrator Sergiy Maidukov zeichnet seit einem Jahr sein Leben in Kiew und den Ausnahmezustand in der Ukraine. Ein Gespräch über die Angst, das Zeichnen im Kriegsalltag und die Sehnsucht nach seiner Tochter
Von
10.02.2023
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Erschienen in
WELTKUNST Nr. 209
Aus meiner Wohnung in Kiew, die auch mein Studio ist, mein Schlafzimmer ist nebenan.
Ja.
Nach unserem Interview treffe ich meine Mutter, die an Krebs erkrankt ist. Heute endet ihre erste Bestrahlungstherapie, und wir hoffen, dass es ihr bald besser geht.
Danke, wir sind alle erschöpft. Logistik, Zeit, Geld, es ist alles sehr kompliziert in unserer Situation gerade, aber wenn ich das einmal beiseitelasse, geht es mir gut, auch wenn der Krieg da draußen weitergeht.
Der Sommer und der wärmere Teil des Herbstes bestanden aus vielen kleinen Reisen, die damals noch möglich waren. Jetzt im Winter lebe ich mit der ständigen Angst vor neuen russischen Raketenangriffen. Der letzte fand gestern statt, ich wurde um fünf Uhr morgens von drei Explosionen geweckt, es waren russische Drohnen, die vom ukrainischen Abwehrsystem getroffen wurden. Es waren also keine Explosionen auf dem Boden, sondern in der Luft. Wenn ein Tag so beginnt, komme ich an meine Grenzen, auch emotional, es kostet so viel emotionale Kraft, damit umzugehen.
Sie sind weiterhin in Frankreich. Ich habe meine Tochter am 16. März das letzte Mal getroffen, damals waren sie noch in Lwiw im Westen der Ukraine, in der Nähe der polnischen Grenze. Meine Tochter besucht eine französische Schule, und ich glaube, dass ihre Ausbildung etwas leidet, aber sie ist natürlich glücklich darüber, dass sie als Ausländerin weniger Hausaufgaben machen muss. (lacht) Sie lebt mit meiner Ex-Frau, mit der ich übrigens weiterhin eng befreundet bin, in einer kleinen Kommune in einer ehemaligen Kirche, die von Leuten vor Ort so umgebaut wurde, dass drei Familien dort leben können. Meine Ex-Frau wird von den Behörden finanziell unterstützt, sie erhält 300 Euro im Monat, die beiden können dort umsonst wohnen.
Ich unterstütze sie natürlich, so gut ich kann, finanziell, emotional, ich schicke ihnen auch ständig Pakete. Ich spreche fast jeden Tag mit meiner Tochter, aber ich rufe sie nur an, wenn ich etwas zu erzählen habe – oder wenn ich ihr neue Zeichnungen zeigen kann. Meine Ex-Frau und ich reden auch sehr oft.