Die Bildgießerei Noack in Berlin ist eine der ältesten ihrer Art. Wir sprachen mit der Kuratorin Isabella Mannozzi über 125 Jahre Firmengeschichte, Ernst Barlach und ihre Ausstellungsarbeit
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03.06.2022
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Erschienen in
Kunst und Auktionen Nr. 10/22
Wie kommt es zur Ideenfindung und -entwicklung?
Oft reagiert man auf spezielle Anlässe. Barlach wollten wir bereits vor zwei Jahren zum 150. Geburtstag zeigen. Aber Corona hat uns zunächst einen Strich durch die Rechnung gemacht. Barlachs gesamtes Lebenswerk in Bronze entstand ja – wie schon erwähnt – bei Noack. Da ist es schon etwas Besonderes, wenn man so eine enge Verbindung zwischen Gießerei und Künstler würdigen kann.
Welche für dich wichtigen Faktoren begleiten deine Ausstellungskonzeption?
Vor allem der Austausch mit meinen Kollegen, die Gedankenentwicklung für eine kreative Ausstellungspräsentation, bei der auch schon mal das Schöne im Unperfekten liegen kann, sowie der unprätentiöse, freundliche Umgang mit unseren Besuchern. Die namhaftesten Künstler des 20. Jahrhunderts waren hier zu Hause: Wilhelm Lehmbruck, Käthe Kollwitz, Georg Kolbe, Henry Moore, Joseph Beuys, Rainer Fetting, Georg Baselitz, Anselm Kiefer, Tony Cragg, Jonathan Meese, Heinz Mack – und viele weitere. Die Kontextualisierung der kuratorischen Idee ergibt sich immer durch die Nähe zur Produktionsstätte. Im Fokus ist dabei stets, die Gießerei und die Präsentation ihres handwerklichen Könnens mithilfe der Kunstgeschichte in den Blickpunkt zu rücken. Dabei profitieren wir von einer namhaften Kunstsammlung und einem großen Archiv.
Was sind die speziellen Herausforderungen in der Organisationsplanung bei bildhauerischen Ausstellungen?
Die Präsentation von Güssen ist immer sehr besonders. Denn sie funktioniert anders als beispielsweise bei einem Bild an der Wand. Plastiken sind von allen Seiten begehbar und erfahrbar. Auch allein deswegen braucht man große Räume, die möglichst ebenerdig liegen sollten, um bei Bedarf ein Werk mit einem Gabelstapler platzieren zu können. Aber oftmals muss man auch mit einem riesigen Portalkran arbeiten, um Bronzen überhaupt heben zu können. Du siehst schon: Das alles ist immer etwas aufwendiger, als einen Nagel in die Wand zu schlagen. Dabei machen wir in unserer gesamten Ausstellungslogistik alles selbst.
Was ist in deiner Arbeit das A und O für Nachhaltigkeit?
Ausstellungspublikationen erhöhen die Nachhaltigkeit. Hierbei arbeiten wir zum Teil wissenschaftlich und wie eine museale Einrichtung. Dabei ist dennoch wichtig, dass Publikationen für jeden intellektuell zugänglich sind – denn ich selbst mag auch keine wissenschaftliche Abhandlung zum Thema lesen, sondern lieber einen interessant geschriebenen Text, der mir in Erinnerung bleibt. Dafür arbeiten wir auch mit zahlreichen namhaften Autoren und Verlegern zusammen.
Wenn du auf deine kuratorische Praxis zurückblickst, welchen Stellenwert nimmt diese ein?
Kuratieren ist notwendig. Denn ein künstlerisches Thema ist besser verdaulich, wenn sich jemand mit Expertise vorab bereits Gedanken gemacht hat und eine gefilterte Version oder einen ganz besonderen Blickwinkel auf das Œuvre liefert. Ich verstehe aber auch, wenn es Besucher problematisch finden, dass man Werke durch die Augen anderer sieht, und man selbst eigentlich keine Chance auf eigene Betrachtung hat. Aber unsere Besucherzahlen sind wie bei den Museen auch bei uns der Gradmesser – und die scheinen uns auf unserem Weg recht zu geben.
Vielen Dank für das Gespräch.
„Ernst Barlach zum 150. Geburtstag“,
Werkstattgalerie Hermann Noack, Berlin,
bis 3. Juli