Interview mit Florian Lukas

„Ich habe einen Vogeler zu Hause“

In seinem neuen Film verkörpert Florian Lukas den Jugendstilmaler Heinrich Vogeler. Wir sprachen mit dem Berliner Schauspieler über ein Herzensprojekt, das plötzlich erschreckend aktuell wirkt

Von Tim Ackermann
11.05.2022

War Vogeler ein hoffnungsloser oder ein hoffnungsvoller Fall?

Ich würde auf jeden Fall sagen, ein hoffnungsvoller! Sein Vertrauen darauf, dass man das Glück finden kann, wenn man es sucht, spricht mich an.

Allerdings ist er auch ein Beispiel dafür, wie schnell die Kunst von der Macht erstickt werden kann.

Andererseits entfaltet die Kunst eine große Kraft, wenn sie in den Widerstand geht. Denn wir fühlen uns der Kunst besonders nah, wenn wir uns in unserer Verzweiflung und unserer Ratlosigkeit in ihr wiederfinden. Ich kenne es noch aus der DDR: Kunst ist immer eine starke Form von Subversion und vielleicht die letzte Möglichkeit, bevor man Gewalt anwenden muss, um sich auszudrücken, sich wiederzufinden und auch Gemeinsamkeiten zu finden.

Interview Florian Lukas Heinrich Vogeler Worpswede
Schauspielerin Anna Marie Mühe als Martha Vogeler in den Feldern von Worpswede. © Benjamin Eichler

Vogelers Friedensappell erinnert uns daran, dass die Zeit des Ersten Weltkriegs einige erschreckende Parallelen zu unserer Gegenwart aufweist. Im Februar ist ein Krieg in Europa ausgebrochen. Wie hat sich Ihr Blick auf den Film verändert, durch den aktuellen russischen Angriff auf die Ukraine?

Es macht mich traurig, wenn genau das eintrifft, was offensichtlich war: dass wir in einer vermeintlich heilen Welt leben, in der wir uns – genauso wie damals vor 1914 – nicht vorstellen konnten, in einen Krieg verwickelt zu werden. Für mich war das keine große Überraschung, ich bin eher pessimistisch. Und als Ostberliner habe ich die Sorgen der Osteuropäer immer mehr als verstanden. Wir sind ja seit Jahren auch einem Informationskrieg durch Russland ausgesetzt. Wer das nicht sehen konnte, war für mich, ehrlich gesagt, blind.

Sie meinen Russlands verdeckte Einflussnahme auf die westlichen Demokratien?

 Ja, die Stärkung von destruktiven Kräften in vielen europäischen Ländern, auch in Deutschland. Stets wurden die extremistischen Kräfte und radikaleren Leute gefördert. Als Hoffnungsschimmer empfinde ich allerdings die Tatsache, dass der Westen dann wieder so stark und schnell zu sich gefunden hat. Und dass all die jahrzehntelangen Bemühungen Russlands und all die Milliarden, die da drin stecken, an Spaltung und an Verunsicherung doch relativ wenig Effekt hatten.

Noch einmal zurück zur Kunst: Welches ist Ihr Lieblingsbild von Vogeler?

„Mike mit Pudel“ aus dem Jahr 1914. Vielleicht auch, weil ich meine meine Töchter in diesem Bild wiedererkenne. Einen ganz ernsten, aufrechten Eindruck macht dieses Mädchen. Es ist ein Bild aus einer Übergangszeit in Vogelers Schaffen. Man sieht eine gewisse Ernsthaftigkeit, eine Traurigkeit, vielleicht auch eine gewisse Distanz zu seiner alten Welt, zur eigenen Familie. Und man sieht schon die modernen Elemente, die später eine große Rolle spielen werden in seinen Werken. Ich mag auch die Farben gerne. Zudem hat das Bild eine interessante Geschichte: Es hing Jahrzehnte unerkannt in einem deutschen Wohnzimmer und konnte erst vor einigen Jahren als Leihgabe für den Barkenhoff gewonnen werden. Und das passt ja auch zum Film – denn wir wollen auch etwas wiederentdecken und bekannter machen.

Abgesehen vom Vogeler-Film: Welche Rolle spielt Kunst in Ihrem Leben?

Ich liebe es, in Ausstellungen zu gehen. Ich habe in den letzten Jahren viele Fotoausstellungen gesehen. Berlin ist ja da wirklich unendlich in dem Angebot. Da kann man nur dankbar sein.

Sind Sie auch ein Kunstsammler?

Ich sammele keine Kunst. Das ist mir einfach zu teuer. Ich versuche schon gelegentlich, Originale zu erwerben, aber eben kleinere. Es gibt zum Beispiel einen georgischen Maler namens Amiran Kuprava, den ich sehr gerne mag und von dem ich einige Bilder besitze. Den habe ich vor zwanzig Jahren in einer kleinen Galerie in Berlin entdeckt, da waren seine Bilder noch günstiger. Und ich mag es tatsächlich, Kopien anfertigen zu lassen!

Ach ja?

Ich habe mir auch eine Kopie von einem Vogeler anfertigen lassen. Von einem großen Gemälde mit dem Titel „Frühling“. Es zeigt Martha Vogeler in einem Birkenwald und hängt in Worpswede im Museum Haus am Schluh. Und dann habe ich neulich Chagalls „Ich und das Dorf“ kopieren lassen und meiner Frau geschenkt.

Sind das chinesische Kopien?

 Ja, ganz konsequent chinesisch.

Das sind die besten, hört man! (lacht)

Die sind wirklich unglaublich gut! (lacht) Ich habe also einen echten Vogeler Zuhause. Der ist zwar viel kleiner und eine chinesische Kopie, aber er sieht genauso aus, als ob er von ihm gemalt worden wäre.

Service

FILM

„Heinrich Vogeler. Aus dem Leben eines Träumers“

Regie und Drehbuch: Marie Noëlle Besetzung: Florian Lukas, Anna Maria Mühe, Uwe Preuss  

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