Der künstlerische Nachlass des früh verstorbenen Kölner Progressiven Franz Wilhelm Seiwert ging durch Kriegsverluste in Teilen verloren. Entsprechend schmal ist die heutige Offerte – und die Preisentwicklung zeigt aktuell deutlich nach oben
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06.12.2021
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Erschienen in
Kunst und Auktionen Nr. 19
Geschätzt wird sie allerdings schon seit Langem: Ende 2004 realisierte Grisebach, Berlin, 80.000 Euro für den Titel „Arbeiter neben Kompresse“ und verdoppelte damit die Taxe, gut ein Jahr später hob Lempertz, Köln, eine vielfigurige „Demonstration“ von geschätzten 60.000 sogar auf vermutlich nicht antizipierte 275.000 Euro. Das erste Jahrfünft der zurückliegenden Dekade war für Sammler zweifellos eine Durststrecke. Lediglich zwei Gemälde wurden angeboten, eines musste zurückgenommen werden.
Wenigstens aber reflektierten die angesetzten Taxen den Kurs mittlerweile realistischer. Im November 2014 ließ Lempertz den Bietern mit dem Schätzpreis 100.000 Euro für den Karton „Mann mit Maschinen“ von 1924 allerdings noch ausreichend Luft nach oben (Zuschlag 140.000 Euro). Im Februar 2020 war das späte Figurenbild „Der Gärtner“ das erste Los seit 1994, das außerhalb Deutschlands versteigert wurde. Mit 16.000 Pfund schien die Taxe denn auch anspruchslos genug, wurde am Ende jedoch nahezu vervierfacht. Abstriche machen musste hingegen Lempertz gegen Jahresende bei einer Komposition von 1926 mit drei in die Bildtiefe gestaffelten Arbeiterköpfen. Mit 90.000 Euro veranschlagt, musste sie bereits 8000 unter Taxe abgegeben werden. Einen Ausflug ins sündige Rotlicht-Milieu hätten neusachliche Kollegen wohl allenfalls mit einem Achselzucken festgehalten, der Weltverbesserer Seiwert konnte sich den wertenden Titel für das beschwingte Sujet jedoch nicht verkneifen. Seine „Freudlose Gasse“ verbesserte sich heuer im März bei Christie’s, London, von 120.000 Pfund um 50 Prozent.
Gleich vier Arbeiten konnte Grisebach danach im Juni anbieten: Zuerst kletterte eine „Stark abstrahierte Halbfigur“ aus der Kalltaler Zeit von 30.000 auf 95.000 Euro, eine „Ländliche Familie (Familie Jatho)“ von 1923 verbesserte sich um 10.000 auf 110.000 Euro, während die späte Buntstiftzeichnung „Bauernkrieg“ mit dem Hammerpreis 20.000 Euro die Taxe um 5000 verfehlte. Als Highlight der Auswahl wurde allerdings das „Wandbild für einen Fotografen“ ins Rennen geschickt. Gewidmet hatte Seiwert es 1925 dem bedeutenden Kölner Porträt-Fotografen August Sander; wie die beiden anderen Gemälde stammt es aus dem Besitz von dessen Erben. Im Vorfeld bereits auf 400.000 Euro geschätzt, wurde es mühelos bis auf eine Million hochgezogen.
Resümee