Seit Jahrhunderten machen sich wissbegierige Menschen mit Globen ein Bild von der Erde und den Sternen. Es ist ein uferloses Sammelgebiet, dem man sich mit unterschiedlichsten Vorlieben und Geldbeuteln annähern kann
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13.09.2021
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Erschienen in
Weltkunst Nr. 188
Ähnlich produktiv waren die Berliner Hersteller, von denen das Berliner Auktionshaus Nosbüsch & Stucke regelmäßig eine gute Auswahl zum Aufruf bringt. Ein Spezialist für Berliner Globen ist in der Hauptstadt der Händler René Lehmann, in Deutschland überhaupt einer der wenigen kompetenten Ansprechpartner zum gesamten Thema.
Wem es nicht nur um ein interessantes Einrichtungsstück geht, als das der Globus bei jungen Leuten zunehmend geschätzt wird, sondern wer auch bereit ist, einiges in ein kunsthistorisch interessantes Objekt zu investieren, sollte sich bei höheren Investitionen von seriösen Experten beraten lassen. Denn nicht selten begegnet man Stücken, die im Erhaltungszustand oder durch wertmindernde Veränderungen heikel sind.
Sich auf Globen einzulassen, gleicht dem Zählen von Fischen im Meer. Man kann möglichst alte Beispiele sammeln, nur Erd- oder nur Himmelsgloben wählen, eine bestimmte Werkstatt, exotische Stücke oder seltsame Exemplare bevorzugen. Stets öffnet sich ein weites Feld. Selbst wenn man sich auf die Malerei, die grafischen Künste oder Porzellane mit Weltkugeln als Emblem, Allegorie oder Gleichnis beschränkt.
Spannend ist es auch, das Motiv in der modernen und zeitgenössischen Kunst zu verfolgen: etwa Yves Kleins „Globe Terrestre Bleu“ im typischen Blau des Künstlers, Yinka Shonibares „Girl on Globe“, dessen andere Figuren, die auf einem Globus balancieren, oder Mona Hatoums „Hot Spot“, eine in roten Neonkonturen glühende Erdkugel, die auf die brennenden Krisenherde und die bedrohliche Klimaerwärmung verweist. Sei es Christos Multiple-Collage „Wrapped Globe“, Ceal Floyers „Mirror Globe“ oder viele andere Künstlerinnen und Künstler: Der Erdball inspiriert und fasziniert sie genauso wie Wissenschaftler, Pädagogen oder die Populärkultur in all ihren Facetten.
Wer als Sammler bescheiden beginnen will, dem bieten sich – auch weil sie nicht viel Platz erfordern – die Taschengloben mit ihrem Durchmesser von fünf bis zehn Zentimetern an. Außerdem waren sie, damals wenigstens, weitaus billiger als ihre großen Verwandten. Im späten 18. und im 19. Jahrhundert wurden sie zu einer beliebten Beiläufigkeit, meist hübsch in einer nach Maß gedrechselten Holzdose, einer mit Marmorpapier beklebten Schachtel oder einer aufklappbaren Kugel aus Blech, die innen die Sternbilder wiedergibt, verpackt. Theodor Storm erzählt das in seiner Novelle „Unter dem Tannenbaum“. Denn da liegt zwischen den Geschenken für den Sohn „ein kleiner Globus in schwarzer Kapsel, augenscheinlich schon ein altes Stück. ‚Es war Onkel Erichs letzte Weihnachtsgabe an mich‘, sagte der Amtsrichter; ‚nimm du es nun von mir!‘“
Jenseits des Kanals schätzte man seit 1840 die „Terrestrial Pocket Globes“ der Londoner Firma Newton & Son. Gerade bietet Senger in Bamberg ein sehr schönes Exemplar für 11.800 Euro an. Bereits vor Newton hatten die Nürnberger Johann Bernhard Bauer und sein Sohn Carl diesen Markt bedient. Einer ihrer Taschengloben von 1840 erlöste im September 2019 im Dorotheum 2600 Euro, während ein vergleichbares Exemplar, taxiert auf 1200 Euro, liegen blieb.
Zuvor konnte Bonhams 2014 in New York für eine Bauersche Spezialität, einen Taschenglobus im Originalkarton mit dem aus 28 handkolorierten Stichen bestehenden Leporello „Die Erde und ihre Bewohner“, 3500 Dollar verbuchen. Christie’s in London erlöste im vergangenen Jahr dafür 2100 Pfund, während das Wiener Antiquariat Inlibris für ein Exemplar 8500 Euro veranschlagt. Gegenüber den 27.500 Pfund – bei einer Taxe von 3000 bis 5000 Pfund –, auf die Sotheby’s London im Juli 2020 einen Miniaturglobus von 1762 des in Schweden besonders geschätzten Anders Akerman hob, wirkt das bescheiden. Und erst recht angesichts der 287.000 Pfund, die Christie’s im Dezember 2019 für einen Taschenglobus in einem kugelrunden Lederetui erzielte, der Willem Blaeu zugeschrieben wird.
Solche Preisdifferenzen sind bei Globen eher die Regel als die Ausnahme. Selbst wenn es sich um Beispiele handelt, die eher den verspielten Luxusobjekten zuzuordnen sind. Da sich die Fürsten der Renaissance gern als Herkules preisen ließen, der wacker seine Herrschaft zu schultern versteht, finden sich unter den teuren Schaustücken für die Tafel wiederholt Statuetten des antiken Heros, der das Himmelsgewölbe trägt. Und festlicher Nützlichkeit sind die Globuspokale verpflichtet, bei denen Herkules, Atlas oder Christophorus eine Weltkugel tragen, die in zwei Trinkschalen oder für Gewürze geteilt werden können.
Jakob Stampfer, Goldschmied in Zürich, soll 1554 als Erster einen solchen Pokal gefertigt haben, der Erasmus von Rotterdam 124 Gulden wert war. Noch teurer waren die von Stampfers Nachfolger Abraham Gessner, die in einem Korb über der oberen Schale einen Himmelsglobus bergen. Vierzehn davon sind erhalten, etwa in Wien und in Zürich, wo der Konvent der Chorherren 1673 dafür 180 Gulden gezahlt hatte.
Und dass dem Globusbecher von Lorenz Biller aus Augsburg, einst zum Staatsschatz der Hohenzollern gehörig, 1701 nachträglich als Krönung noch ein Preußenadler hinzugefügt wurde, verrät, welches Gewicht man solcher Tafelzier beimaß. Bei Auktionen machen sie sich deshalb rar. 1997 kam ein Globuspokal von Abraham Gessner bei Sotheby’s in Genf auf 480.000 Franken, und 2005 wurde ein nicht gemarktes Exemplar, wahrscheinlich niederländisch oder norddeutsch, bei Christie’s in London für 400.000 Pfund zugeschlagen.
Diesen Globen als Würdezeichen stehen eine Fülle origineller Versuche gegenüber, die pädagogischen Pflichtstücke der obligaten Schulgloben durch raumsparende Ausführungen zu ersetzen. Dazu gehören Faltgloben wie der „Townsend’s Patent Folding Globe“ aus Papier mit einer Drahtschlaufe als Aufhängung, den 1869 ein Lehrer in Vermont entwarf. Oder der Faltglobus aus sechs mit Fäden zusammengehaltenen elliptischen Elementen, den um 1830 eine lithografische Anstalt in Stuttgart herausbrachte – und den das Dorotheum im letzten Sommer für 1000 Euro vermittelte.
Das gilt auch für den 1785 in Leipzig entwickelten „Erdkörper“, der die Welt auf einem Zylinder mit zwei Kegelstümpfen für die Polarzonen darstellt, oder für den 1830 in Straßburg patentierten aufblasbaren „Pneumatischen Erdglobus“ aus Leder – beide im Mathematisch-Physikalischen Salon in Dresden zu bewundern. Auch „Goldthwaites Handy Patent Folding Globe“ von 1898, der wie ein doppelter Regenschirm aufgespannt und sonst in einer schmalen Kiste aufbewahrt werden konnte, gab sich praktisch – und war 2013 bei Old World Auctions in Henrico (Virginia) für 900 Dollar zu haben. Auf spielerische Weise wollte der Globus als Puzzle, den Charles Kapp in Nürnberg um 1860 entworfen hatte, Schülern die Gesamtheit der Welt erklären. Denn die 38 Kreissegmente, die zu der Weltkugel zusammengefügt werden mussten, zeigten außen die Länder und Kontinente und fügten innen auf den Holzteilen weitere Informationen hinzu. 2800 Pfund waren dafür im Juli 2020 bei Sotheby’s in London zu bezahlen.
Von da ist es nur noch ein kleiner Schritt zu den exzentrischen kunsthandwerklichen Stücken wie dem Bergkristallglobus von Fabergés Werkmeister Erik Kollin in der Sammlung der britischen Königin. Oder John Cowleys Glasglobus von 1739. Die Kugel mit feiner Diamantgravierung der Sternbilder ist eines von drei bekannten Exemplaren, 2017 erzielte es bei Christie’s 162.500 Pfund brutto. Als Bassenge im Juni 2020 auf der Sonderauktion „Fernweh – Sehnsucht nach dem Unbekannten“ aufrief, gehörte dazu ein englischer Elfenbeinglobus, der aufgeklappt als Sonnenuhr dienen kann, sowie ein etwas älterer Flanierstock mit einem kleinen Globus als Knauf, beide aus dem 19. Jahrhundert und beide für 2800 Euro zugeschlagen.
Selbst schräge Kuriositäten verschmähen die Auktionshäuser nicht. Das kann ein kleiner gravierter silberner Erdglobus sein, nur vier Zentimeter im Durchmesser und für 400 Euro im Dorotheum aufgerufen. Oder ein Tintenfass in einem Miniglobus, entstanden um 1890, 168 Euro trug das Objekt bei Ketterer in Hamburg ein. Dazu gehört aber auch ein eiförmiger Globus, der Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland als Blechdose für den englischen Markt hergestellt wurde und 2012 in einem britischen Auktionshaus immerhin auf 2300 Pfund stieg.
Und dann gab es da noch die ebenso eigenartige wie liebevolle Aneignung der Welt, der sich Mercy Smedley, eine Studentin aus Pennsylvania, verschrieb. In den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts stickte sie mit Seide einen dreizehn Zentimeter breiten Globus, der 2015 bei Sotheby’s New York von 800 auf 13 800 Dollar mit Aufgeld kletterte. „Der entfesselte Globus“, wiewohl anders als es der Autor Ilija Trojanow in seinem Reisereportagenband meint, fesselt die Sammelnden also in schier unerschöpflicher Weise.
Hier geht’s weiter zum Service des Sammlerseminars zu Globen.