Ausstellungen

Der naive Krieg

Der Berliner Künstler und Sammler Georg Barber alias ATAK entdeckte das Tagebuch eines Soldaten, der seine Erlebnisse an der Front in Zeichnungen festhielt

Von Kunst und Auktionen
13.09.2019

Was war Ihre bislang überraschendste Entdeckung?

Ein Konvolut von vierundvierzig DIN-A4-Zeichnungen. Es handelt sich um autobiografische Erinnerungen aus dem Zweiten Weltkrieg. Ein gezeichnetes Tagebuch, das von den Fronterlebnissen eines ehemaligen Wehrmachtssoldaten erzählt. 

Was macht den Fund so wertvoll?

Naiv anmutend, geben die Zeichnungen manchmal anekdotenhaft, immer aber direkt Einblick in den Kriegsalltag. Sie erinnern in ihrem Stil ein wenig an das Werk von Henry Darger, wie kleine Comic-Geschichten gezeichnet mit einfachen Materialien. Jedoch kippt der Eindruck beim Lesen der einzelnen, vom unbekannten Künstler (Signatur J.W.) erinnerten Szenen. Es sind Bilder, die den Ausnahmezustand des Krieges dokumentieren. Diese persönliche narrative Verarbeitung des Kriegstraumas gehört zu den zigtausenden Relikten, die auf Dachböden vor sich hin stauben. Mit dem Fortschreiten von Zeit und der Generationen befinden sie sich kurz vor der Auflösung unserer Erinnerungsfähigkeit.

Was wissen Sie über die Herkunft der Zeichnungen?

Der Anbieter bekam es aus einer Haushaltsauflösung im Umkreis von Hamburg. Mehr Informationen dazu gab es nicht.

Sind die Bilder öffentlich zu sehen?

Ja, noch bis Anfang Januar sind sie mit anderen Artefakten in der Ausstellung „Der naive Krieg“ in der Zitadelle Spandau ausgestellt.

Hat sich durch die Entdeckung etwas für Sie verändert?

Für mich sind die Zeichnungen Mahnmale, in ihnen ist so was wie stumme, sprachlose Geschichte kondensiert. Letztendlich geht es beim Sammeln und Aufbewahren ja auch immer um die Verlängerung des jeweils aussterbenden Gedächtnisses in die Gegenwart.

Welchen Wert haben die Werke?

Die Zeichnungen haben keinen materiellen Wert, aber sie sind ein packendes künstlerisches und vor allem historisches Zeitdokument.

Wo und wie haben Sie das Objekt entdeckt? War es ein absoluter Zufallsfund oder haben Sie konkrete Indizien verfolgt?

Für mein Projekt „Der naive Krieg“ ersteigerte ich im Zeitraum von zwei Jahren vorwiegend bei eBay über 5000 Artefakte und Dokumente zum Thema. Der dabei angesammelte Fundus reicht von gezeichneter Feldpost bis zur handgefertigtem Kinderspielzeug aus Kriegsgefangenenlagern. Bei dieser Recherche entdeckte ich das und konnte es für eine kleine Summe, rund 30 Euro, erwerben.

Was würden Sie gerne einmal finden?

Schwer zu sagen. Eine Entdeckung muss ja auch eine Überraschung sein. Aber vielleicht einen solch geheimnisvollen und menschlich berührenden Fund, das ich Tränen in den Augen habe. Vielleicht so etwas, wie ein toll erzähltes und gezeichnetes Comicheft von Kinderhan

Suchen Sie aktuell etwas Bestimmtes?

Als Künstler suche ich nach Objekten, die mich in meiner eigenen kreativen Arbeit inspirieren. Zufälligerweise haftet vielen meiner Funden etwas ganz ursprünglich Menschliches an, das mich anrührt, wie etwa bei Arbeiten begabter Dilettanten.

Wie wird man überhaupt zur Spürnase?

Die Lust etwas zu suchen und zu entdecken entwickelt sich wohl schon in der Kindheit.

Service

Ausstellung

„Der Naive Krieg. Kunst. Trauma. Propaganda.“

bis 5. Januar 2020
Zitadelle Spandau, Berlin

Dieser Beitrag erschien in

KUNST UND AUKTIONEN Nr. 14/2019

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