Die Art Basel Paris hat sich erstaunlich schnell etabliert. Zur vierten Ausgabe versammeln sich 203 Galerien aus 40 Ländern im Grand Palais
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20.10.2025
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Erschienen in
Weltkunst Nr. 246
Die Pracht des restaurierten Grand Palais hat die Art Basel Paris im vergangenen Jahr schillern lassen, und trotz der anhaltenden Krise auf dem Kunstmarkt waren auch die Verkaufszahlen ansehnlich. Vor der Umbenennung fand die Messe zwei Jahre lang als Paris+par Art Basel im temporären Ersatzzelt des Grand Palais statt. Zur nun also insgesamt vierten Ausgabe ist Verlass auf die günstigen Steuern, die Frankreich zum Tor für Importe nach Europa machen, und ebenso auf öffentliche wie private Institutionen, die zeitgleich eine Fülle an Ausstellungen organisieren.
Die Galerienanzahl wächst dieses Jahr von 195 auf 203 Teilnehmer aus 40 Ländern – darunter 25 Neuzugänge. Clément Delépine, der die Pariser Messe leitet, betont die vielen Bezüge zum Austragungsort: „Dutzende, wenn nicht Hunderte Künstler dieser Ausgabe haben eine starke Bindung zur Stadt.“ Damit meint er unter anderem Simone Fattal, Bertrand Lavier und Sheila Hicks oder Pioniere des 20. Jahrhunderts wie Simon Hantaï, Sonia Delaunay und den afroamerikanischen Maler Bob Thompson. Mehr als ein Drittel der Händler betreiben Ausstellungsräume in Paris und tragen so zum blühenden Kunst-Ökosystem bei. Allein im Hauptsektor „Galeries“ stellen 177 Galerien aus, darunter 160 wiederkehrende Teilnehmerinnen und Teilnehmer wie die Pariser Dvir Gallery, die Félix González-Torres ehrt, dessen Werke um Themen wie Erinnerung, Verlust, sexuelle Identität und menschliche Verbundenheit kreisen. Künstler wie Adel Abdessemed, Douglas Gordon, Latifa Echakhch oder Haim Steinbach reagieren mit Arbeiten auf González-Torres’ intime Darstellung menschlicher Erfahrungen.
Galerist Thaddaeus Ropac dürfte mit der Arbeit „Able Was I Ere I Saw Elba“ von Robert Rauschenberg die Blicke auf sich ziehen. Die Serie von Gemälden aus Keramik von 1983 ist die zweite Werkgruppe, die Rauschenberg bei der japanischen Otsuka Ohmi Ceramics Company in Shigaraki schuf. Neben dem Rückgriff auf Jacques-Louis Davids heroisches Reiterporträt von Napoleon verwendete Rauschenberg Orte aus seinen eigenen Fotografien sowie gestische Pigmentstriche. Aus Anlass des 100. Geburtstags des US-amerikanischen Künstlers eröffnet die Galerie als Zugabe eine Rauschenberg-Ausstellung in ihrer Dependance im Marais.
Die Voloshyn Gallery setzt auf eine Soloschau von Nikita Kadans, darunter sein Werk „Shchekavytsia“, ein Hügel in Kiew, der sich auf den Namen des legendären Gründers der Stadt bezieht. Im Jahr 2022, nach dem Beginn der Invasion Russlands in der Ukraine und den Drohungen der russischen Regierung, eine Atombombe über Kiew zu zünden, tauchte in sozialen Medien ein Meme auf, das im Falle eines Atomangriffs eine Orgie auf dem Shchekavytsia-Hügel ankündigte – ein Witz, der vielen Ukrainern als Bewältigungsstrategie gegen die existenzielle Bedrohung diente. Nikita Kadan zeigt das imaginäre Szenario einer Orgie im Stil eines nationalromantischen Gemäldes, wie man sie von den französischen Malern Théodore Géricault oder Eugène Delacroix kennt.
Neun Galerien nehmen zum ersten Mal an der Hauptsektion teil, darunter Crèvecœur aus Paris, 47 Canal aus New York, Stevenson aus Kapstadt und Jan Kaps aus Köln, der Werke der Südafrikanerin Helena Uambembe im Gepäck hat. Mit ihrer Kunst erforscht sie die Geschichte ihrer aus Angola 1975 vor dem Bürgerkrieg geflüchteten Familie. Den Stand teilt sie sich mit der in Addis Abeba lebenden Malerin Selome Muleta. Letztere zeigt in farbintensiven, stillen Porträts Frauen im Zustand innerer Einkehr.
Der Sektor „Emergence“ versammelt als Sprungbrett der nächsten Generation 16 junge Galerien. Sweetwater aus Berlin bringt eine ortsspezifische Installation von Alexandre Khondji mit, Blindspot aus Hongkong setzt auf neue Werke von Xiyadie. Er ist der erste chinesische Papierschnittkünstler, der sich von dem klassischen Motivkanon dieser chinesischen Volkskunst abwendet und stattdessen queere Themen zum Gegenstand der traditionellen Kunstform macht.
In dem 2024 eingeführten Sektor „Premise“ zeigt die Galerie Kadel Willborn aus Düsseldorf einen Dialog zwischen dem fotografischen Werk der Bauhaus-Künstlerin Lucia Moholy (7000 bis 80.000 Euro) und der US-amerikanischen Künstlerin Liz Deschenes, die von der New York Times eine „stille Gigantin“ der postkonzeptuellen Fotografie genannt wird. Während Moholys Umgang mit der Kamera eine neue Auffassung von Architektur und Design in den 1930er-Jahren spiegelt, schaffen die monochromen, frei stehenden Paneele von Deschenes durch das Zusammenspiel von Reflexionen und Farbtiefe ein immersives Raumerlebnis (50.000 bis 225.000 Euro).
Grand Palais
24. bis 26. Oktober