Interview mit Maike Cruse

Die ganze Welt in Farbe tauchen

Nach wie vor setzt die Art Basel weltweit die Standards dafür, was eine herausragende Kunstmesse ausmacht. Im Interview verrät Direktorin Maike Cruse, wie ihr das auch in diesem Juni gelingt

Von Kito Nedo
10.06.2025
/ Erschienen in Weltkunst Nr. 242

Mit ihren Ablegern in Hongkong, Miami und Paris ist die Art Basel global gegenwärtig. Ihr Herz aber schlägt nach wie vor in Basel selbst, wo 1970 alles mit einer ersten Kunstmesse begann. Alljährlich im Juni strömen Sammlerinnen und Sammler aus der ganzen Welt in die dortigen Messehallen, die 2013 von den Architekten Herzog & de Meuron um einen spektakulären Bau erweitert wurden. Inzwischen zeigen hier über 250 Galerien ihre Highlights – von der museumswürdigen Kunst der Moderne über zeitgenössische Stars bis hin zu aufstrebenden Talenten, die es zu entdecken gilt. Für den Überblick sorgen Sektionen wie „Unlimited“ oder „Statements“, in denen sich besonders große respektive besonders junge Kunst präsentiert. Und immer mehr geht die Art Basel auch direkt in die Stadt: Eine spektakuläre Arbeit prägt stets den Messevorplatz, Interventionen entlang der Clarastraße gibt es seit 2024.

Frau Cruse, während der Art Basel setzt ein spektakuläres Kunstwerk auf dem Messeplatz den Ton. Wen haben Sie in diesem Jahr eingeladen?

Als wir über den Messeplatz nachgedacht haben, fiel uns ziemlich schnell Katharina Grosse ein. Mit der Kunst auf dem Messeplatz wird die Stimmung der ganzen Woche gesetzt. Deshalb ist es wichtig, dort eine Arbeit zu platzieren, die funktioniert und eine große Kraft hat. Katharina Grosse ist eine sehr wichtige zeitgenössische Künstlerin, die großformatig arbeitet und es versteht, mit Architektur umzugehen. Ich freue mich sehr, dass sie eines ihrer In-situ-Paintings auf dem Messeplatz vorstellen wird. Sie wird den gesamten Platz, den Brunnen und das Gebäude, also auch die Fassade, mit einbeziehen. In ihrer Malerei arbeitet Katharina Grosse mit der Landschaft und der Architektur. Ihr Wunsch ist es, die ganze Welt in Farbe zu tauchen.

Wird es also eine Farbexplosion geben?

Was genau passiert, wissen wir erst, wenn sie mit der Arbeit anfängt. Es wird wahrscheinlich eher eine reduzierte Farbpalette geben. Es ist aber das erste Mal, dass eine Künstlerin wirklich direkt mit der ganzen Architektur am Ort arbeitet. Mit Sicherheit lässt sich sagen, dass es sich um das ambitionierteste Messeplatzprojekt handelt, das es bislang gab.

Apropos öffentlicher Raum, bereits im vergangenen Jahr wurde die Clarastraße sehr erfolgreich mit ortsspezifischen Installationen, Skulpturen, Interventionen und Performances zur temporären Art-Basel-Parcours-Meile. In diesem Jahr wird die Straße unter dem Titel „Second Nature“ erneut zum Aufführungsort für Kunst. Was muss man sich darunter vorstellen?

Wie im letzten Jahr bespielen wir auch dieses Mal die Clarastraße bis hin zum Rhein mit einer von Stefanie Hessler, der Direktorin des Swiss Institute in New York, kuratierten Ausstellung. Neu ist, dass wir uns diesmal nicht nur auf die Straße beschränken, sondern auch das ehemalige Hotel Merian und den Münsterplatz mit einbeziehen. Unter dem Thema „Second Nature“ werden die sich aktuell auflösenden Grenzen zwischen Natürlichkeit und Künstlichkeit künstlerisch verhandelt. Also: Was wird als natürlich definiert oder wahrgenommen und was nicht? Wo verlaufen die Grenzen zwischen Natur und Künstlichkeit? Wie sehen die neuen hybriden Lebensformen aus? Unter diesem Blickwinkel wurden die Künstlerinnen und Künstler eingeladen.

Maike Cruse Art Basel
Art-Basel-Direktorin Maike Cruse. © Foto: Moritz Schermbach

Können Sie schon ein paar Highlights verraten?

Ich bin gespannt auf die Installation von Selma Selman in der St. Clara-Kirche. Die bosnisch-herzegowinische Künstlerin wird von der Berliner Galerie ChertLüdde vorgestellt. Selman ist Romni und integriert Erzählungen der Roma in ihre Arbeiten, auch im Rückgriff auf ihre eigene Familiengeschichte. Für ihre autofiktionalen Installationen verwendet sie beispielsweise Überbleibsel von Schrottautos wie alte Mercedes-Motorhauben oder Benzingerüche. Ein anderes Highlight wird sicher die Videoinstallation „Finite/Infinite“ von Sturtevant unter der Mittleren Rheinbrücke. Die Projektion zeigt einen von links nach rechts rennenden Hund in einer Endlosschleife. Im Merian wird es eine Brunnen-Installation von Shahryar Nashat mit eigentümlichen Wasserbewegungen geben. Thomas Bayrle zeigt im Schaufenster des Manor-Warenhauses seine Regenmäntel, die dort in einer eigenen Abteilung auch als Auflagenobjekte verkauft werden.

Welche Erfahrungen gab es im vergangenen Jahr mit dem Parcours Clarastraße? Wie kam das beim Publikum an?

Sehr gut. Die Bewohner und Ladenbesitzerinnen in der Straße waren außergewöhnlich offen. Das ist eine Erfahrung, die ich in Basel immer wieder mache: Alle öffnen ihre Türen, wenn es um die Art Basel geht. Das hängt mit der langen Tradition der Messe in der Stadt zusammen, mit der alle Baslerinnen und Basler aufgewachsen sind. Das hilft uns, solche außergewöhnlichen Projekte umzusetzen. Weil im Prinzip alle mitmachen, ergeben sich viele Möglichkeiten in der Clarastraße, was bedeutet, dass wir den Künstlerinnen und Künstlern ganz unterschiedliche Orte anbieten können. Und im Optimalfall entstehen inspirierende Wechselwirkungen zwischen Kunst und öffentlichem Raum. Die Künstlerinnen und Künstler beschäftigen sich mit ihren ortsspezifischen Arbeiten mit dieser Straße und ihren Bewohnerinnen und Bewohnern und mit Themen, die in der Straße oder auch sowieso in der Welt gerade von Bedeutung sind. Die Parcours-Kuratorin Stefanie Hessler verfolgt diesen Ansatz auf wunderbar sensible Art und Weise. So entsteht eine Ausstellung, die sich jedes Jahr auf neue und überraschende Weise fortsetzen lässt.

Die Clarastraße bietet jeden Tag ein Theater des Alltags. Aber wie hilft das der Messe?

Der Erfolg hat auch mit der Nähe zur Messe zu tun, die Clarastraße verbindet die Messe mit der Innenstadt, und wir haben durch diese räumliche Verdichtung mehr Besucher erreicht als in früheren Jahren. Der Parcours ist eine bei Sammlerinnen und Sammlern und dem breiten Publikum beliebte Ergänzung zur Messe und eine Möglichkeit, um ortsspezifische Arbeiten zu präsentieren. So können wir Künstlerinnen und Künstlern entgegenkommen, die mit solchen Ansätzen arbeiten. Eine Videoprojektion wie die von Sturtevant unter einer Brücke zu zeigen, kann so einer Arbeit über den ungewohnten Kontext noch mal eine neue Facette hinzufügen. Am Stand oder in der Sektion „Unlimited“ bestimmen hingegen andere Konnotationen die Wahrnehmung. Insofern ist der Parcours eine wichtige, auch einzigartige Ergänzung zum Messegeschäft.

Die „Unlimited“-Sektion, der Teil der Messe für großformatige Installationen und Performances, liefert den Auftakt für die Messewoche.

„Unlimited“ ist traditionell ein Publikumsmagnet. Diese Sektion bildet mit der Eröffnung den Auftakt der Messe und ist in ihrer Größe, Monumentalität und Bedeutsamkeit von vielen in jeder Hinsicht signifikanten und historischen Positionen absolut singulär in der Welt der Messen. Damit wird der einzigartige Charakter der Art Basel herausgestrichen. Wir freuen uns, dass die „Unlimited“-Sektion in diesem Jahr erneut von Giovanni Carmine, dem Direktor der Kunst Halle Sankt Gallen, kuratiert wird.

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