Interview mit Arne Linde

Phänomen Spinnerei

Vor zwanzig Jahren kreierte eine Handvoll Galerien den besonderen Ort in Leipzig. Die Galeristin Arne Linde war dabei

Von Christiane Meixner
30.04.2025
/ Erschienen in Weltkunst Nr. 241

Was war der Plan, als 2005 sechs Galerien in die Leipziger Spinnerei zogen: ein kreatives Experiment oder ein Ort für die Ewigkeit?

Galerien wie Jochen Hempel, Eigen + Art oder Kleindienst waren ja schon länger in der Stadt ansässig, die letzten beiden stellten in kleinteiligen Altbauwohnungen aus. Gleichzeitig war der Hype um die Leipziger Schule bereits im hochfrequenten Modus, die Galerien mussten sich über kurz oder lang vergrößern. Die Chance war das Gelände, auch weil sich wegen der unklaren Besitzverhältnisse bis 2005 bereits viele Kunstateliers angesiedelt hatten.

Neo Rauch war auch schon da …

Rauch war einer der ersten, es gab halblegale Kellerpartys und Ausstellungen in den Ateliers. Es herrschte einfach eine besondere Atmosphäre. Bloß wenn man nachts mit dem Fahrrad zurück in die Stadt wollte, hat man sich leicht gegruselt, weil um die Spinnerei herum noch nichts saniert war.

Heute sieht das anders aus, die Gegend hat sich entwickelt. Sind die Mieten auf dem Gelände der Spinnerei entsprechend gestiegen?

Das alte Fabrikgelände gehört einem Konsortium, das weitere Immobilien etwa in der Leipziger Innenstadt besitzt. Als Entwickler ist das Unternehmen groß aufgestellt, aber die Spinnerei zählt zu den Lieblingsprojekten der Verantwortlichen. Hier wird behutsam und mit Blick auf die Nutzer saniert. Die Mieten sind nicht immens, sondern steigen langsam.

Haben die etablierten Galerien damals entschieden, wer von der jungen, nächsten Generation mit auf das Areal kommt?

Es gab gar keine. Ich selbst schrieb damals Texte, unter anderem für Galerien. Wir sprachen darüber, dass es durchaus ein jüngeres Format auf dem Areal braucht. Ich ergriff die Gelegenheit, die Galerie ASPN zu eröffnen. Ein totales Experiment, bis dahin hatte ich noch keine Ausstellung realisiert.

Wie lange trug die anfängliche Euphorie?

Es war wirklich eine unfassbare Zeit. Ich bekam Anrufe aus dem Ausland und wusste manchmal gar nicht woher. Ob ich „Leipzig School of Paintings“ hätte und Fotos schicken könnte? Heute ist noch viel von diesem Geist präsent. Genau wie von Leipzigs Ruf als spannender Kunststandort. Sicher gab es über die Jahre Höhen und Tiefen, Corona war eine brutale Zäsur. Dennoch kann ich sagen: Es läuft hier in der Spinnerei sehr gut.

Woran liegt das? Steht die Spinnerei für einen Ort, an dem Leipzigs wichtige Galerien die Künstler und Künstlerinnen von morgen zeigen?

Die Spinnerei steht nach wie vor für Kunst von hoher handwerklich-technischer Qualität. Das liegt auch an der hiesigen Kunstschule, die weiterhin sehr  grundlagenorientiert lehrt, gerade in den Klassen für Malerei. Ich scheue mich, etwas auszurufen, das spezifisch für die Spinnerei gilt. Was ich aber in der kommerziellen Sphäre der Kunst beobachte, ist eine Hinwendung zu Formaten wie der Malerei. Für mich verkörpert das weniger eine konservative Phase, sondern ich interpretiere es so, dass die Weltlage gerade sehr, sehr unsicher wirkt und man sich auf vertraute Werte zurückzieht.

Die Leipziger Schule ist also nach wie vor wichtig. Man sieht in den Spinnerei-Galerien viel figurative Malerei.

Ich habe den Eindruck, dass Malerei tatsächlich eine einigermaßen sichere Bank ist, wenn man vom Verkauf von Kunst leben will. Auch wenn ich in meiner Galerie wenig Figuratives zeige, mache ich die Erfahrung, dass Malerei immer noch die Königsdisziplin darstellt. Es hat auch damit zu tun, dass Öl auf Leinwand das Haltbarste ist, was die Menschheit bisher als Speichermedium hervorgebracht hat. Noch langlebiger sind nur Bronzeskulpturen und Höhlenmalereien.

Gibt es ein Gremium, das die gemeinsamen Rundgänge plant? Und sprechen die Galerien über gegenseitige Hilfe in schwierigen Zeiten?

Es gibt kein Gremium, aber wir sind schon eng miteinander im Gespräch. Wir schauen einander auch ein bisschen auf die Finger. Inzwischen sitzen hier vierzehn Galerien, von denen manche Umsätze im fünfstelligen und andere im siebenstelligen Bereich machen, das Spektrum ist sehr breit. Trotzdem gelingt es uns seit 2005, gemeinsame Eröffnungen für die Rundgänge zu verabreden, Abendessen für Sammlerinnen und Sammler zu organisieren und immer mal wieder Sommerfeste zu veranstalten. Dass wir die Spinnerei als Marke etablieren und uns nicht in Konkurrenz aufreiben, sondern voneinander profitieren, hat uns meiner Ansicht nach immer getragen.

Wie ist die Verankerung der Spinnerei in der Stadt? Gibt es Sammler und Museen, die hier kaufen und wird der Ort auch von den Leipzigern angenommen?

Wir haben mit der G2 Kunsthalle von Steffen Hildebrand eine große Privatsammlung in Leipzig, der Unternehmer ist für uns alle ein wichtiger Partner. Ansonsten hat das private Sammeln von Kunst hier viel weniger Tradition als etwa in Rheinland, zu DDR-Zeiten war es in dieser Stadt kaum verankert. Das setzt sich in die Gegenwart fort. Wir leben mehr von denen, die von anderswo kommen und die Spinnerei besuchen. Wir gehen auf Messen, um dort zu verkaufen. Trotzdem gibt es eine starke Verbundenheit der Menschen, der Bürgerinnen und Bürger, mit ihrer Spinnerei.

Service

Frühjahrsrundgang

Spinnerei Leipzig,

Spinnereistraße 7

3. Mai, 11–19 Uhr, 4. Mai, 11–16 Uhr

spinnerei.de

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